Frage an Lars Harms von Kevin D. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Harms,
warum dürfen private Pflegeeinrichtungen 10% Rendite und mehr erwirtschaften und warum fehlt dieses Geld dann um den Pflegebedürftigen zu versorgen?
Selbst bei einem Schlaganfall oder Herzinfarkt ist heute in der Bundesrepublik Deutschland nicht immer eine optimale Therapie aufgrund von Personalmangel im Pflegeberuf möglich. Ich habe das selbst im engsten Verwandtenkreis mitbekommen.
Auf der Homepage des statistischen Bundesamtes finden Sie die Pflegestatistik 2017. Darin sieht man das in den nächsten 15 Jahren über 40% aller beruflich Pflegenden in Rente gehen wird. Über 477.000 Pflegekräfte. Nachwuchs im Pflegeberuf? Gibt es viel zu wenig. Fluktuation von Pflegepersonal und immer mehr Pflegebedürftige lassen das Pflegesystem in Deutschland gegen 2028 zusammenbrechen, wenn sich nichts ändert.
Die Uhr tickt.
Sie haben jetzt noch die Chance etwas zu verändern!
• Setzen Sie sich dafür ein, dass Renditen von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Pflegediensten nicht mehr über 10% (teilweise noch deutlich höher) betragen dürfen. 3% Rendite sollte vollkommen ausreichend sein. Im Pflegesystem ist genug Geld, es kommt nur nicht bei den Pflegebedürftigen und den Pflegekräften an.
• Unterstützen Sie die Selbstbestimmung der Pflege. Die Pflege braucht keine Zwangsverkammerung in Form einer Pflegeberufekammer, die das hart erarbeitete Geld einer Pflegefachkraft eintreibt. Eine kostenlose und freiwillige Mitgliedschaft wie ein Pflegering in Bayern vergrault keine langjährigen und hochqualifizierten Fachkräfte aus dem Beruf.
• Setzen Sie sich dafür ein, dass Pflegekräfte ein leistungsorientiertes Gehalt bekommen und auch schon in der Ausbildung eine angemessene Vergütung erhalten.
Es ist mir wirklich wichtig, dass kein Mensch mehr aufgrund von Personalmangel im Pflegeberuf zu Schaden kommt. Denken Sie bitte darüber nach.
Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen aus Kellinghusen
K. D.
Altenpfleger
Sehr geehrter Herr D.,
vorab möchte ich eins ganz deutlich sagen: Der SSW im Landtag nimmt Ihre
Bedenken sehr ernst. Wir haben einen intensiven Diskussionsprozess geführt
und uns die Entscheidung für eine Kammer alles andere als leicht gemacht.
Als Partei, die im regen Austausch mit unseren skandinavischen Nachbarn
steht, sind wir nie glühende Anhänger eines Kammersystems gewesen. Um
ehrlich zu sein, könnten wir uns eine Gesellschaft ohne Kammern sogar sehr
gut vorstellen.
Unsere Entscheidung, die Einrichtung einer Pflegeberufekammer in
Schleswig-Holstein mitzutragen, haben wir damals nur getroffen, weil wir
uns davon eine echte Aufwertung der Pflege versprechen. Ein Kammersystem
wie in Deutschland, in dem Ärzte, Apotheker oder beispielsweise
Psychotherapeuten mit Hilfe einer Kammer geschlossen ihre Interessen
vertreten, erfordert auch eine entsprechende Institution auf Seite der
Pflegenden. Um es ganz klar zu sagen: Wir sehen unter den gegebenen
Rahmenbedingungen kaum andere Möglichkeiten, um den professionell
Pflegenden ein echtes Arbeiten auf Augenhöhe zu ermöglichen.
Wir stehen ganz ohne Frage vor enormen Aufgaben, wenn wir Pflege in hoher
Qualität sicherstellen wollen. Dafür braucht es nicht nur eine gemeinsame
Ausbildung für Alten-, Kranken- und Gesundheitspflege, die für die
Auszubildenden kostenlos ist, sondern auch ein eigenständiges Studium.
Insgesamt müssen wir bessere Rahmenbedingungen schaffen und dringend dafür
sorgen, dass das Motto: „Mehr Pflege und weniger Dokumentation“ zum Alltag
wird. Und eins sollte in diesem Prozess selbstverständlich sein: Die
Pflegenden selbst müssen die Möglichkeit haben, die Weiterentwicklung der
Pflege aktiv zu gestalten. Und mit der Mitgliedschaft in der
Pflegeberufekammer ist genau diese Möglichkeit verbunden. Unsere
Pflegefachkräfte im Land sind längst aufgefordert, sich aktiv in die
Kammerarbeit einzubringen. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass Pflegende
Themen auf die Tagesordnung setzen, Missstände anzeigen und Lösungswege
anregen.
Mit Blick auf den Aspekt der vermeintlichen Zwangsmitgliedschaft und der
Zwangsbeiträge für eine Pflegeberufekammer, möchte ich auf eins ganz
deutlich hinweisen: Das, was leider immer wieder als „Zwangsmitgliedschaft“
bezeichnet wird, ist allenfalls eine Pflichtmitgliedschaft. Sie ist ein
ganz wesentliches Element einer Pflegeberufekammer. Damit eine solche
Kammer tatsächlich das dringend nötige Gewicht bekommt, müssen alle
beruflich Pflegenden Mitglieder sein. Andernfalls macht eine solche
Institution schlicht und einfach keinen Sinn. Nebenbei bemerkt ist es
durchaus bedauerlich, dass mit der Verwendung des Begriffs
„Zwangsmitgliedschaft“ der Solidaritätsgedanke einfach ausgeblendet wird.
Das Land Schleswig-Holstein hat zwar Haushaltsmittel für notwendige
Vorarbeiten bei der Einrichtung einer Pflegeberufekammer bereitgestellt.
Doch für die Konstituierung und Aufrechterhaltung der Arbeit einer
Pflegeberufekammer braucht es auch Mitgliedsbeiträge. Diese sind zwar
verpflichtend, aber zumindest überschaubar. Aus unserer Sicht muss die
Beitragsstruktur der Pflegeberufekammer an die Beiträge bestehender Kammern
angelehnt werden. Hier beträgt der Jahresbeitrag ca. 0,15% des
Bruttojahresgehaltes. Nach Schätzungen lässt sich also sagen, dass der
Monatsbeitrag mit circa 10-12 Euro relativ moderat ausfallen dürfte. Dies
zeigen auch die offiziellen Informationen, die Sie auf der Homepage der
Pflegeberufekammer nachlesen können: „Wie hoch ist der Kammerbeitrag? Der
Kammerbeitrag ist abhängig von den Bruttojahreseinkünften aus pflegerischer
Tätigkeit abzüglich der Werbungskosten (pauschal sind das 1.000 €). Als
Bemessungszeitraum wird immer das vorletzte Jahr herangezogen (für 2019 ist
dies also 2017). Ihre Bruttojahreseinkünfte entnehmen Sie Ihrer
Lohnsteuerbescheinigung oder Ihrem Einkommensteuerbescheid. Das Ergebnis
schlagen Sie in der Beitragstabelle nach und erhalten damit den zu
zahlenden Kammerbeitrag. Beispiel: 35.500 € Bruttojahreseinkommen – 1.000 €
Werbungskosten = 34.500 € -> Beitragsklasse 7 (119,00 € pro Jahr).“
Wie bereits erwähnt, verbinden wir mit der Einrichtung einer
Pflegeberufekammer den Anspruch, die Pflege aufzuwerten. Die Kammer dient
bereits in zunehmendem Maße als Sprachrohr für die vielen professionell
Pflegenden. Und für uns als Landespolitiker ist es angesichts der
Herausforderungen in diesem Bereich enorm wichtig, einen Ansprechpartner zu
haben, der die Interessen möglichst aller Pflegenden vertritt. Wir sind der
klaren Auffassung, dass man die Pflege nicht einfach aus
gesundheitspolitischen Entscheidungen und Weichenstellungen heraushalten
kann. Mit der Entscheidung für eine Kammer ist für uns klar, dass sie die
Interessen der Pflegeberufe auch durch bessere Einbindung und Zuarbeit bei
pflegerelevanten Gesetzentwürfen und politischen Entscheidungen vertritt.
Und auch, wenn wir hier noch recht weit am Anfang stehen, ist dieser
positive Einfluss schon heute spürbar.
Die Pflegeberufekammer wird die Profession Pflege gegenüber anderen
medizinischen Heilberufen stärken und wichtige Selbstverwaltungsaufgaben
wahrnehmen. Und wir erwarten von ihr auch eine Weiterentwicklung der Pflege
durch die Sammlung aller pflegerelevanten aber auch wissenschaftlichen
Daten, auf deren Grundlage dann konkrete Verbesserungen erarbeitet werden
müssen.
Bei aller Kritik an diesem Thema lässt sich grundsätzlich etwas sehr
Wichtiges festhalten: Allein die vergleichsweise breite gesellschaftliche
Debatte um die Einrichtung einer Pflegeberufekammer hat bis dato schon sehr
positive Auswirkungen. Die wachsenden Anforderungen an Pflegefachkräfte
sind ebenso ins Bewusstsein vieler Menschen gerückt, wie die stetig
steigende Arbeitsbelastung und die grundsätzliche Notwendigkeit, dieses
Berufsfeld weiterzuentwickeln. Doch das reicht nach Auffassung des SSW noch
nicht, um der Pflege den Stellenwert zu geben, den sie verdient. Zwar wird
die Pflegeberufekammer allein nicht die vielfältigen Herausforderungen
lösen können. Aber sie ist ein bedeutender Schritt, mit dem sich die
Situation der professionellen Pflegefachkräfte schon heute zum besseren
entwickelt.
Weitere Antworten auf Fragen zur Pflegeberufekammer finden Sie
übersichtlich geordnet auf der Homepage der Kammer:
https://pflegeberufekammer-sh.de/kammerfragen/
Mit freundlichen Grüßen
Lars Harms