Portrait von Lale Akgün
Lale Akgün
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Lale Akgün zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Bernd P. •

Frage an Lale Akgün von Bernd P. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Akgün,

voller Erstaunen musste ich jüngst lesen( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,505432,00.html ), dass Sie die Aufforderung an Muslime in Deutschland, Islamisten, so sie solche erkennen würden, anzuzeigen, als "Das ist kein Aufruf zur Zivilcourage, sondern zu Denunziantentum" bezeichneten.

Ich war verwundert, weil ich bisher immer den Eindruck hatte, Islamisten sind eine Art unerwünschte Seitenlinie des Islam, die sich mit Bomben legen, Anschlagsvorbereitungen und anderen Gewalttaten beschäftigen und so die Muslime in Deutschland, die hier nur friedlich ihren Koran ausleben wollen, in Verruf bringen? Und deshalb jeder vernünftige, friedliebende Muslim daran interessiert ist, Terroranschläge und Gewalttaten, die den Islam in Verruf bringen, zu unterbinden.
Jetzt las ich, Sie bezeichnen Aufrufe, Islamisten zu melden, als Denunziantentum. Wie soll ich das verstehen?

Möchten Sie nicht in Sicherheit leben? Möchten Sie nicht, dass die Ermordung unschuldiger Menschen verhindert wird? Denken Sie, Muslime würden Muslime, die als Islamisten bezeichnet werden, schützen und Anschlagsvorbereitungen nicht zur Anzeige bringen, weil sie keine Denunzianten sein möchten? Wiegt das gute Gefühl, nicht denunziert zu haben, Menschenleben auf?

Die verhinderten Kölner Regionalbahnbomber und die verhinderten Konvertiten, die US-Soldaten und deutsche Bürger umbringen wollten, werden als Islamisten bezeichnet. Sind Islamisten eine schützenswerte Personengruppe für Sie, die es mit ihren gescheiterten Anschlagsversuchen nicht so gemeint haben?

Wären Angehörige der RAF, die es noch nicht bis zur Ermordung oder Entführung gebracht haben aber sich mit Gedanken tragen, Repräsentanten des Staates, eventuell auch Sie, zu töten, ebenfalls schützenswert im Sinne, sie bei Erkennen nicht zu denunzieren?

Oder was treibt Sie um, dass Sie so etwas äussern: "Das ist kein Aufruf zur Zivilcourage, sondern zu Denunziantentum".

Mit freundlichen Grüssen
Bernd Palme

Portrait von Lale Akgün
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Palme,

meine Meinung deckt sich vollkommen mit der unserer Bundesjustizministerin, Frau Zypries. Ich weise darauf hin, dass es bereits Bürgerpflicht und geltendes Recht ist, bei Bekanntwerden einer schweren Straftat, ihrer Vorbereitung oder Unterstützung, die Polizei zu informieren.

Zu diesen schweren Straftaten gehört unzweifelhaft die Planung, Vorbereitung und Unterstützung eines Terroranschlags. Wenn jemand davon Kenntnis bekommt, ist es natürlich die Pflicht (und das Eigeninteresse) der muslimischen wie aller Bürgerinnen und Bürger, die Strafverfolgungsbehörden zu informieren, um das Leben Menschen zu schützen.

In dieser Frage dürfte es eigentlich keinen Dissens geben. Wenn Herr Bouffier aber dazu auffordert, „Islamisten“ zu melden, ohne zu definieren, was er damit meint, ist das in der Tat eine Generalaufforderung zum denunzieren. Er spricht ja offensichtlich nicht von den Gewalttätern, für die es ja (s.o.) klare Gesetze gibt. Der Islamismus ist eine Ideologie, die, ebenso wie Kommunismus, Neofaschismus etc. ein totalitäres System anstrebt, das sicher nicht mit unserer demokratischen Verfassung zu vereinbaren ist. Eine Straftat ergibt sich aber erst dann, wenn jemand aktiv gegen unseren Rechtsstaat handelt, und in diesem Bereich leistet unser Verfassungsschutz meiner Kenntnis nach hervorragende Arbeit.

Die Gedanken an sich sind aber nicht strafbar, und das ist auch gut so. Und wir sollten erst recht nicht zulassen, dass Menschen in Polizeiakten vermerkt werden, weil sie von anderen unter Verdacht gestellt werden, Extremisten zu sein. Wenn wir so handeln würden, würden wir den demokratischen Rechtsstaat, den wir gegen Extremisten verteidigen müssen, selbst zu Grabe tragen.

Zivilcourage zu beweisen heißt für mich nicht, andere unter Verdacht zu stellen, sondern offensiv für unsere freiheitliche – demokratische Grundordnung einzutreten und zu werben, auch und gerade gegenüber denjenigen, die unserer Werteordnung ablehnend gegenüberstehen, ohne gewaltbereit zu sein. Ein solch offensives Eintreten für unseren Rechtsstaat verlangt jedoch der Glaubwürdigkeit willen, dass wir allen Bürgerinnen und Bürgern die uneingeschränkte Teilhabe an diesem Rechtsstaat zugestehen und sie als Bürger dieses Staates anerkennen. Dazu gehört auch, dass wir aufhören, Menschen unter Generalverdacht zu stellen, weil sie einer bestimmten Religion angehören.