Wann wird endlich großflächig in die Erforschung von ME/CFS investiert? Wie gedenken sie konstruktiv auf den Antrag der CDU/CSU am 19.01.23 zu reagieren?
Sehr geehrte Frau Kaddor,
ich bin seit Ende 2019 an ME/CFS erkrankt. Obwohl die Erkrankung seit den 60er Jahren bekannt ist, gibt es keine Versorgung. Auf Grund mangelhafter Bildung der Ärzteschaft und nachweislich schädlichen Therapieempfehlungen bin ich mit Anfang 30 behindert und ein Pflegefall. Ich musste mein Ingenieurstudium abbrechen und kann die Wohnung nicht mehr verlassen. So wie mir geht es ca. 250.000 anderen Erkrankten in Deutschland, Long Covid Fälle nicht mitgezählt. Es gibt kein einziges zugelassenes Medikament, das hilft. Gleichzeitig werden die Erkrankten von Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung drangsaliert und nicht ernst genommen obwohl die wissenschaftliche Evidenz eindeutig ist. Die im Koalitionsvertrag beschriebenen Pläne für ME/CFS sind nicht ausreichend um das Leid der Menschen zu beenden oder gar Heilung zu ermöglichen. Ich bitte sie helfen sie uns.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und die Offenheit, über Ihre Erkrankung zu berichten. Die mangelnde Forschung und Versorgung von Long-Covid/ME-CFS-Patient*innen ist ein großes Problem ist, das bei Bündnis 90/Die Grünen und auch innerhalb der Ampelkoalitionspartner*innen auch als solches erkannt wurde. Als eines von ganz wenigen Krankheitsbildern hat es daher auch explizit Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden.
Um die Forschung zu intensivieren, sind Haushaltsmittel in Höhe von 16,5 Millionen Euro für dieses und nächstes Jahr vorgesehen. So wird mit der Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen einer klinischen Studie an der Charité Universitätsmedizin Berlin aktuell die Wirksamkeit von drei Gruppen von bereits bekannten Medikamenten für die Behandlung von Patient*innen mit Long-Covid und Chronischem Fatigue Syndrom erforscht. Dies ist sehr wichtig, um potenzielle Behandlungsmöglichkeiten auf verschiedene Wirkstoffe auszuweiten.
Das Medikament BC007 zur Behandlung von Autoimmunphänomen wurde in allerersten Heilversuchen an einigen wenigen Long-Covid-Patient*innen erfolgreich getestet. Es muss in der Anwendung aber noch besser erforscht werden. Hier gibt es bereits eine geplante Studie in Erlangen, die – sobald sie durchgeführt ist – hoffentlich ausreichend Daten zur Wirksamkeit des Medikaments bei Long-Covid-Patient*innen bringt, um die Zulassung zu beantragen.
Wir Grüne wollen gemeinsam mit den Ampel-Partner*innen auch die Versorgungssituation durch Spezialambulanzen verbessern. Damit mehr Menschen wie Sie, schneller eine Diagnose bekommen aufgrund derer sie adäquat behandelt werden können. Dazu wurde nun der Gemeinsame Bundesausschuss, der die inhaltlichen Vorgaben der gesundheitlichen Versorgung macht, per Gesetz beauftragt. Er soll bis Ende 2023 eine Richtlinie erarbeiten für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid und ähnliche Krankheitsbildern wie etwa ME/CFS. Gleichzeitig wird dadurch festgelegt, wie den Versicherten ein zeitnaher Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot gesichert werden kann.
Zwischenzeitlich wird ein Informations- und Beratungsangebot geschaffen. An die Webseite longcovid-info.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung können sich Betroffene wenden und auch telefonisch Hilfestellung und Orientierung bei Fragen rund um die Themen Arztsuche, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten erhalten. Dies ist eine zeitlich begrenzte Initiative der Bundesregierung, um die derzeit offensichtlich bestehenden Lücken im Gesundheitssystem zu schließen, soweit dies der Politik möglich ist. Insgesamt muss die Informationsqualität innerhalb der Ärzt*innenschaft verbessert werden – das ist uns sehr bewusst. Hier sind die Kassenärztlichen Vereinigungen gefragt.
Mit besten Grüßen
Team Kaddor