Frage an Krista Sager von Donata S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Sager,
da sie als Gymnasiallehrerin und Mitglied im Ausschuss für Bildung und Forschung über die Schulpolitik in Hamburg informiert sind, möchte ich Ihnen diesbezüglich einige Fragen stellen.
Wie stehen Sie zu der Abschaffung von den Hauptschulen in Hamburg und der Einrichtung von Stadtteilschulen an dessen Stelle?
Würden Sie es begrüßen, alle Schulformen in Gesamtschulen zusammen zu fassen und somit auch Gymnasien abzuschaffen?
Inwieweit würden Sie einschätzen, verbessern sich die Chancen der Schulabgänger durch die reformierte Schulpolitik?
Mit freundlichem Gruß
D. Stadion
Sehr geehrter Frau Stadion,
internationale Bildungsvergleiche belegen, dass Bildungssysteme anderer Länder erfolgreicher abschneiden als das deutsche Schulsystem. In diesen Ländern erreichen die Schüler/innen ein durchschnittlich höheres Leistungsniveau und es besteht zugleich eine viel geringere Abhängigkeit zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg, als dies bei uns der Fall ist.
Das deutsche Schulsystem ist dagegen weder besonders leistungsstark noch sozial gerecht: Kinder aus sozial benachteiligten Schichten haben gegenüber Kindern aus Akademikerfamilien selbst bei gleichen Leistungen eine viel geringere Chance, das Gymnasium zu besuchen. 20 Prozent der 15-Jährigen erreichen hierzulande höchstens nur die unterste Kompetenzstufe im Lesen und Mathematik, also eine Kompetenzniveau, das die Hälfte der 10- bis 11-Jährigen bereits hinter sich gelassen hat. An den Hamburger Hauptschulen erreichten vor deren Abschaffung sogar nur 70 Prozent höchstens diese allerniedrigste Kompetenzstufe. Die deutschen Grundschulen, die die Kinder gemeinsam unterrichten und sich auf die Unterschiedlichkeit ihrer Schüler/innen eingestellt haben, erreichen hingegen recht gute Ergebnisse.
Vor allem in einem Punkt steht Deutschland international sehr isoliert da: beim frühen Aussortieren von Kindern im Alter von zehn Jahren auf unterschiedliche Schultypen. Ich setze mich vor dem Hintergrund all dieser Fakten bildungspolitisch für eine Weiterentwicklung ein hin zu einem Schulsystem, in dem Schüler/innen länger gemeinsam lernen und zugleich individuell gefördert werden. Entsprechend halte ich die Hamburger Schulreform mit der Einführung der Primarschule, der Abschaffung der Hauptschule sowie die Umstellung auf die Stadtteilschule (inkl. Abituroption) und Gymnasium für richtige Schritte auf den Weg zu mehr Chancengerechtigkeit und besseren Bildungsergebnissen.
Ganz zentral bei der Schulstrukturreform ist selbstverständlich, dass sie einhergehen muss mit verbesserter Unterrichtsqualität und einer entsprechenden Lehreraus- und Fortbildung. Die Hamburger Schulreform setzt auf eine Individualisierung des Unterrichts, der Schüler/innen in ihren Stärken bestärkt, sie dort besonders fördert, wo sie Schwächen haben, und heterogene Lerngruppen zum Ausgangspunkt der Pädagogik nimmt. Von einem solchen Unterricht profitieren alle Schüler/innen. Er schafft bessere Voraussetzunge dafür, dass sie ihr individuelles Leistungspotenzial bestmöglich entfalten können. Dies wiederum ist eine gute Ausgangsbasis, damit Schüler/innen den gestiegen Anforderungen in der modernen Wissensgesellschaft von heute besser gerecht werden.
Im Übrigen kennen auch erfolgreiche Schulsysteme in anderen Ländern den Schultypus des Gymnasiums. Dieser beginnt dort allerdings erst mit der Oberstufe. Das Prinzip der frühen Selektion ist eine deutsche Besonderheit. Dadurch wird überwiegend bereits in der fünften Klasse damit begonnen, über den künftigen Bildungsweg von Kindern im Alter von zehn Jahren zu entscheiden. Ich halte dies für viel zu früh, denn Kinder haben dadurch viel zu wenig Zeit, ihr Leistungspotenzial zu entfalten. Auch das Gymnasium muss sich also weiterentwickeln. Es muss sich den veränderten Anforderungen an guten Unterricht stellen und seine Unterrichtskonzepte modernisieren. Frontalunterricht und Unterrichtsformen, die darauf abstellen, jene Schüler/innen, die nicht mithalten, einfach auf niedrigere Schultypen abzuschieben, gehören der Vergangenheit an.
Mit freundlichen Grüßen
Krista Sager