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Frage von Dieter B. •

Frage an Lale Akgün von Dieter B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

S. g. Frau Dr. Akgün,

in der gestrigen Phönix-Runde stellten Sie die interessante These auf, dass sich die türkischen Migranten vom Staat und der Gesellschaft "nicht angenommen" fühlen und hoben gleichzeitig die USA als ideales Einwandererland hervor, weil man dort das sog. "Wir-Gefühl" vermittle.

Ist Ihnen bekannt, dass Sie, um eine Daueraufenthaltserlaubnis für die USA zu bekommen,

* ein Vermögensnachweis erforderlich ist, der erkennbar nachweist, dass Sie dem US- Staat nicht zur Last fallen?

* zur Erlangung der begehrten "Green Card" ein Befähigungsnachweis erforderlich ist (wobei man vorzugsweise nur Leute mit sog. "Mangelberufen" ins Land lässt?

* dass man die US-Bürgerschaft nicht zum "Nulltarif" bekommt, sondern vorher einen Eignungstest (u.a. Sprache und amerikanische Geschichte) absolvieren muss?

* Dass man außerdem auf die amerikanische Verfassung eingeschworen wird?

* Dass Migranten auf sich allein gestellt sind u. keinerlei Anspruch auf staatl. Transferleistungen, wie Hartz IV, haben, schon garnicht für polygame Ehefrauen?

* Dass es keinerlei sog. "Integrationshilfen" (wie z.B. staatlich geförderte Sprachkurs etc.) gibt?

* Das es keinen "Integrationsbeauftragten" in der US-Regierung gibt, sondern man davon aus geht, dass sich jeder Einwanderer selbst integriert und assimiliert?

" Dass es keinen "Integrationsgipfel" o. ähnliche Einrichtung in den USA gibt?

* Dass die US-Regierung v. Einwanderern absolute Verfassungs- u. Gesetzestreue verlangt, u. selbst geringste Verstöße automatisch mit Ausweisung geahndet werden?

Dass religiös begr. Ausnahmeregelungen (Sharia) in den USA unbekannt sind?

Glauben Sie, dass der türkische MinPräs. Erdogan (als Gast der US-Regierung) auf einer quasi Wahlveranstaltung der AKP, z.B. in Chicago, sich wie folgt äußern könnte: "Assimilierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!"?

Dass in den USA Giganto-Moscheen mit Symbolcharakter (Siegesmoscheen), seitens der US-Regierung finanziell gefördert werden?

mfg
D. Bachem

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bachem,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen natürlich beantworten möchte.

In der von Ihnen genannten Sendung auf Phoenix, aber nicht nur dort, habe ich tatsächlich einen Punkt hervorgehoben, den ich in den USA als fortschrittlich empfinde: die Tatsache, dass Migranten selbstverständlicher als Teil der amerikanischen Gesellschaft angesehen werden. Das ist das Ergebnis einer Geschichte, in deren Verlauf sich die Amerikaner aus gutem Grund als Einwanderungsland begriffen haben und dies noch immer tun. Mir ist klar, dass dieser "melting pot" vor allem in den urbanen Zentren der Küstenstreifen verwirklicht ist und die Lage in Texas anders aussieht. Mir ging es lediglich darum, eine Situation mit dem Beispiel der USA zu versinnbildlichen, die ich mir auch für Deutschland wünsche.

Jahrzehntelang haben wir hierzulande ignoriert, dass wir ein Einwanderungsland sind. Hierin liegt vor allem begründet, dass Einwanderer und Mehrheitsgesellschaft vielerorts noch nicht hinreichend zusammen gewachsen sind. Hier tut sich zwar derzeit einiges, weil selbst die Unionsparteien mittlerweile anerkennen, dass wir de facto ein Einwanderungsland sind. Hieraus müssen wir dann Schlüsse ziehen: Einbürgerungen erleichtern beispielweise. Die Staatsbürgerschaft soll es nicht "zum Nulltarif" geben, wie Sie sich ausdrücken, aber sie soll erreichbar sein für jene, die sie haben möchten. Und warum führen wir kein Punktesystem ein, die Zuwanderung nach bestimmten Kriterien regelt? Dieser Vorschlag von der Süßmuth-Kommission wurde beim neuen Zuwanderungsgesetz leider nicht berücksichtigt.

Sie sagen selbst, dass in Amerika Zuwanderer auf die Verfassung eingeschworen werden. Das kann man machen: Es funktioniert aber nur, wenn die Zuwanderer danach auch als Amerikaner voll und ganz anerkannt sind - sonst wäre dieser Schwur ein Schauspiel ohne Happy End.

Ich kann mich jetzt nicht zu jedem Punkt Ihrer Frage äußern. Dazu bitte ich Sie, meine Beiträge zu diesem Thema auf www.laleakguen.de nachzulesen. Ich hoffe Ihnen nur verdeutlicht zu haben, dass die Anerkennung der Zuwanderer als Teil unserer Gesellschaft unabdingbare Voraussetzung ist, damit alle anderen Integrationsmaßnahmen gelingen können.

Mit freundlichen Grüßen,

Lale Akgün