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Frage von Ute H. •

Frage an Lale Akgün von Ute H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Akgün,

wie Sie wissen, wird jetzt das Rentenalter auf 67 Jahre angehoben – nicht aber für Beamte. Damit werden die Menschen, denen die Politik ohnehin schon das totgeborene Kind „Generationenprinzip der Rentenversicherung“ untergeschoben hat, erneut bestraft, nämlich mit einer versteckten Rentenkürzung. Wird ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig berufsunfähig, ohne sich zum Beispiel durch eine private Berufsunfähigkeitsversicherung rechtzeitig wie hochgradig abgesichert zu haben, droht nicht selten ein bodenloser Sturz in die Armut und in die Sozialsysteme, obwohl früher fleißig in die Kassen eingezahlt wurde. Beamte hingegen behalten nach wie vor auch bei vorzeitiger Pensionierung - aus welchem Grund auch immer - den vollen Pensionsanspruch.

Stichwort „Gesundheitswesen“: Während sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Krankheitsfall bei ihrer Krankenkasse um Leistungen betteln oder immer tiefer in die Taschen greifen müssen, erhalten Beamte über die Beihilfe eine „Versorgung à la Privatversicherter“. Zuzahlung oder Zusatzversicherung? Nicht nötig, dafür halten Steuermittel her, und notfalls wird eben einfach neu verschuldet.
Viele weitere Beispiele, in denen Beamte deutlich besser gestellt sind, könnten hier noch angeführt werden.

In Zeiten knapper Kassen, so der bekannte Slogan, ist Solidarität von allen gefordert. Nach meinem Verständnis betrifft das auch die Beamten, deren Lobby in den Parlamenten ein erdrückendes Übergewicht hat, was der allgemeinen Politikverdrossenheit gewiss auch mit Vorschub leistet. Steuergelder müssen denen zugute kommen, die sie eingezahlt haben, und nicht insbesondere denen, die sie u.a. verwalten. Es sollten also endlich auch die Beamten in Sachen „private Vorsorge“ mit in die Pflicht genommen werden, um Löcher im Gesundheits- und vor allem im Rentensystem zumindest teilweise stopfen zu können!

Was halten Sie von dem hier beschriebenen Solidaritätsprinzip?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Heine,

sie sprechen die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre an. Diese soll nach dem Beschluss des Bundestages von vergangener Woche ja nicht sofort und in einem Schritt erfolgen, sondern ab 2012 stufenweise bis zum Jahr 2028 in Kraft treten.

Inwieweit dieser Schritt wirklich realistisch und sinnvoll ist, hängt von vielen Faktoren des Arbeitsmarktes ab, weshalb wir auf drängen der SPD-Fraktion auch eine Klausel in das Gesetz hineingebracht haben, nach der das Gesetz ab 2010 jährlich auf seine Machbarkeit überprüft werden muss. Insbesondere wir zwei Dinge erreichen:

- dass überhaupt Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer verstärkt zur Verfügung gestellt werden
- dass die Arbeitsbedingungen in den Betrieben so gestaltet werden, dass Arbeitnehmer die Renteneintrittsgrenze auch erreichen können.

Hierzu ist noch ein erheblicher Umdenkprozess in den Unternehmen notwendig. Ihrem Begriff von Solidarität stimme ich vollkommen zu.

Wie sie wissen, ist es Ziel der SPD Politik, alle Bürgerinnen und Bürger mit allen Einkommensarten an der Finanzierung der solidarischen Sozialversicherung zu beteiligen. Das gilt insbesondere für die Einführung des "Bürgerversicherungs-Prinzips" im von Ihnen angesprochenen Gesundheitswesen.

Ich hätte mir gewünscht, in der jüngsten Gesundheitsreform diesem Ziel einen erheblichen Schritt näher gekommen zu sein, was aber leider aufgrund der völlig gegensätzlichen Ansichten der CDU/CSU und der Notwendigkeit zu Kompromissen in der Koalition nicht gelingen konnte. Es wäre nun jedoch unredlich, die Beamten pauschal zu kritisieren. Auch für diese Personengruppe gab es in den vergangenen Jahren schmerzhafte Einschnitte, z.B. bei Pensionszahlungen, steuerfreibeträgen und Arbeitszeit.

Ich halte es nicht für zielführend, wenn sich verschiedene Gruppen (Beamte, Arbeiter, Angestellte) gegenseitig ihre vermeintlichen Privilegien in Teilbereichen des Systems neiden. Ich bitte Sie stattdessen darum, uns bei dem politischen Ziel zu unterstützen, eine solidarische Finanzierung der Sozialsysteme zu schaffen, an der sich alle beteiligen und an der alle gleichermaßen profitieren, Angestellte, Beamte, aber auch Abgeordnete und Selbstständige.

Dr. Lale Akgün