Frage an Lars Harms von Rolf V. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Harms,
ich bin Lehrer an einem Gymnasium und vor zwei Jahren zum Oberstudienrat (A14) befördert worden. Diese Beförderung ist keine Regelbeförderung, sondern erfolgt auf Grund sehr guter Leistungen im Unterricht und besonderem Engagement. Mein Schulleiter hat mich vermutlich befördert, weil ich neben dem Unterricht mich in vielen (meist freiwilligen) Konferenzen und Sitzungen zeitintensiv in die Entwicklung meiner Schule einbringe, weil ich schon (unentgeltlich) Arbeitsgemeinschaften angeboten habe, weil ich regelmäßig für meine Schüler naturwissenschaftliche Projekte auch auswärts durchführe (und selbst bezahle!) oder die Schulverwaltung unterstütze.
Insgesamt gehe ich in meinem Fall von einer freiwilligen Mehrarbeit von 80-100 Stunden bzw. 2 Wochen pro Jahr aus.
Es gibt sicher Kollegen, die diese - nicht vom Arbeitgeber, dem Land verlangte - Arbeit nicht leisten, was ich überhaupt nicht verwerflich finde. Dies hat allerdings zur Folge, dass diese Kollegen in aller Regel Studienräte (A13) sind.
In ihrer Presseerklärung vom 20.3.13 sprechen Sie im Zusammenhang mit der geplanten Erhöhung der Beamtenbesoldung von einem „fairen, sozial ausgewogenen Kompromiss“. Können Sie mir angesichts der von mir in den letzten Jahren erbrachten Opfer zur Haushaltskonsolidierung (u.a. Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld, starke Erhöhung des Selbstbehalts bei der Beihilfe und Erhöhung der Pflichtstunden um 8,5% in den letzten 10 Jahren) erklären, in wie weit es fair ist, wenn mein freiwillig und zusätzlich erbrachter Einsatz missachtet wird, indem engagierte Lehrkräfte weniger von Lohnsteigerungen profitieren als Lehrkräfte, die „nur“ ihren Dient tun?
Wie verträgt sich ihr „fairer Kompromiss“ mit dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentierung? Müssten hier nicht alle Lehrkräfte gleich behandelt werden?
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Voßeler
Sehr geehrter Herr Voßeler,
um meine Einschätzung richtig nachvollziehen zu können möchte ich kurz darauf hinweisen, was ich im Landtag gesagt habe. Ich habe folgendes gesagt: "Wenn die Opposition eine Aktuelle Stunde beantragt, dann hat sie auch einen Anspruch darauf - wenn die Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen dazu in der Lage sind, Vorschläge zu entwickeln - diese Vorschläge auch vorgestellt zu bekommen. Das ist ganz wichtig im parlamentarischen Verfahren. Wir haben bis gestern verhandelt und zeitgerecht Vorschläge vorgelegt, die für uns handlungsleitend sind. Auch Ihre Beteiligung wird nicht ausgeschlossen, weil wir mit diesem Verfahren erst dann beginnen werden, wenn wir in die Beratung über das betreffende Gesetz einsteigen. Das werden wir höchstwahrscheinlich in den nächsten Monaten machen. Dann wird es auch Anhörungen und Gespräche geben, und dann werden natürlich auch Sie dabei sein.
Aber ich finde, wenn eine Regierung gemeinsam mit der sie tragenden Koalition mit Vorschlägen kommt aufgrund einer Aktuellen Stunde, die Sie beantragt haben dann ist das nicht unbedingt ein Grund dafür, dass eine Opposition darüber böse sein kann. Vielmehr sollten Sie darüber erfreut sein, dass wir mit dem, was wir vorschlagen wollen, auch entsprechend frühzeitig herauskommen.
Wir haben Gespräche mit den Gewerkschaften geführt. Wir haben auch Gespräche mit dem Beamtenbund geführt. Natürlich - das ist Ihnen allen klar - haben wir keine Einigung erzielen können. Trotzdem ist das, was man dort miteinender besprochen hat und was als Anregung gegeben worden ist, natürlich auch in unsere Vorschläge eingeflossen. Wir wollen jetzt in das Verfahren hineingeben, dass wir den Abschluss für die Angestellten grundsätzlich auch für die unteren und mittleren Gruppen der Beamten übernehmen. Wir wollen gern auch eine Verlässlichkeit für die Beamtinnen und Beamten in diesem Land über den gesamten Zeitraum der Legislaturperiode ermöglichen.
Wir haben uns das genau angesehen und haben uns die Entscheidung auch nicht leicht gemacht. Wir haben sehr darauf geachtet, dass diejenigen, die es wirklich nötig haben, dass der Abschluss für die Angestellten auch für sie übernommen wird, nicht schlechter stehen als Angestellte. Das sind zum Beispiel Polizisten, und das sind auch die „normalen“ Lehrer.
Wir haben extra darauf geachtet, dass auch für diese der Abschluss der
Angestellten übernommen wird. Das sind 2.65% und in der Folgezeit 2,95%. Daran rütteln wir auch nicht, sondern wir haben uns daran orientiert, dass die oberen Gruppen eher die Möglichkeit haben, einen Solidarbeitrag zu leisten, und haben dies auch entsprechend eingepreist.
Zweitens haben wir gesagt, wir wollen eine vernünftige Finanzplanung über die gesamte Legislaturperiode hinweg machen. Wir wollen dabei aber auch die berechtigten Interessen der Beamtinnen und Beamten berücksichtigen. Deswegen wollen wir 1,5% einplanen, sodass die Beamten schon jetzt wissen, dass sie auf jeden Fall mit 1,5% rechnen können. Ich glaube, auch das ist etwas, was man in der Beamtenschaft durchaus wertschätzt. Hinzu kommen noch Einmalzahlungen und Ähnliches. Aber auch das ist Ihnen aus den Unterlagen ersichtlich.
Es ist aber auch wichtig, dass wir in diesem Gesamtpaket auch noch über Zulagen reden. Wir gewähren Zulagen für die Feuerwehr, für Außendienstmitarbeit, wir gewähren wieder eine Jubiläumszulage, und wir schauen darauf, dass die Beihilfe in Bezug auf den Wegfall der Praxisgebühr entsprechend angepasst wird. All dies wird ebenfalls in den Topf hineingenommen. Auch das ist Ausfluss der Beratungen mit den Gewerkschaften und mit dem Beamtenbund, die genau diese Bereiche eben auch moniert haben. Insofern ist dieses Gesamtpaket auch nicht so schlecht. Das zeigen auch die Zahlen der Vergangenheit. In den letzten 13 Jahren gab es eine durchschnittliche Erhöhung der Einkommen der Beamten von 1,44%. Vergleichen Sie dies mit den Zahlen die Ihnen heute vorliegen, und Sie werden sehen, so schlicht ist das, was wir gewähren, nicht.
Mit dem, was wir heute vorlegen, werden wir unsere ursprünglichen Planungen um rund 50 Millionen Euro übersteigen, die natürlich in den nächsten fünf Jahren auch zu finanzieren sein werden. Ich nenne diese Zahl deshalb ganz bewusst, weil ich glaube, es ist auch ein Riesenkraftakt für das Land Schleswig-Holstein, diese 50 Millionen Euro zusätzlich aufzubringen. Meine Damen und Herren, ich glaube, auch das muss man berücksichtigen, wenn man den Abschluss entsprechend bewerten will. Ein letztes Wort, weil der Kollege Kubicki gerade gesagt hat: Ihr fordert den Mindestlohn von den Unternehmen, aber selbst wollt ihr nichts geben. Man ahnt ja, dass solche Dinge kommen. Ich habe also schnell in die Unterlagen geschaut. Ein Beamter in der Besoldungsgruppe A 3 - das ist der niedrigstbezahlte Beamte in unserem Land - bekommt 1.760,- Euro. Das sind bei 41 Stunden in der Woche 10,22 Euro.
Wenn wir uns das gesamte Paket ansehen, geben wir mehr als in der Vergangenheit. Es bekommen die, die es besonders nötig haben, auch tatsächlich das, was im Angestelltenbereich ausgehandelt worden ist. Wir räumen mit Unzulänglichkeiten in der Vergangenheit auf, was Zulagen und Beihilfe angeht. Ich glaube, dass das ein sehr soziales Konzept ist. Es ist nicht zu 100% die Übernahme - das sage ich hier ganz deutlich -, aber es ist wirklich ein großer Teil Übernahme. Wir haben uns wirklich hart gebogen und hart darüber nachgedacht, wie man so etwas auf die Beine stellen kann, wie man sozial gerecht handeln kann, gleichzeitig aber auch den Haushalt nicht überstrapaziert und auf gar keinen Fall die Schuldenbremse einzureißen droht. Ich glaube, das ist uns heute gelungen. Deswegen können wir als SSW auch sagen, dass wir das, was hier vorgeschlagen wird, wirklich begrüßen.
Es ist ganz wichtig: Wir werden noch in die Beratung einsteigen, weil das Gesetz entsprechend angepasst werden muss. Dann wird es auch noch eine Beteiligung formaler Art geben. Dann werden uns möglicherweise auch die Gewerkschaften und der Beamtenbund deutlich machen, wie sie dazu stehen. Das ist auch in Ordnung. Möglicherweise werden auch Gesetze, die eingebracht werden, mit Modifizierungen aus dem Verfahren herauskommen. Diese Offenheit besteht, weil diese Offenheit immer in der Politik besteht.
In dem Sinne freue ich mich dann auch auf die Beratungen zu dem entsprechenden Gesetz nach dieser Aktuellen Stunde ab dem nächsten Monat."
Vor dem Hintergrund, dass das Land über 50 Millionen Euro in den nächsten 5 Jahren zusätzlich aufwendet, um die Tarifübernahme für die Beamten zumindest teilweise zu ermöglichen und auch den höheren Besoldungsgruppen eine Erhöhung von jährlich 1,5 % zu ermöglichen, ist es nach meiner Auffassung ein guter Kompromiss zwischen dem Wunsch nach weitestgehender Besoldungsanpassung auf der einen Seite und den Anforderungen der Schuldenbremse und den Notwendigkeiten der Haushaltskonsolidierung auf der anderen Seite.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Harms