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Lisa Badum
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Frage von Jens R. •

wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren?

Sehr geehrte Frau Badum,

wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren? Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff in das Immunsystem. Dazu bedarf es der zwanglosen und freiwilligen Einwilligung des Patienten. Eine Impfpflicht widerspricht dem Freiwilligkeit und es entstehen Zwänge. Natürlich hofft man mit einer Impfpflicht Pandemien zu verhindern, jedoch kann und darf das Individualrecht nicht ausgehelbelt werden. Ganz zu Schweigen von den Vertrauensverlusten in die Ärzte, die ja die Patienten zwangsbehandeln müssen. Von dem Problemen mit dem Nürnberger Kodex ganz zu schweigen.
Ich würde mich über eine Rückmeldung mit Ihrer Meinung dazu freuen und hoffe inständig, daß Sie sich gegen eine Impfpflicht entscheiden werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jens. R.

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Sehr geehrte Herr R.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und dafür, dass Sie Ihre Bedenken mit mir teilen. Es ist mir ein großes Anliegen, dass auch Menschen mit unterschiedlichen Ansichten weiter im Gespräch bleiben und dass sich die spürbare Spaltung der Gesellschaft nicht weiter vertieft.

Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass die Impfung keinen 100% sicheren Schutz vor einer Corona-Infektion bietet, wie die Impfdurchbrüche zeigen. Gut belegt ist jedoch auch, dass die vollständige Impfung (mit Auffrischungsimpfung) einen gewissen Schutz vor einem schweren Verlauf (Alpha, Delta und Omikron) bietet. In der Summe ist das Risiko, dass Menschen trotz Impfung PCR-positiv werden und das Virus übertragen, unter der Deltavariante deutlich vermindert. Wie hoch das Transmissionsrisiko unter Omikron ist, kann derzeit noch nicht bestimmt werden. Zwar gibt es mittlerweile viele (auch) geimpfte Menschen, die Corona bekommen - allerdings hat Omikron dabei und bei diesen glücklicherweise einen milderen Verlauf (nach aktuellen Erkenntnissen).

Es sterben immer noch jeden Tag hunderte Menschen an einer Covid19-Erkrankung - lesen sie dazu einen aktuellen Artikel, der sehr alarmierend ist: https://www.rnd.de/politik/omikron-warum-die-corona-todeszahlen-weiterhin-hoch-sind-ZA62MJF42BGDXL3LBZ7WCNLAXQ.html. Wir dürfen also keineswegs so tun, als wären die Corona-Varianten, die nun im Umlauf sind (hier gerade vor allem Omikron) ungefährlich oder würden keine Leben gefährden - denn das tun sie.  

Damit ein Impfstoff eine Zulassung erhalten kann, müssen seine Qualität, seine Unbedenklichkeit und seine Wirksamkeit belegt werden. Zudem muss sein Nutzen gegenüber den Risiken deutlich überwiegen. Auch COVID-19-Impfstoffe werden nach diesem Prinzip entwickelt und zugelassen.

Weitere Informationen zur Zulassung der Covid-19 Impfstoffe finden Sie hier: https://www.pei.de/DE/service/faq/coronavirus/faq-coronavirus-node.html

Meine Hoffnung ist aktuell, dass wir in eine endemische Phase übergehen, in der Corona sich Richtung Grippe entwickelt und wir die Schließungsmaßnahmen zurücknehmen können. Der Frühling/Sommer wird ohnehin helfen. Wir müssen aber unbedingt vor dem Herbst/Winter gewappnet sein - und zwar mit einer höheren Impfquote und weiter gewisse Maßnahmen (Abstand/Maske), dort wo es Sinn macht beibehalten, um einen neuerlichen Lock-Down abzuwenden. Problematisch sind dabei insbesondere überfüllte Intensivstationen und Krankenhäuser, da die Behandlungsqualität für alle Patient*innen darunter leidet. Es gibt z.B. Berichte über Patient*innen, deren Krebserkrankung zu spät entdeckt wurde, weil ihre Kontrolluntersuchungen verschoben wurden oder auch die Therapien selbst. Das kann lebensgefährlich sein. Auch deshalb ist es sehr bedauerlich, wenn es zu (eigentlich vermeidbaren) schweren Verläufen durch eine Corona-Infektion bei Ungeimpften kommt.

Eine allgemeine Impfpflicht stellt einen Eingriff in die Grundrechte dar. Angesichts der dramatischen Entwicklung der Corona-Pandemie ist diese gegenüber stark die Freiheit der gesamten Gesellschaft betreffenden Maßnahmen wie immer wiederkehrende Lockdowns mit starken Kontaktbeschränkungen und gravierenden Folgen insbesondere für Kinder, aber auch ökonomischen Konsequenzen aus unserer Sicht jedoch das mildere Mittel.

An dieser Stelle möchte ich den Ethikrat zitieren: "Hier zeigt sich auch die Ambivalenz des Freiheitsbegriffs: So wichtig die individuelle Freiheit ist – die Pandemie zeigt, dass die Freiheit des Einzelnen nicht voraussetzungslos ist: Ein funktionierendes Gesundheitswesen, das durch eine solidarische Gesellschaft gewährleistet wird, ist im Falle einer schweren Erkrankung eine wesentliche Voraussetzung, um individuelle Freiheit zu behalten oder gegebenenfalls wiederzuerlangen. Die Pandemie führt vor Augen, dass unterschiedliche Freiheiten zusammenhängen. Die Freiheit, Bildung als essenzielles Gut zu erlangen sowie Kultur, Freizeit etc. umfassend zu genießen, lässt sich nur gewährleisten, solange die Pandemie unter Kontrolle ist."

Es ist wichtig, dass eine mögliche Impfpflicht und ihre Ausgestaltung in Parlament und Gesellschaft kontrovers diskutiert werden. Politik muss aber auch die Warnungen der Wissenschaft über Änderungen des Virus und der Pandemiedynamik ernst nehmen, auch wenn das eine Änderung der eigenen Haltung bedeutet. Wir suchen eine breite Mehrheit dafür, jenseits der Grenze zwischen Regierungsfraktion und Opposition. Dem tragen wir mit Gruppenanträgen im Parlament Rechnung.

Der Schutz von Minderheiten und ein respektvoller Umgang miteinander sind mir persönlich sehr wichtig. Sachliche Kritik muss immer möglich sein, aber auch Entscheidungen, die in einer Demokratie mehrheitlich und verfassungskonform gegen die eigene Meinung gefällt werden, müssen akzeptiert werden. Derzeit befürwortet die Mehrheit der Menschen im Land eine Impfpflicht. (https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-2845.html)

Mehr Informationen zum Thema Impfpflicht und den grünen Positionen finden Sie hier:

https://www.gruene-bundestag.de/themen/corona-krise/aenderung-des-infektionsschutzgesetzes

Mit besten Grüßen

Lisa Badum MdB

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