Wie möchten Sie die Ambitionslücke im Klimaschutzgesetz schließen (zwischen erlaubtem THG Ausstoß bis 2045 und Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens bis 2030)?
Sehr geehrte Frau Badum,
nach der Sommerpause soll der Bundestag noch über die Entkernung des Klimaschutzgesetzes abstimmen. In der neuen Vorlage geht es u.a. um die Aufhebung der jährlichen Sektorenziele.
Wie soll Ihrer Meinung nach das 1,5 Grad Limit von Paris, dem Ihre Partei ja auch zugestimmt hat, eingehalten werden, wenn
a) das künftige KSG noch weicher formuliert wird als das aktuelle KSG
und
b) das aktuelle KSG schon nicht ausreicht, weil es noch bis 2045 erlaubt Treibhausgase auszustoßen, während wir die maximalen 1,5 Grad wahrscheinlich bis 2030 überschreiten werden?
Sehr geehrter Herr K.
vielen Dank für Ihre Frage.
Wir haben einige wichtige Erfolge erzielt, um Deutschland auf einen klimapolitischen Transformationspfad zu bringen: Die Wärmewende im Heizungskeller kann endlich stattfinden, der Schienenausbau wird vorangebracht und über die LKW-Maut klimagerecht querfinanziert, der Erneuerbaren-Ausbau wird beschleunigt. Das gibt Rückenwind für viele Akteure vor Ort, die sich seit Langem für die Energiewende stark machen und bisher von langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren ausgebremst wurden.
Der Verhandlungen haben aber ebenso vor Augen geführt, dass ambitionierter Klimaschutz noch immer hart umkämpftes Terrain ist. Pragmatische und sozial ausgewogene Lösungen wie das neue Gebäudeenergiegesetz sind wichtige Signale, um das Vertrauen der Bürger*innen für diese große Gemeinschaftsaufgabe zu gewinnen. Dass das Ganze nicht ohne ein letztes Aufbäumen der alten fossilen Lobbys und ihrer Helfer*innen in ALLEN anderen Parteien abgeht, ist klar.
In der Tat hat das Kabinett vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf zur Änderung des Klimaschutzgesetzes eingebracht, welcher in der nächsten Zeit im Parlament beraten wird. Und auch hier wird das sog. „Struck’sche Gesetz“ gelten, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es eingebracht wurde.
Das Klimaschutzgesetz ist und bleibt das zentrale Instrument, um Fortschritte im Klimaschutz sicherzustellen und Ministerien zur Verantwortung zu ziehen. Als Grüne haben wir durchgesetzt, dass die jährlichen Sektorziele weiterhin überprüft und in ihrer Höhe nicht abgeschwächt werden. Es wird sehr deutlich zu sehen sein, welche Bereiche zu viele Emissionen ausstoßen. Aber: Die Sektorziele verlieren ihre Verbindlichkeit. Damit würde das Klimaschutzgesetz deutlich abgeschwächt.
Der Regierungsentwurf sieht vor, dass jedes Jahr geprüft werden soll, ob mit den Klimaplänen der Bundesregierung das Gesamtminderungsziel bis 2030 erreicht werden kann. Ist das zwei Jahre in Folge nicht der Fall, muss die gesamte Bundesregierung Maßnahmen zur Zielerreichung beschließen. Diese Vorausschau ist eine sinnvolle Ergänzung, um Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen.
Die jeweiligen Ziele sind so anspruchsvoll, dass kein anderer Sektor die Klimaschutzlücke aus dem Verkehrs- und Gebäudesektor ohne weiteres kompensieren können wird. Auch von der europäischen Ebene kommt Druck, schnell in die Umsetzung zu kommen. Über die Lastenteilungsverordnung hat sich Deutschland verpflichtet, einen fairen Beitrag zu den europäischen Klimazielen zu leisten. Jeder Versuch, echten Klimaschutz durch ein Aufweichen des Klimaschutzgesetzes zu verhindern, ist also am Ende vergebene Liebesmüh.
Die nun im Klimaschutzprogramm vereinbarten Maßnahmen schließen etwa 80 Prozent der Ziellücke bis 2030, die uns die Große Koalition hinterlassen hatte. Diese Maßnahmen gehen maßgeblich auf grüne Initiativen und Gesetze zurück. Wir haben die Lücke maßgeblich verkleinert.
Ich will aber auch nicht bestreiten, dass die Maßnahmen noch nicht ausreichen, um die Klimaziele 2030 zu erfüllen und Deutschland auf einen Paris-konformen Pfad zu bringen. Das gilt insbesondere für den Verkehrs- und den Gebäudesektor. Wer wie unsere Koalitionspartner lieber „Handlungsspielraum“ schaffen, statt wirksame Maßnahmen vorlegen will, spielt ein gefährliches Spiel auf Zeit.
Was bisher an Emissionsreduktion nicht aufgeholt wurde, bleibt als Verantwortung für die Erreichung unserer Klimaziele erhalten. Die Rolle und Verantwortung aller Minister*innen bis zur Gesamtverantwortung des Kanzlers wird dabei eine wichtige Rolle spielen.
Ich werde mich aufs Stärkste dafür einsetzen, dass die restlichen 20 Prozent der Ziellücke geschlossen werden. Damit dies gelingt, braucht es nun aber auch Impulse und Druck aus der Zivilgesellschaft und auch von weiteren Akteuren wie der Wirtschaft und den Gewerkschaften. Die Demonstrationen im Jahr 2019 haben gezeigt, welche Dynamik ein klares gesellschaftliches Eintreten für mehr Klimaschutz auslösen kann.
Ich würde mich freuen, wenn ich in dieser gemeinsamen Anstrengung auch auf Ihre Unterstützung zählen kann.
Deutschland – und das grün geführte Auswärtige Amt – setzt sich auf internationaler Ebene in unterschiedlichsten Formaten für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels ein und setzt dabei z.B. mit dem globalen Erneuerbaren-Ziel eigene Impulse. Die Frage, inwieweit das 1,5°C-Ziel aus dem Übereinkommen von Paris erreicht wird, bemisst sich letztlich an den Treibhausgaseinsparungen aller Staaten und wird im Rahmen des Global Stocktake überprüft. Der erste Global Stocktake wird auf der nächsten Weltklimakonferenz Ende dieses Jahres vorgestellt.
Es ist jedoch absehbar, dass die derzeit geplanten weltweiten Anstrengungen zur Einsparung von Treibhausgasen bei Weitem noch nicht ausreichen, um das 1,5°C-Ziel auch wirklich einzuhalten. Deshalb ist es umso wichtiger, die weltweiten Emissionen jetzt zu senken. Dafür setze ich mich auch persönlich auf nationaler wie internationaler Ebene ein.
Mit besten Grüßen
Lisa Badum