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Kornelia Möller
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Frage von Christian H. •

Frage an Kornelia Möller von Christian H. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Fr. Möller

Ich möchte von Ihnen gerne erfahren, wie Sie zur dualen Berufsausbildung, der Evaluierung in Form von Modularisierung der Ausbildung und zur Umlagefinanzierung stehen?

Umlagefinanzierung: In Deutschland bilden lediglich ca. 22 % aller Betriebe aus. Man müsster hier aus meiner Sicht eine Umlagefinanzierung, ähnlich der Schwerbehindertenquote, leisten, wenn man ab einer bestimmten Betriebsgröße nicht ausbildet.Betriebe ab einer gewissen Größe sind der Gesellschaft verpflichtet, Aubildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Falls ein Betrieb auf einem Spezialgebiet tätig ist, wo nur sehr schwierig Ausbildungsinhalte vermittelt werden können, so könnten Ausbildunskooperationen mit anderen Betrieben die Lösung sein. Auch eine teilweise schulische Ausbildung über die Bundesrepublik wäre denkbar.

Hier wären die Steuergelder viel sinnvoller investiert als im jetzigen Übergangssystem. Hundertausende von Jugendlichen werden derzeit "bei Seite gestellt" und haben nur wenig Perspektiven in ihrer beruflichen Zukunft. So würde auch dem demographischen Wandel entgegengewirkt und der Facharbeitermangel kompensiert. Zugleich wird der Binnenmarkt gestärkt, was sehr wichtig ist, um weniger vom Exportmarkt abhängig zu sein.

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit dem angesprochenen Thema auseinander setzten.

Schöne Grüße
Christian Hanika
[Vorsitzender der Konzernjugend- und Auszubildendenvertretung E.ON Energie AG]

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Hanika,

zunächst vielen Dank für Ihre Fragen, geben sie mir doch die Möglichkeit, wichtige Positionen, die ich ausgehend von den programmatischen Aussagen meiner Partei Die LINKE im Bereich des Bildungswesens vertrete, darzustellen.

Zunächst zum offenbar am meisten interessierenden Problem der Umlagefinanzierung:
Die gegenwärtige Wirtschaftskrise zeigt, dass die Bundesregierung mit ihrem Ausbildungspakt seit Jahren den falschen Weg eingeschlagen hat. Eine Ausbildungsplatzumlage ist aus Sicht der LINKEN und natürlich auch nach meiner persönlichen Auffassung der einzig gerechte Weg, weil sie dem Prinzip folgt: Wer nicht ausbildet, muss zahlen. Wer ausbildet, soll unterstützt werden. Aktuell stehlen sich viele Arbeitgeber aus ihrer Verantwortung, allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anzubieten. Sie nehmen in Kauf, dass viele hunderttausend Jugendliche Jahr für Jahr im so genannten Übergangssystem eine Warteschleife nach der anderen drehen. Eine zukunftsweisende Ausbildungspolitik sieht anders aus.
DIE LINKE fordert das Ende von Ausbildungspakt und Ausbildungsbonus und setzt sich für eine gesetzliche Umlagefinanzierung in der beruflichen Bildung ein. Um benachteiligte Jugendliche besser zu unterstützen, muss der Bund zudem ausbildungsbegleitende Maßnahmen verbindlich ausbauen. Darauf zielten in den letzten Jahren eine Reihe parlamentarischer Initiativen der Linksfraktion im Bundestag, die jedoch von der Regierungsparteien abgelehnt wurden.

Zum Dualen System:
Das duale System bildet aus meiner Sicht den Kern unseres Berufsbildungssystems. Die LINKE will die duale Ausbildung stärken und reformieren. Die Anerkennung des dualen Systems leidet darunter, dass dieses viele Erwartungen nicht mehr erfüllen kann. DIE LINKE tritt für das Recht auf eine gute und umfassende Berufsausbildung ein. Warteschleifen und Schmalspurausbildungen müssen abgeschafft werden. Es ist ein Skandal, dass inzwischen genauso viele Schulabgängerinnen und Schulabgänger in eine Übergangsmaßnahme ohne anerkannten Berufsabschluss gehen, wie in eine betriebliche Ausbildung. Wir machen uns deshalb für eine Ausbildungsumlage stark, die gewährleistet, dass alle Unternehmen gleichermaßen zur Finanzierung der Ausbildung beitragen. Wir wollen eine verlässliche Qualitätssicherung der Berufsausbildung in öffentlicher Verantwortung und verteidigen den Jugendarbeitsschutz gegen jede Aushöhlung. Schul- und Prüfungsgebühren lehnen wir ab.

Zur Modularisierung der Ausbildung:
Im Europäisierungsprozess der beruflichen Bildung wendet sich meine Partei gegen die eindimensionale Ausrichtung von Bildungsinhalten auf die kurzfristige Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt und eine überhastete "Verregelung" der Bildungsinhalte mit einem ausufernden Zertifizierungsgeschäft und großen Risiken für Beschäftigte und Auszubildende. Die Einführung von Leistungspunktsystemen darf m.E. nicht dazu führen, dass die Ausbildung in einzelne Module zerstückelt wird. Ganzheitlichkeit und das Berufsprinzip sind im Gegenteil wichtige Leitprinzipien einer guten Ausbildung. Die Entwicklung eines Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) muss die europäische Anschlussfähigkeit der dualen Ausbildung gewährleisten. Die Entwicklung des DQR muss dazu genutzt werden, berufliche Abschlüsse europaweit anzuerkennen, soziale Ungleichheit abzubauen und eine verbesserte Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung zu erreichen.

Hinsichtlich der Modularisierung der Hochschulbildung im Ergebnis des Bolognia-Prozesses vertrete ich die Auffassung, dass die Ausgestaltung des Modulsystems in Deutschland zu starren Studienstrukturen und einer regelrechten Prüfungsinflation geführt hat. DIE LINKE tritt für ein radikales Umsteuern im Bologna-Prozess ein. Die Modularisierung muss sich an einer flexiblen Studienorganisation orientieren, die eine selbstbestimmte Studiengestaltung ermöglicht, Interdisziplinarität fördert und Mobilität erleichtert. Repressive Momente wie Maluspunkt-Regelungen sind abzulehnen. Anstelle von starren und repressiven Studienbedingungen sollte eine studienbegleitende Beratung den Studierenden helfen. Studienreformen dürfen sich nicht in Strukturdebatten erschöpfen, sondern sind insbesondere als Reformen der Curricula sowie der Lehr- und Lernformen zu begreifen. Die Modularisierung bietet die Chance, projekt- und kleingruppenorientierte Lehrmethoden zu integrieren sowie interdisziplinäre Angebote dem hergebrachten Kanon der Fächer gegenüber zu stellen. Die Studienreform muss sich an dem Leitbild forschenden Lernens orientieren. Frontalveranstaltungen und stumpfes Abprüfen von Faktenwissen müssen zurückgedrängt werden. Nur wenn sie in diesem Sinne umgesetzt wird, kann die Modularisierung zur Reform der Hochschulbildung sinnvoll beitragen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Kornelia Möller