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Koray Yılmaz-Günay
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Frage von Nevin C. •

Frage an Koray Yılmaz-Günay von Nevin C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Herr Yilmaz-Günay,

Als sehbehinderte Bürgerin ärgere ich mich regelmäßig über die fehlende Barrierefreiheit in unserem Bezirk.
Mir scheint das ist kein großes Thema für die Parteien.
Wie stehen Sie persönlich dazu?

Portrait von Koray Yılmaz-Günay
Antwort von
DIE LINKE

Liebe Frau Çelik,

sie schneiden ein sehr wichtiges Thema an. Ich stimme Ihnen zu, dass wir noch viele «Baustellen» haben, wenn es um Barrierefreiheit geht. Nicht nur in unserem Bezirk, aber auch in unserem Bezirk. Ich weiß nicht im Einzelnen, wie die anderen Parteien zu den Belangen von Menschen mit körperlichen, seelischen und kognitiven Beeinträchtigungen stehen. Ich kann Ihnen hier meine eigene Sicht darlegen. Sie stimmt im Wesentlichen mit den Forderungen der LINKEN im Bezirk und im Land Berlin überein:

Das Thema Barrierefreiheit ist für viele Bereichen sehr wichtig. Ich glaube zwar, dass wir in Berlin mit dem Landesgleichberechtigungsgesetz, dem Signet «Berlin - barrierefrei» und den bezirklichen und Landes-Gremien insgesamt ganz gut aufgestellt sind. Unsere bundesweite Spitzenposition kann aber sicher ausbaut werden. Daher begrüße ich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen voll und ganz. DIE LINKE setzt sich auf allen Ebenen dafür ein, dass sie endlich auch mit Leben gefüllt wird.

Im Bezirk bestehen wir zum Beispiel darauf, dass gesundheitliche Aspekte und eine möglichst umfassende Barrierefreiheit bei Baugenehmigungen Rechnung getragen wird. Wir wollen, dass alle Gebäude, Internetseiten und Druckerzeugnisse des Bezirksamtes geeignet sind, die Teilhabe von Menschen mit chronischen Krankheiten und Beeinträchtigungen zu gewährleisten und zu erhöhen. Es muss allen klar sein, dass Barrierefreiheit wesentlich mehr ist als Rollstuhlgerechtigkeit!

Bildung ist ein Menschenrecht und eine der wichtigsten Bedingungen für Teilhabe. Das Defizit haben hier meist nicht die sogenannten «Behinderten», sondern die öffentlichen Schulen. Wir wollen einen diskriminierungsfreien Zugang zu allgemeinbildenden Bildungseinrichtungen, unabhängig von vermeintlicher Leistungsfähigkeit oder der medizinischen Diagnose einer Behinderung. Die Schulen müssen so gestaltet sein, dass gemeinsames Lernen und höchstmögliche Bildungsergebnisse für alle möglich sind - dies muss garantiert sein.

Wohnen ist ein anderes wichtiges Thema. Es gibt Belege dafür, dass Menschen mit Behinderung auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert werden, wie auch arme Menschen, Alleinerziehende, Lesben und Schwule oder Menschen mit Migrationshintergrund. Vor diesem Hintergrund müssen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften verpflichtet werden, soziale Zielvorgaben einzuhalten und dies nachvollziehbar zu dokumentieren. Allein aufgrund des demografischen Wandels brauchen wir viel mehr altersgerechte und barrierefreie Wohnungen. Ältere Menschen, die auf Leistungen aus der Grundsicherung angewiesen sind, dürfen bei Krankheit oder einer dauerhaften Beeinträchtigung nicht zum Umzug gezwungen werden.

Der öffentliche Personennahverkehr muss für alle zugänglich sein - in der Innenstadt wie an Stadtrandlagen. Der barrierefreie Ausbau von Bussen und Bahnen (inklusive der Haltestellen und Bahnhöfe) muss fortgesetzt werden. Aber auch Mobilitätshilfsdienste und der Sonderfahrdienst für Menschen mit Behinderungen müssen erhalten bleiben!

Nicht zuletzt gilt eines festzuhalten. Niemand ist «nur» körperlich, seelisch oder kognitiv beeinträchtigt. Wir müssen lernen, das Zusammenwirken verschiedener Faktoren zu sehen. Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen auf Bundesebene weist hier einen guten Weg. Das Gesetz geht schon in seinem Paragraf 2 auf besondere Belange behinderter Frauen ein, die oft mit einer mehrfachen Diskriminierung konfrontiert sind. Ich denke, für einen umfassenden Diskriminierungsschutz und für funktionierende Gleichstellungsarbeit brauchen wir ein umfassendes Verständnis, das Menschen mit Beeinträchtigungen auch ihr Alter, ihre Sexualität, ihre Religiosität oder ihre Trans-Identität etc. zugesteht. Deswegen auch der Vorschlag der LINKEN, Partizipationsgremien breiter als bisher aufzustellen. Es muss immer um die demokratische Teilhabe für alle gehen. Wir müssen lernen, unserer vielfältigen Realität tatsächlich gerecht zu werden. Ohne eine Norm, die sagt, wer wichtig genug ist und dazugehören darf - und wer nicht.

Besten Gruß

Koray Yilmaz-Günay