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Frage von Sieghard D. •

Frage an Lothar Binding von Sieghard D. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Hr Binding,

Sie werfen den Ärzten in der gegenwärtigen Diskussion über Arzthonorare Unredlichkeit vor.

In Ihrer Rechnung unterstellen Sie einen Praxisunkostenanteil von ca. 55,6%, d. h. 43,4% Gewinn aus kassenärztlicher Tätigkeit.

Es ist Ihnen genau so klar wie mir, dass bei seit Jahren Budgetdeckelung, steigender Nachfrage und hierdurch sinkendem Fallwert der Gewinn nicht einer Konstanten entsprechen kann, welche ggf. in einem normalen, nicht planwirtschaftlich gesteuerten Wirtschaftsbereich gilt bzw. unter den genannten Bedingungen gegen Null tendiert, vielerorts, bzw. im Regressfall sogar ein Zuschußgeschäft ensteht.

In meinem Fall kann man dies ziemlich genau vorraussagen, nämlich im 2. Quartal 2009 ein RLV Volumen von ca. 30.000 Euro bei Praxisunkosten von 33.000 Euro, zu > 90 % aufgewendet zur Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten. Weiterhin ergibt sich ein persönlicher Arbeitseinsatz von 65 Std. im kassenärztlichen Bereich, sowie für Privatleistungen und zusätzliche Tätigkeiten (irgendwo von muß ich leben) nochmals 15 Std./Woche.

Warum belügen Sie ihre Wähler? Warum rufen Sie "haltet den Dieb", wenn Sie selbst unredlich argumentieren?

Ich hätte geren Ihre Antwort darauf!!!!

mit freudlichem Gruß

S.Puls

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Sehr geehrter Herr Dr. Puls,

vielen Dank für Ihre Fragen. Ihre Frage wird von einigen falschen Behauptungen begleitet. Dafür habe ich Verständnis, denn solche Fehler passieren schnell, weil Sie sich bestimmt wenig Zeit für Lobbyarbeit nehmen und sich stattdessen auf Ihre Patienten konzentrieren. Nur einen Punkt möchte ich schon hier korrigieren: Sie schreiben: „Sie werfen den Ärzten … Unredlichkeit vor.“ Das ist falsch.

Ich kenne viele Ärzte. Exzellente Mediziner die sehr fleißig sind, ihre Praxen lange geöffnet haben, ihre Patienten ernst nehmen und korrekt informieren, seriös argumentieren, qualifiziert kritisieren etc. etc. Eigentlich verfügen die meisten Mediziner die ich kenne über solche Eigenschaften. Die Gesellschaft hat ein teures Studium bezahlt und freut sich über das Ergebnis. Die Ärzte haben eine lange Wegstrecke ihres Lebens studentisch gelebt – das verdient einen Ausgleich im späteren Leben. Das hat auch ein wenig mit dazu beigetragen, dass es heute viermal mehr Ärzte gibt als vor zwei oder drei Jahrzehnten. Deshalb entspricht das Einkommen der Ärzte heute nicht mehr immer den Erwartungen die man zu Beginn des Studiums hatte. Den eben beschriebenen Ärzten bin ich unendlich dankbar dass sie sich um die Gesundheit der Menschen kümmern. Und um meine Gesundheit auch.

Es gibt auch Ärzte, denen ich „Unredlichkeit“ vorwerfe. Einem Arzt der seine Patienten mit falschen – schriftlichen – Informationen verunsichert, einem Arzt, der die knappe Zeit des Patientengesprächs für politische Agitation verwendet, einem Arzt, der mehr abrechnet als er geleistet hat, einem Arzt der auf dem Rücken seiner im Wartezimmer und im Behandlungszimmer wartenden Patienten und nicht durch gute Planung und Organisation die Anzahl seiner Patienten zu optimieren versucht, einem Arzt, dessen Einkommen höher ist als er Glauben machen möchte, einem solchen Arzt werfe ich Unredlichkeit vor.

Ich bitte Sie in unserem Dialog auf solche Differenzierungen zu achten, denn Pauschalurteile und Unterstellungen stehen einer Problemlösung oft im Weg. Für weitere in Frageform gekleidete falsche Behauptungen werden wir einen Weg finden, noch zu einer korrekten Darstellung zu finden.

Nun zu den von Ihnen genannten bzw. geschätzten Zahlen und offenen Fragen: In einem Schreiben, das auf meiner Internetseite zu finden ist, habe ich ausgeführt: „… Statistiken belegen, dass ein Arzt durchschnittlich 200.000 Euro im Jahr erwirtschaftet und dass ihm bei einem unterstellten Praxiskostenanteil von rund 55,6 Prozent ein jährlicher GKV-Überschuss in Höhe von rund 88.000 Euro verbleibt. Geht man davon aus, dass der Arzt 20 Prozent seiner Einnahmen mit Privateinnahmen erzielt, so kommt er auf ein Gesamteinkommen von rund 110.000 Euro. Andere Berechnungen führen ein durchschnittliches Einkommen von 120.000 Euro an. Mit diesem Einkommen gehört er zu den Spitzenverdienern in Deutschland.“

Die von mir angeführte Prozentzahl der durchschnittlichen Praxiskosten beruht auf einer Angabe, die regelmäßig durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in sog. Kostenstrukturerhebungen ermittelt und veröffentlicht wird. Den gleichen Zahlenwert finden Sie auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums unter dem Stichwort Honorarreform.

Die verkürzte Darstellung Ihrer Praxiskosten im 2. Quartal 2009 ist für mich aufgrund der dünnen Datenbasis nicht nachvollziehbar. Sie schreiben, dass Ihr Regelleistungsvolumen im 2. Quartal 2009 ca. 30.000 € betragen wird. Das von Ihnen erwähnte Regelleistungsvolumen entspricht nicht Ihrem tatsächlichen Honorar, das Sie für die Behandlung Ihrer Patienten im Quartal bekommen. Das Regelleistungsvolumen definiert einen Schwellenwert, bis zu dem Sie Leistungen nach der Eurogebührenordnung zu festen Preisen abrechnen können. Bis zu einem Honorarvolumen von 30.000 Euro im Quartal erhalten Sie für alle Leistungen, welche der Mengensteuerung über Regelleistungsvolumina unterliegen, immer den vollen Euro-Preis aus der Euro-Gebührenordnung.

Um Ihre wirtschaftliche Lage besser einschätzen zu können und um ggf. entsprechende durch die Honorarreform auftretende Probleme an das Bundesgesundheitsministerium weiterzugeben, habe ich einige Fragen an Sie:

1. Welche weiteren Einnahmen in Euro erzielen Sie durch Leistungen, die über das Regelleistungsvolumen hinausgehen und unter Umständen zu abgeschichteten Preisen vergütet werden?

2. Wie hoch beziffern Sie Ihre Vergütung durch weitere sog. freie Leistungen, für die immer der volle Euro-Preis vergütet wird und die nicht durch das Regelleistungsvolumen definiert sind?

Dazu zählen beispielsweise:
- Hautkrebsscreening
- Sämtliche Präventionsmaßnahmen
- Ambulante Operationen
- Belegärztliche Leistungen
- Neue Leistungen
- Dringende Hausbesuche
- Leistungen im Notfall
- Akupunktur.

3. Wie hoch beziffern Sie darüber hinaus Ihre Einnahmen aus individuellen Gesundheitsleistungen, Igel-Leistungen, die von der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht bezahlt werden, da sie nicht zum Leistungskatalog der GKV gehören?

4. Welche finanziellen Aufwendungen treffen Sie für die Behandlung von Privatpatienten, die Sie den Praxiskosten zurechnen? Hiezu zähle ich beispielsweise den Einsatz von medizinischen Geräten, die Vorhaltung von extra Warteräumen, Getränken, Zeitungen, Personal usw.

Gerne setze ich den Dialog mit Ihnen in einer konstruktiven öffentlichen Form fort. Bitte beantworten Sie dafür meine Fragen detailliert.

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Binding