Sehr geehrter Herr Castellucci, welche Sicherheitsmaßnahmen hat die neue Regierung geplant, sollte sich ein Ansturm auf unsere Grenze wie 2015, nur diesmal über Polen wiederholen?
In der Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD oder aber im Innenministerium wird man hier bestimmt vorgeplant haben bzw. einen Notfallplan haben oder ?
Sehr geehrter Herr F.,
die Lage an den europäischen Außengrenzen zu Belarus ist weiterhin besorgniserregend, ist aber in keiner Weise mit der Situation im Jahr 2015 vergleichbar. Wir sind Zeugen einer verbrecherischen Aktion des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko, der Flüchtlinge und Migrant:innen in sein Land gelockt hat mit der Aussicht, von dort nach Europa zu kommen. Die Menschen werden an der Grenze ausgesetzt, der Rückweg ist ihnen praktisch versperrt, von europäischer Seite finden massive Rechtsverletzungen gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung statt, die Zahl der Toten aufgrund von Misshandlungen, fehlender medizinischer Versorgung und Minustemperaturen ist auf siebzehn gestiegen. Obwohl von einer Unterbringung unter anderem in einem Logistikzentrum berichtet wird und erste Rückflüge in Herkunftsländer stattgefunden haben, befindet sich weiterhin eine nicht genau zu beziffernde Zahl von Menschen, darunter Familien und Kinder, schutzlos in den Wäldern. Hilfsorganisationen und Medienvertretern wird auf beiden Seiten der Zugang verweigert.
In dieser Situation ist es entscheidend, drei Positionen miteinander zu verbinden.
Erstens muss die verbrecherische Aktion Lukaschenkos beendet werden. Dazu braucht es weitere wirtschaftliche Sanktionen und politischen Druck auf das Regime sowie Einwirkung auf seine internationalen Partner, die beteiligten Fluggesellschaften und die Länder, in denen die Flugzeuge starten. Hier konnten bereits Erfolge erzielt werden: die Sanktionen wurden verschärft, Flüge etwa aus dem Irak, Jordanien oder der Türkei sind unterbunden. Wir zeigen: Europa ist nicht erpressbar, Lukaschenko erreicht weder seine Anerkennung noch eine Lockerung von Sanktionen – im Gegenteil.
Zweitens müssen wir dem Unrechtsregime in Minsk mit der Stärke des Rechts begegnen. Den Angriff auf unsere Werte beantworten wir, indem wir unsere Werte verteidigen. Konsequenz und Härte gegenüber den Verursachenden und Profiteuren dieser Krise müssen einhergehen mit einem klaren Bekenntnis zu Recht und Ordnung - auch an den Außengrenzen. Es braucht ein an Menschenrechten orientiertes Grenzmanagement der EU nach demokratisch gefassten Regeln mit der Chance, internationalen Schutz zu beantragen und ein faires Verfahren zu bekommen. An dessen Ende stehen dann Aufnahmen oder Rückführungen.
Drittens müssen Deutschland und die EU humanitäre Verantwortung übernehmen. Die Menschen in den Wäldern benötigen umgehend Schutz. An den europäischen Grenzen darf niemand zu Tode kommen. Wer sie erreicht, muss anständig behandelt werden und niemand darf dorthin zurückgeschickt werden, wo Tod oder unmenschliche Zustände herrschen. Medien, UNHCR, IOM, die europäischen Agenturen, Frontex und EASO, und humanitäre Organisationen müssen Zugang erhalten und die Gestrandeten erstversorgt, untergebracht und registriert werden. Verletzliche Gruppen, Frauen und Kinder brauchen besonderen Schutz. Legale und sichere Wege wie das Umsiedlungsprogramm der Vereinten Nationen müssen gestärkt werden.
Das niederträchtige Vorgehen des Lukaschenko-Regimes kann nur als staatlicher Menschenschmuggel bezeichnet werden. Die Verantwortlichen hierfür müssen vor einer internationalen Gerichtsbarkeit zur Rechenschaft gezogen werden. Menschen aus Krisengebieten als Spielball einzusetzen und sie in organisierter Form an die Außengrenzen bringen, um auf andere Staaten Druck auszuüben, muss strafbar sein. Dafür müssen die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden.
Freundliche Grüße,
Lars Castellucci