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Lale Akgün
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Frage von Frank S. •

Frage an Lale Akgün von Frank S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Akgün!

Auf meine Frage bzgl. der Wiedereinführung der Todesstrafe bei Aufruhr und in kriegsähnlichen Zuständen habe ich bislang keine Antwort erhalten. Ich habe mittlerweile erfahren, die Todesstrafe könne aufgrund (inter)nationaler Verträge nicht wieder eingeführt werden.

Vergangene Woche entschied der EUGH die Aufhebung der Tarifbindung bei öffentlichen Ausschreibungen und hob damit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die diese Praxis ausdrücklich erlaubte, auf. Dies ist nur ein Beispiel für die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips in Europäischen Verträgen bzw. der Umsetzung Europäischer Politiken.

Bitte seien sie so freundlich und zählen sie - grob - die Poltikbereiche auf, in denen meine Stimme für Sie in naher Zukunft noch Gewicht für "nationale" Politik haben wird, nachdem die einschlägigen Artikel des EU-Verfassungs"Vertrages" ratifiziert wurden.

Vielen Dank

Frank Stirrmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Stirrmann,

danke für Ihre Frage. Da Sie bereits eine Antwort auf die von Ihnen gestellte Frage nach der Todesstrafe in kriegsähnlichen Zuständen gefunden haben, werde ich auf Ihre Frage nach den Politikbereichen in nationaler Verantwortung eigehen.

Was diese anbelangt, die auch nach einem in Kraft treten des Vertrags von Lissabon in nationaler Zuständigkeit verbleiben , so möchte ich darauf hinweisen, dass viele Bereiche der Politik bereits seit Langem vom Europarecht abgedeckt sind (Agrarpolitik, Zollunion und Binnenmarkt, Strukturpolitik, Handelspolitik, Wirtschafts- und Währungsunion, Bildung und Kultur, Forschung und Umwelt, Gesundheitswesen, Verbraucherschutz, Sozialpolitik).

Der Vertrag von Lissabon (der bisher noch nicht von allen Mitgliedsstaaten der EU ratifiziert wurde und somit keine rechtliche Bindung besitzt) soll in seinem Kern für eine übersichtlichere Strukturierung und Kompetenzverteilung innerhalb und zwischen den EU Institutionen sorgen.

Somit ist der Vertrag weniger zur Reform der Beziehung zwischen den Mitgliedsstaaten und der EU gedacht und es gilt weiterhin das Subsidiaritätsprinzip (festgelegt im Vertrag von Maastricht 1993): Die EU wird erst dann tätig, wenn die Ziele der EU nicht auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene Das Europäische Parlament als einziges direkt gewähltes und somit demokratischstes Organ der EU erhält mehr Gewicht in der Legislative, es ist nun in den meisten Bereichen auf einer Augenhöhe mit dem Ministerrat.

Des Weiteren spricht der Vertrag nationalen Parlamenten mehr Macht zu: Innerhalb von sechs Wochen nach dem die Kommission einen Gesetzesvorschlag darlegt, sollten die Parlamente begründen, warum dieses Gesetz ihrer Ansicht nach gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. Bei Kritik von einem Drittel der Parlamente müsste die Kommission ihren Vorschlag überprüfen.

Sie könnte den Einwand der Parlamente auch zurückweisen, müsste ihre Entscheidung aber in jedem Fall begründen. Die neue Regelung des Bürgerbegehrens trägt auch zu mehr Direktdemokratie bei: Einer europaweiten Unterschriftenaktion folgend (eine Million) hätte die Kommission die Pflicht gehabt, einen Gesetzesentwurf zu dem von den Bürgern benannten Thema vorzulegen. Wie Sie also sehen können, wird die Souveränität der Nationalstaaten keinesfalls geschwächt und Ihre Stimme wird weiterhin Gewicht für nationale Politik haben.

Wenn Sie sich näher zum Vertrag von Lissabon informieren möchten, empfehle ich Ihnen die Homepage der Kommission zu diesem Thema:

http://europa.eu/scadplus/constitution/index_de.htm
http://europa.eu/lisbon_treaty/full_text/index_de.htm

Mit freundlichen Grüßen,

Ihre

Dr. Lale Akgün