Frage an Krista Sager von Ingrid K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Sager!
In Anbetracht des neuen sog. „ÖPP-Beschleunigungsgesetzes“, der vielerorts vorliegenden Weitergabe von Aufgaben der öffentlichen Hand in die Hände der Privatwirtschaft (Öffentlich Private Partnerschaft, ÖPP) und den in Hamburg anstehenden Bewegungen im Bereich der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung möchte ich an Sie folgende Fragen richten:
1. Inwieweit könnten Bürger neben den anderen an ÖPP Beteiligten – „die Politik, die Verwaltung, der private Investor, der private Betreiber“ – im Bereich der privaten Wasserversorgung „profitieren“, wie es in der Begründung zu o.g. Gesetz gefordert wird (Seite 1O des Gesetzentwurfs), wenn ihre Wasserversorgung in Form von ÖPP organisiert wird?
2. Blieben die Risiken der Verschlechterung der Wasserqualität und der Vernachlässigung der Ressourcenpflege nicht zwangsläufig doch beim Verbraucher als Betroffenem und könnte er diese Risiken beeinflussen wie in der o.g. Begründung zum Gesetz gefordert? Wenn ja, wie?
3. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die in o.g. Begründung geforderte „größtmögliche Transparenz“ bei Geschäftsabschlüssen nach ÖPP im Bereich der Wasserversorgung zu gewährleisten und wieweit könnte eine solche Transparenz gehen?
4. Halten Sie es für richtig, dass für die Anwendung von ÖPP in der Begründung für o.g. Gesetz auch die öffentliche Wasserversorgung vorgeschlagen wird und in gleiche Reihe gestellt wird wie Schulen..., Telekommunikation..., Energieversorgung..., ÖPNV..., Medienbereich, obwohl eine Wasserversorgung im Gegensatz zu den anderen genannten Bereichen ein natürliches Monopol darstellt, da es zu Wasser keine Alternative gibt?
Ich danke Ihnen im voraus für eine konkrete Antwort
Sehr geehrte Frau Kretzschmar,
Das Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlichen Privaten Partnerschaften wurde in erster Linie im Hinblick auf die Finanzierung von Verkehrs- und Hochbauten erarbeitet und beschlossen. Es ermöglicht auch die Anwendung für die Wasserver- und Abwasserentsorgung. Ein liberalisierter Wassermarkt ist jedoch nicht Ziel und Inhalt des Gesetzes. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen spricht sich vehement gegen einen solchen freien Markt der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung aus.
Wir machen und hingegen stark für eine Wasserpolitik auf europäischer Ebene, die dem Leitbild der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Ziel einer solchen zukunftsfähigen Wasserpolitik muss eine dauerhaft umwelt- und gesundheitsverträgliche, sozial gerechte und ökonomisch tragfähige Bewirtschaftung des Wassers sein. Ein liberalisierter Wassermarkt ist mit dem Leitbild einer nachhaltigen Wasserwirtschaft nicht vereinbar. Eine solche Politik gefährdet Gesundheits- und Naturschutz sowie das Selbstbestimmungsrecht der Kommunen. Wir beobachten besorgt folgende Entwicklung: Aufweichen der in kommunaler Selbstbestimmung gewählten Schutzmechanismen in der Wasserversorgung und zugleich Prüfung aller Instrumente zur Sicherung von Gemeinwohlverpflichtungen in den Mitgliedstaaten mit der Maßgabe, das Funktionieren des Binnenmarktes nicht zu beeinträchtigen.
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist der Überzeugung, dass sich auch in Zukunft die Gemeinwohlverpflichtungen vieler Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nicht ausschließlich über Marktmechanismen erbringen lassen. Der Markt kann weder einen universellen Zugang noch eine flächendeckende Grundversorgung sichern oder gar eine nachhaltige Bewirtschaftung und einen vorsorgenden Schutz der Wasserressourcen gewährleisten.
Wir sprechen uns daher für den Erhalt der kommunalen Verantwortung für die Daseinsvorsorge aus. Aufgrund der überragenden Bedeutung der Wasserversorgung für Gesundheits- und Umweltschutz muss die grundsätzliche Verantwortung und Kontrolle über die Wasserbewirtschaftung in den Händen der Kommunen bleiben. Nur mit starken kommunalen Akteuren ist eine am Leitbild der Nachhaltigkeit orientierte Wasserbewirtschaftung sicher zu stellen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sollen auch in Zukunft selbst darüber entscheiden, wie sie die öffentlichen Dienste erbringen lassen. Es ist daher auf europäischer Ebene sicher zu stellen, dass den Mitgliedsstaaten ausreichend Handlungsspielräume und Instrumente erhalten bleiben, um die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge selbst zu erbringen oder flächendeckend und kostengünstig erbringen zu lassen. Bündnis 90/Die Grünen wenden sich gegen eine enge Auslegung der Definition von Inhouse-Leistungen, wie sie der EuGH vorgenommen hat. Wir befürchten, dass mit dem Urteil erheblich in das kommunale Selbstverwaltungsrecht, wie die Gründung eines Zweckverbandes, weitere interkommunale Kooperationen bzw. in die Bildung von öffentlich-privaten Partnerschaften eingegriffen wird. Ein verpflichtender Ausschreibungswettbewerb stellt unserer Auffassung nach die Organisationshoheit und Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden infrage.
Mit freundlichen Grüßen
Krista Sager