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Frage von Peter R. •

Frage an Kurt Rieder von Peter R. bezüglich Soziale Sicherung

Sie befürworten eine Erhöhung der Renten zur Vermeidung von Altersarmut, mithilfe eines Grundeinkommens. Aufgrund des demographischen Wandels wird sich jedoch in Zukunft das Zahlenverhältnis von Arbeitnehmern und Rentenempfängern verschlechtern. Wie soll unter diesen Umständen das Grundeinkommen finanziert werden?

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Antwort von
ÖDP

Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Die Finanzierung eines Grundeinkommens dürfte, analog zu Rentenzahlungen,
in Zukunft voraussichtlich immer weniger abhängig sein von
Beitragszahlungen zur gesetzlichen Sozialversicherung. Die
Finanzierungsgrundlage für beide Systeme wird aus meiner Sicht absehbar
nicht mehr (allein) über abhängig Beschäftigte und Arbeitgeber zu leisten
sein. Der so oft beschworene "Generationenvertrag" existiert bis heute auf
keinem Blatt Papier und in keinem gefassten Beschluss. Er ist ein reines
Synonym für die Verantwortung von Generationen füreinander.
Vielmehr werden für beide Systeme andere Finanzierungsquellen wie
Kapitalertrags-, Transaktions-, Vermögens- und Erbschaftssteuern, aber auch
in weitaus stärkerem Maße Steuern in Form des "ökologischen Fußabdrucks"
für Produktionen, Ressourcenverbrauch, Versiegelungen, Transport und
Energie etc. eine Rolle spielen. Auch werden Digitalisierung,
Automatisierung und Technologisierung in naher Zukunft es ermöglichen, dass
Gewinne nicht mehr vorranig durch den Einsatz von Humanarbeitskraft
erwirtschaftet werden.

Dies wiederum erfordert m.E. eine radikale Änderung im Bereich der
Staatsfinanzierung.

Das Grundeinkommen wird dazu beitragen, Menschen, deren Arbeitskraft nicht
mehr oder nicht mehr im vollen Umfang oder nur von Zeit zu Zeit abgerufen
werden muss, nicht über ein Existenzminimum per Antragstellung mit
angeschlossenem "Durchleuchtungsverfahren", "Bedürftigkeitsprüfung" und
"staatlicher Reglementierung" abzusichern sind, so wie es heute die über
220 verschiedenen sozialen, völlig intransparenten Sicherungs- und
Subventionssysteme abbilden. Vielmehr gilt durch das Grundeinkommen ein
einfacher, individueller Rechtsanspruch für jeden Staatsbürger, der -
unabhängig von seiner persönlichen Lebens- und Wohnsituation- ohne
Antrags-, Prüf- und Bewilligungsverfahren dauerhaft gewährt wird.

Aber nicht nur im Bereich der Finanzierung des Staates und der sozialen
Sicherung muss ein radikales Umdenken erfolgen, sondern auch im
grunsätzlichen gesellschaftlichen Denken und Handeln.

Die Folgen des "Weiter so" im jetzigen System wären verheerend, denn:
dann müsste zwangsläufig das globale Wachstum der Menschheit in weiter
steigendem Tempo voranschreiten,
immer mehr junge Menschen geboren oder eine "Begrenzung der menschlichen
Lebensdauer" beschlossen werden,
die Erde in immer weiter wachsendem Tempo ausgeplündert werden
und dann auch noch ein zunehmend unbewohnbar werdender Planet mitsamt den
katastrophalen Folgen auf Klima, Luft, Boden, Wasser etc. so kostenintensiv
"bewohnbar gehalten werden", dass ich mir nicht vorstellen kann, wie dies
wiederum finanziert und gestaltet werden sollte. "Letztlich beißt sich also
dieses jetzige System mitsamt seinen Folgen vorhersehbar irgendwann selbst
in den Schwanz".

Die Lösung kann nur sein: Genügsamkeit und Verzicht, vor allem in den
bisher konsumierenden Wohlstandsnationen. Schritte zurück in der Wirtschaft
und ein gezügeltes Konsumverhalten, wesentlich verstärkter, nachhaltiger
Umwelt- und Klimaschutz zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen. Alles
andere ist "Vorspiegelung falscher Tatsachen".

Dass dies gerade in Wahlzeiten "hartes Brot" für Politiker und politische
Parteien darstellt, die (wieder)gewählt werden wollen und die sich deshalb
veranlasst sehen, "Traum- und Luftschlösser" zu bauen und ein "immer noch
besseres Leben" zu versprechen mit einer unbeirrbaren
"Weiter-so-Mentalität", dessen bin ich mir bewusst.

Aber vielleicht gelingt es uns, über Subsistenz und vor allem Suffizienz
(z.B. mehr Zeit für Menschen, Dinge und Hobbies zu haben, die wir haben,
uns damit also intensiver und mit mehr Freude und Gelassenheit damit zu
beschäftigen), einen neuen -vielleicht den wahren Sinn im Leben ein wenig
näher zu kommen und nicht nur Arbeit, Konsum und "Worklife-Balance in der
Mittagspause" in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen, um am Ende
festzustellen, dass wir gar nicht wirklich selbstbestimmt gelebt haben.

Mahadma Gandhi hat es so ausgedrückt: "Die Erde hat genug für jedermanns
Bedürfnisse - aber nicht für jedermanns Gier."

Herzliche Grüße

Kurt Rieder