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Frage von Holger E. •

Frage an Lale Akgün von Holger E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Akgün,

in Ihrem TAZ-Artikel „Von Ankara lernen“ unter
http://www.taz.de/index.php?id=digitaz-artikel&no_cache=1&ressort=me&dig=2007/10/15/a0105&src=GI&cHash=053be90ffa
schreiben Sie:

„Dazu gehört auch die Akzeptanz unserer säkularen Verfassung, wonach Politik und Religion getrennt sind und der Rechtsstaat das Machtmonopol hat. Innerhalb dieser staatlichen Grenzen und seines Schutzes dürfen die Religionen ihr friedenssicherndes und integratives Potenzial voll ausschöpfen.“

1. Fragenkomplex: Worin genau sehen Sie ein friedenssicherndes und integratives Potenzial speziell des Islams innerhalb des säkularen Staates? Und könnten Sie konkrete Koraninhalte benennen, die dieses Potenzial haben?

Wie gehen Sie andererseits mit Koraninhalten um, die eher desintegrativ klingen, z.B. mit dem Vers, in dem Muslime ermahnt werden, sich keine Christen und Juden zu Freunden zu nehmen oder mit Passagen, die Frauen diskriminieren (der männlichen Züchtigungsgewalt bei „Ungehorsam“ unterworfen; Zeugenaussage nur halb gewichtet und auch nur halbes Erbrecht im Vergleich zum Mann) – von den zahllosen Gewaltaufrufen gegen Andersgläubige im ganz zu schweigen?

Sind diese Verse Ihrer Meinung nach überholt - oder stellt die muslimische Unterwerfung unter demokratische Gegebenheiten nur ein Provisorium dar, bis der muslimische Bevölkerungsanteil stark genug ist, um von Nichtmuslimen ein Leben nur nach den Regeln der eigenen Religion einzufordern und auch umzusetzen?

2. Frage: Nehmen wir an, es erfüllen sich Prognosen wie z.B. unter
http://www.buergerbewegungen.de/beventw.html , denen zufolge Muslime um die Jahrhundertmitte ca. 50% der Bevölkerung stellen werden.

Wieviel Prozent Ihrer GlaubensgenossINNen, wären nach Ihrer Einschätzung zu diesem Zeitpunkt bereit, die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegenüber Forderungen nach Einführung der Scharia (die bereits jetzt einige erheben - auch in Deutschland) zu verteidigen?

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Holger Erkelentz

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Erkelentz,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Das friedenssichernde und integrative Potenzial von Religionen liegt meiner Meinung nach in der sinnstiftenden Wirkung, die sie entfalten können. Menschen sind in unserer Gesellschaft auf der Suche nach Orientierung und Halt und genau hier können Religionen Antworten auf essentielle Fragen des Lebens wie Geburt, Tod, Leid und Krankheit geben.
Diese Orientierung kann natürlich nur im Rahmen der Werte und Normen unseres Grundgesetzes erfolgen. Daher können für mich Koranverse, die z.B. dem Grundsatz der Gleichberechtigung oder der Antidiskriminierung entsprechen, keine Wirkung entfalten. Gleiches gilt aber auch für entsprechende Textstellen aus dem Alten Testament. Dieses Aussagen sind in ihrem historischen Kontext zu betrachten - genau dies erläutere ich in dem Artikel, auf den Sie Bezug nehmen. Damit möchte ich zu Ihrer zweiten Frage übergehen. Ich denke, dass heute genauso wie in 50 Jahren der allergrößte Teil der Muslime bereit ist und sein wird, das Grundgesetz zu akzeptieren.
Die schweigende Mehrheit der Muslime, die ich auch als "Otto-Normal-Muslime" bezeichne hält sich ganz selbstverständlich an das Grundgesetz. Wie Sie im Bundesverfassungsschutzbericht nachlesen können, ist nur ein sehr kleiner Teil der Muslime in Deutschland dem Kreis der Islamisten, die unsere Werteordnung ablehnen zuzurechnen. Prozentual ist der Anteil der Muslime, die dem Islamismus als politischer Ideologie zuneigen ähnlich groß wie der der Anhänger des Rechtsextremismus.

Mit freundlichen Grüßen,

Lale Akgün