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Kurt Bodewig
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Frage von Alexander D. •

Frage an Kurt Bodewig von Alexander D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bodewig,

ich würde gerne Ihre Meinung zur geplanten Vorratsdatenspeicherung hören. Ausserdem möchte ich bereits jetzt an Sie appelieren, dass Gesetz bei der Abstimmung abzulehnen.

Für mich ist es absolut unverständlich, wie die privatesten Daten von 82 Millionen Deutschen auf Vorrat, bzw Verdacht gespeichert werden. Dadurch, dass diese auch an 52 andere Staaten weitergereicht werden sollen, ist die geplante Begrenzung auf 6 Monate doch nur Augenwischerei, oder?

Als normaler Bürger der BRD bekomme ich leider kein abhörsicheres Telefon von der Bundesregierung. Es macht mir Angst, wenn der Staat weiss, mit wem ich wann Kontakt hatte und wo ich mich dabei befunden habe.

Da dieses Gesetz aus Brüssel kommt, interessiert mich auch, ob es in Deutschland überhaupt umgesetzt werden kann - verstößt es doch klar gegen geltendes Recht? Da Sie ja auch stark mit den europäischen Institutionen und Arbeitskreisen befasst sind, hoffe Ich dass Sie mir hier eine Antwort geben können.

Ich würde mich sehr freuen, Ihre Meinung zu diesem Thema zu hören. Ausserdem appeliere ich nochmals als Neusser Bürger - und SPD-Mitglied - an Sie, diesen brandgefährlichen Gesetzentwurf abzulehnen - und wenn Möglich, auch andere Parlamentarier davon zu überzeugen.

Herzlichen Dank schon im Vorraus und beste Grüße aus Neuss

A.Dommes

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dommes,

leider ist es mir erst jetzt möglich, auf Ihre Frage zum „Gesetz zur Novelle der Telekommunikationsüberwachung und zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung“ zu antworten.

Bevor ich Ihnen erkläre, warum ich mich trotz einiger vorhandener politischer Problemstellungen schließlich dazu entschieden habe, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, möchte ich Ihnen kurz Einiges zum Gesetzentwurf selbst erläutern.

Das Gesetz setzt die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht um. Es novelliert die geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung zur Telekommunikationsüberwachung und anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen und verleiht ihnen durch eine rechtsstaatliche Eingrenzung einen Charakter, der die Grund- und Bürgerrechte der Menschen mehr schützt. Denn für die Anordnung dieser Maßnahmen gelten ausgesprochen strenge Vorraussetzungen und sehr hohe Hürden.

Im Bewusstsein der Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung haben die Mitglieder der SPD-Bundestagfraktion ihre Verpflichtung für Bürgerrechte ernst genommen und dafür Sorge getragen, dass die EU-Vorgaben so grundrechtsschonend wie möglich gestaltet wurden. Gegen den Widerstand vieler anderer Mitgliedsstaaten ist es Deutschland dann auch gelungen, dass die Mindestspeicherdauer auf sechs Monate – statt der ursprünglich auf EU-Ebene diskutierten 36 Monate – beschränkt wurde. Dies ist ein vom Deutschen Bundestag wirksam unterstützter Verhandlungserfolg der Bundesregierung auf EU-Ebene.

Die künftig zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen üblicherweise schon heute zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzu kommt nur, dass bei Mobilfunktelefonaten auch der Standort (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen nicht gespeichert werden.

Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das Telekommunikationsunternehmen lediglich, welchem Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung, nicht dagegen, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.

Die Daten werden – wie bisher – nur bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Wie bisher können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.

Meine persönliche Entscheidungsfindung basiert auf der Überlegung, dass die insbesondere durch den internationalen Terrorismus und dessen Folgeerscheinungen entstandene labile Sicherheitslage auch in Deutschland neue Antworten braucht. Insbesondere durch die rasante Entwicklung der Telekommunikation sind auch in diesem Bereich Maßnahmen zur Verhinderung schwerster Straftaten notwendig.
Andererseits finde ich es wichtig, zu beachten, dass Freiheitsrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung konstitutiven Charakter für die Existenz unseres Gemeinwesens haben. Es ist schwierig, dass in der hier zur Diskussion stehenden Frage Freiheit und Sicherheit gegeneinander aufgewogen werden müssen, zumal niemand eine absolute Sicherheit gegen jede Form der Gefährdung durch kriminelles Handeln geben kann.

Selbstverständlich ist es ein gravierender Unterschied, die Telekommunikationsunternehmen nun zu etwas zu verpflichten, das ihnen zuvor lediglich gestattet war. Es ist meiner Ansicht nach nicht von der Hand zu weisen, dass mit der Speicherung der im Gesetz aufgeführten Daten zum Zwecke der Strafverfolgung ein Generalverdacht gegen alle Bürgerinnen und Bürger entsteht, die solche Kommunikationsmittel benutzen.

Der Grund, warum ich trotz dieser Überlegungen dem Gesetzentwurf zugestimmt habe, ist, dass es den Rechtspolitikern der SPD-Bundestagsfraktion gelungen ist, hohe Hürden für die Umsetzung dieser problematischen Restriktionen darin zu implementieren. Die generell erforderliche Anordnung der Maßnahmen durch einen Richter, das ausdrückliche Verbot des Rückgriffs auf Informationen, die zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehören, die Beschränkung des Zugriffs und der Verwertung der Daten auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ machen die anstehenden Veränderungen meiner Ansicht nach akzeptabler und meine Zustimmung vertretbar. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären würde.

Mit freundlichen Grüßen

Kurt Bodewig