Frage an Lisa Badum von Armin S. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Fr. Badum,
Sie werben auf Abgeordnetenwatch mit dem Motto "Rein in Sonne und Wind, die uns keine Rechnung stellen". Damit sprechen Sie ihre Wähler natürlich mit dem Versprechen an, daß der Strom aus Erneuerbaren nicht mehr, sondern gegebenenfalls sogar weniger kosten soll.
Jetzt ist es leider so, daß sich das auf meiner Stromrechnung durchaus anders darstellt. Alleine schon wegen der Ökostromabgabe.
Aber auch, weil uns Deutschen die Stromspitzen durch Wind und Sonne, die wir heute schon haben, nur gegen Entgelt z.B. in österreichischen Pumpspeichern abgenommen werden - was sich am Ende in meiner Rechung widerspiegelt.
Oder weil es in den typischen Wetterlagen im Januar trotz bereits riesiger installierter Leistung der Erneuerbaren trotzdem schnell mal ein, zwei Wochen gibt, wo nur ein paar Prozent des Energiebedarfs durch die Erneuerbaren abgedeckt werden. Am also einen kompletten konventionellen Kraftwerkspark in der Hinterhand benötigt, um den Bedarf zu decken. Man muß also im Prinzip eine doppelte Infrastruktur vorhalten, die entsprechend kostet und die der Verbraucher zahlen muss.
Oder weil das Stromnetz, wie wir es haben, historisch so gewachsen ist, daß der Strom von den großen Kohle/Atomkraftwerken ausgehend verteilt wurde. Weswegen ein massiver Netzumbau erforderlich ist - der auch nicht umsonst ist.
Als Expertin für Energiepolitik würde ich gerne von Ihnen wissen, wie Sie das denn konkret anstellen wollen, das mit dem "keine Rechung stellen". Denn das bedeutet für mich ganz konkret, daß auf meiner Stromrechung wieder Tarife stehen wie vor - sagen wir mal - 20 Jahren. Plus Inflationsausgeleich und eine Kugel Eis selbstverständlich, das wollen wir nicht unterschlagen. Wie also sieht ihr Konzept konkret aus für die Enhaltung Ihres Versprechens?
Sehr geehrter Herr S.,
Sie sprechen wichtige Punkte an, die viele Menschen in Bezug auf die Energiewende umtreiben.
Die Erzeugungskosten für Strom aus Wind und Sonne sind bereits heute unschlagbar günstig – auch in Deutschland liegen sie bei neuen Anlagen teilweise nur noch bei vier bis sechs Cent pro Kilowattstunde. Das ist preiswerter als Strom aus neuen Kohle- oder Gaskraftwerken. Damit ist der Durchbruch zum Ausbau von Wind- und Solarstrom endgültig geschafft. Was aber noch einige Zeit bleibt, sind die bereits aufgelaufenen EEG-Kosten. So hat beispielsweise der hohe Anteil von Solarenergie, die in den Anfangsjahren des EEG noch sehr gut vergütet wurde, die EEG-Umlage anwachsen lassen. Allerdings macht der Ausbau Erneuerbarer Energien nur ein Drittel der EEG-Umlage aus. Der Rest ist auf den widersinnigen Merit-Order Effekt und auf die Zahlung von Industrieprivilegien zurückzuführen (s.u.). Die EEG-Umlage macht wiederum nur ein knappes Viertel des gesamten Strompreises aus und stellt damit einen geringeren Anteil dar als die sonstigen Abgaben und Umlagen auf Strom.
Wie Sie richtig darlegen, ist die EEG-Umlage für VerbraucherInnen klar erkennbar und transparent auf der Stromrechnung ausgewiesen. Die finanziellen Lasten von Kohle- und Atomstrom liegen dagegen weitgehend im Dunkeln. Doch diese teils üppigen staatlichen Subventionen werden vom Steuerzahler bezahlt – in Form direkter Zuwendungen oder in Form von Umwelt- und Gesundheitsschäden. Eine nüchterne Berechnung des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zeigt, dass Erneuerbare Energien auch hier unterm Strich deutlich kostengünstiger sind als konventionelle. Und würde man sämtliche versteckte Kosten für Kohle und Atom auf der Stromrechnung ausweisen, käme man auf eine „Konventionelle-Energien-Umlage“, die mit durchschnittlich 11 Cent pro Kilowattstunde wesentlich höher ausfallen würde als die aktuelle EEG-Umlage von rund 6,4 ct/kWh. (http://www.foes.de/pdf/2015-01-Was-Strom-wirklich-kostet-kurz.pdf).
Wie Sie richtig anmerken, ist der Strompreis viele Jahre lang angestiegen und stagniert seit einiger Zeit auf hohem Niveau. Allerdings gilt das nur für Privatkunden und Mittelstand. Von der EEG-Umlage befreite Großunternehmen zahlen für ihren Strom heute gut ein Drittel weniger als im Jahr 2008. Tatsächlich hat der Preisanstieg sehr viel mit der von uns Grünen seit Jahren kritisierten unfairen Verteilung der Energiewendekosten zu tun. Und dafür sind die letzten beiden Bundesregierungen aus Union und FDP bzw. Union und SPD verantwortlich. Diese haben die Industrie großzügig von den Kosten für den Ökostromausbau und die Stromnetze befreit. Bezahlt werden die Privilegien von Privathaushalten und Mittelstand. Pro Jahr schlägt das mit über sechs Milliarden Euro auf deren Stromrechnungen zu Buche, etwa 1,7 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde. Damit die Energiewende weitergeht, die Kosten aber für alle bezahlbar bleiben, wollen wir die Industrieprivilegien zugunsten der Normalkunden abschmelzen. Konkret wollen wir die Begünstigungen bei von der EEG-Umlage auf 15 stromintensive Branchen beschränken, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen und Maßnahmen zur Energieeinsparung durchgeführt haben. Aber es geht noch mehr: Die gesamte Industrieprivilegien könnten über den Haushalt statt über die Stromrechnung finanziert werden und Ökostrom von der Stromsteuer befreit werden. Strom könnte für Normalkunden so um insgesamt etwa drei bis vier Cent preiswerter werden.
Sie bemerken zu Recht, dass die Erneuerbaren Energien nicht zu jeder Zeit in vollem Umfang Strom liefern, zu Spitzenzeiten jedoch mehr Strom als nötig produzieren. Um mit diesen neuen Bedingungen in einer Welt von 100% Erneuerbaren Energien umzugehen, brauchen wir eine Mischung aus Netzausbau, Sektorkopplung und intelligenten Speichern. Nur eine moderne Netzinfrastruktur und neue Stromtrassen können garantieren, dass die schwankenden Erneuerbaren Stromquellen dezentral ins Netz einspeisen können und dass Windstrom aus dem Norden effizient und weiträumig in die Verbrauchshochburgen in Süd- und Westdeutschland übertragen wird. In den letzten Jahren hat der Netzausbau mit dem Wandel der Energielandschaft nicht Schritt gehalten. Seit den 1970er Jahren wurde wenig in die Netze investiert. Das führt bereits heute zu Engpässen in manchen Regionen Deutschlands, in anderen Regionen sind diese absehbar. Diese Engpässe führen zum Beispiel an der Nordseeküste dazu, dass Windenergieanlagen abgeregelt werden müssen, da im Netz keine Kapazitäten vorhanden sind um den Strom zu den Verbrauchszentren zu transportieren. Das ist extrem ineffizient. Statt Windenergie abzuregeln, sollte neben dem Transport in den Süden auch eine Nutzung am Ort der Erzeugung durch die so genannte Sektorkopplung ermöglicht werden. So könnte z. B. Ökostrom in Wasserstoff umgewandelt und ins Erdgasnetz eingespeist oder direkt über Wärmespeicher in Heizungssysteme fließen.
Gemeinsam mit meinen grünen KollegInnen im Bundestag kämpfe ich auch weiterhin für 100% Erneuerbare Energien. Dabei streiten wir für die faire Verteilung von Kosten und Nutzen der Energiewende, wollen die Industrieausnahmen abschmelzen und dafür sorgen, dass jeder von günstigem Ökostrom profitieren kann.
Mit freundlichen Grüßen
Lisa Badum