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Frage von Dieter B. •

Frage an Lale Akgün von Dieter B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

S.g. Frau Dr. Akgün,

danke f. Ihre Antwort v. 18.2., Sie gehen jedoch auf keine der von mir gestellten Fragen ein. Auch Ihre Web-Side gibt keine Antworten auf meine Fragen; daher bitte ich Sie, mir diese mit einem schlichten ja oder nein zu beantworten!

Sie verkennen auch, dass es sich bei den USA um ein "klassisches Einwandererland" handelt; letztendlich ist ja jeder US-Bürger ein "Migrant", mit Ausnahme der "Native Americans", der Indianer.

Deutschland hingegen kann auf eine mehr als 1000-jährige nationale Geschichte seit >Otto dem Großen< zurück blicken, mit einer eigenständigen christl./jüdisch abendl. Kultur und homogener Ethnie.

Die USA mit Deutschland als de-facto Einwanderungsland vergleichen zu wollen, verbietet sich daher von selbst!

Ihre Aussage: "dass Migranten als selbstverständlicher Teil der US Gesellschaft angesehen werden", hält auch einer Überprüfung nicht stand. Sind Sie davon überzeugt, dass z.B.
* hispanische, ungebildete Einwanderer u.
* ungebildete asiatische Einwanderer
als "selbstverständlicher Teil der US Gesellschaft angesehen werden"?

Ist Ihnen bekannt, dass man zu exklus. Universitäten, Klubs, Ges. Vereinigungen oder Polit-Zirkeln nur Zugang hat, wenn man ein WASP, ein white-anglo-saxion-protestant, ist?

Dass Einwanderern k e i n soziales Netz zur Verfügung steht und damit auch keine kostenlose Krankenversicherung, schon gar nicht für polygame Ehefrauen?

Dass die USA von Migranten eine "Bringschuld" erwarten, und zwar Loyalität zum Staat, der US-Gesellschaft sowie absolute Gesetzes- und Verfassungstreue?

Dass die USA keine "Doppel-Staatsbürgerschaft" kennen (man muss sich entscheiden), wie es von Teilen Ihrer Partei und den Grünen gefordert wird?

Glauben Sie wirklich, dass der Islam reformierbar und kompatibel mit unserer westlichen Demokratie gemacht werden kann (Ankara Schule). Ich verweise auf die gescheiterten Versuche der Mutaziliten (9/10Jhrd) und der Nahda-Bewegung. Sie alle sind an der islam. Orthodoxie gescheitert?!

mfg D. Bachem

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Bachem,

gerne antworte ich auch ein zweites Mal. Mit einem schlichten "Ja" oder "Nein" zu antworten, ist bei manchen Ihrer Fragen nicht möglich, weil das Thema zu komplex ist. Ich möchte es aber dort tun, wo ich es für vertretbar halte.

Ja. Erst einmal ist mir klar, dass die USA ein klassisches Einwandererland ist. Aber Deutschland ist ein de-facto-Einwandererland neueren Datums - spätestens seit den Einwandererwellen in den Sechziger Jahren. Ihnen dürfte bekannt sein, wie stark Migranten am Aufbau des deutschen Wirtschaftswunders beteiligt waren. Mittlerweile leben rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, das sind immerhin rund 20 Prozent der Einwohner. Deswegen ist es nicht nur vertretbar, sondern schlichtweg notwendig, anzuerkennen, dass Deutschland stark durch Einwanderung geprägt und daher ein Einwanderungsland ist.

Ja und Nein. Natürlich hat Deutschland eine 1000-jährige Geschichte und darüber hinaus. Aber Ihnen dürfte auch bekannt sein, dass unser Land ebenso eine "verspätete" Nation ist und erst seit 1871 als Nationalstaat existiert. Deutschland war nie eine Insel, sondern mitten im Herzen Europas mit starken Verbindungen insbesondere zu den Balkanländern des Osmanischen Reiches. Deutschland im Jahre 2008 eine "homogene Ethnie" zu unterstellen ist bemerkenswert falsch.

Mir geht es nicht darum, die USA zu glorifizieren, die auch eine unrühmliche Geschichte des Rassismus haben. Aber zumindest in den "melting pots" der Großstädte gehören "hispanische ungebildete Hispanics", wie Sie sagen, zur Gesellschaft dazu. Oder glauben Sie, irgendwer würde "Little Italy" oder "China Town" als Parallelgesellschaft abqualifizieren. Amerikaner zu werden ist für viele Einwanderer eine positive Perspektive - eben weil sie damit rechnen können, als "Landsmann" oder "Landsfrau" anerkannt zu werden.
Ja. Auch weiß ich, dass es dort wie hier elitäre Zirkel gibt, die sich ihre Mitglieder aussuchen. Die staatliche Verfassung spricht aber eine andere Sprache, und auf öffentlichen Schulen und Universitäten wird natürlich nicht ethnisch aussortiert. Das können Sie sich wohl auch nicht ernsthaft für Deutschland wünschen.
Im Übrigen erwarten wir in Deutschland auch eine "Bringschuld" von Zuwanderen, etwa dass sie alle Menschen an unsere Rechtsordnung halten. Nur gehört zu jeder "Bringschuld" auch das Äquivalent: Wer Deutscher sein möchte, hat Pflichten und Rechte! Für Verstöße gibt es die Sanktionsmöglichkeiten des Strafrechts.

Offenbar haben Sie meinen Artikel zur Reformierbarkeit des Islam gelesen - daher muss ich meine Argumente nicht wiederholen. Beispiele aus dem 9. oder 10. Jahrhundert sind für das Hier und Jetzt unbedeutend und selektiv ausgewählt. Aus heutiger Perspektive waren das Christen- und Judentum meilenweit davon entfernt, kompatibel mit einem demokratischen und säkularen Rechtsstaat zu sein. Was soll das für das Hier und Jetzt aussagen?

Ich möchte Sie nochmals darauf hinweisen, dass Sie weitere Antworten in meinen Artikeln auf www.laleakguen.de finden.

Mit freundlichen Grüßen,
Lale Akgün