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Frage von Philipp H. •

Frage an Konrad Schily von Philipp H. bezüglich Innere Sicherheit

Guten Abend.
Meine Frage stellt sich als eher kurz dar.
Ich würde gerne von Ihnen wissen, wie Sie persöhnlich zu den geplanten WaffG-Verschärfungen stehen, bzw. in wie weit Sie ggf. dieses ausdehnen würden (bsplw. was von den neuerdings so tetulierten "Jagdspielen" und deren "Tötungsimulationen" halten und/oder welche Maßnahmen ergriffen werden müssten um Taten wie Amokläufe quantitaiv auf ein minimun zu reduzieren (da von einener absoluten Sicherheit keiner neuen Amokläufe wohl nie ausgegangen werden kann).

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

zunächst möchte ich Ihnen für Ihre Zuschrift danken.

Der Amoklauf von Winnenden hat eine riesige mediale Aufmerksamkeit nach sich gezogen. Auf allen Kanälen, in allen Zeitungen und im Internet wird hitzig darüber diskutiert, welche Lehren aus der verabscheuungswürdigen Tat des 17jährigen Amokläufers zu ziehen und wie solche Ereignisse zukünftig zu verhindern sind. Eine mögliche Konsequenz erfreut sich besonderer Beliebtheit: Die Forderung nach einer Verschärfung des Waffengesetzes und die nach einem Verbot von so genannten Killerspielen. Sicherlich kann man darüber nachdenken, ob wir im Hinblick auf den legalen Besitz von Waffen ein Umsetzungs- oder gar ein Gesetzgebungsdefizit haben.

Ich gebe aber zu bedenken, dass das deutsche Waffenrecht bereits nach dem Amoklauf in Erfurt zwei Mal verschärft wurde und es ist bereits jetzt eines der strengsten der Welt. Leider hat auch ein solch strenges Waffenrecht den Amoklauf von Winnenden oder den Vierfachmord von Eislingen nicht verhindert. Kein Gesetz kann schützen, wenn es nicht beachtet wird.

Die FDP lehnt einen Generalverdacht und eine Vorverurteilung aller legalen Waffenbesitzer entschieden ab. Nach Auskunft der Bundesregierung stammen darüber hinaus lediglich 2 bis 3 Prozent aller bei Delikten mit Schusswaffen eingesetzten Waffen aus legalem Besitz. Deshalb fordert die FDP, den illegalen Waffenbesitz einzudämmen, indem eine Abgabe illegaler Waffen bis zum Stichtag 31.12.2009 straffrei gestellt wird. Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht und hofft dabei im Interesse der Sicherheit auf die Unterstützung der anderen Fraktionen.

Von verschiedener Seite wurde ein Totalverbot privater Schusswaffen gefordert. Das Beispiel aus Großbritannien, wo 1997 nach einem Amoklauf eines 43jährigen in Dunblane alle Handfeuerwaffen in Privatbesitz verboten wurden, zeigt, dass damit die Schusswaffenkriminalität nicht nachhaltig eingedämmt werden konnte. Wer ein generelles Verbot von Waffen in Privatbesitz fordert, sollte klar sagen: Dann kann es keinen Schützenverein, keine Sammler historischer Waffen und keinen Jäger mehr geben. Ob diese Zerstörung des Vereinslebens einen Sicherheitsgewinn bedeutet, das darf wohl bezweifelt werden. Jäger und Schützen zu kriminalisieren, hält die FDP vor diesem Hintergrund für absurd.

Einige Stimmen fordern, die Schusswaffenverwahrung in Privathaushalten zu unterbinden. Das ist eine Wiedergänger-Debatte, die bereits nach dem Attentat von Erfurt geführt wurde. Selbst mit besserer Sicherheitstechnik wären solche zentralen Waffendepots in Randlagen ein verlockendes Ziel für Kriminelle. Das zeigt gerade die Tat von Eislingen, vor der ins dortige Schützenheim eingebrochen wurde.

Der entscheidende waffenrechtliche Ansatz zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit ist aus Sicht der FDP die Beseitigung der Vollzugsdefizite. Wir brauchen regelmäßige Kontrollen der Aufbewahrung von Waffen. Vergleichbar mit der Überprüfung durch den Schornsteinfeger im Privathaushalt oder des Wirtschaftskontrolldienstes bei Gewerberäumen sollten die Ordnungsbehörden die sichere Aufbewahrung der Waffen überprüfen. Das bedarf aber einer personell und ggf. materiell besseren Ausstattung dieser Behörden. Regelmäßige Kontrollen auf breiter Basis, die bei Verstößen den konsequenten Entzug der Waffenbesitzkarte zur Folge haben, dürften sich recht rasch als wirksames Abschreckungsinstrument gegen den fahrlässigen Umgang mit den Aufbewahrungsvorschriften herausstellen. Das Sanktionssystem hierzu muss ggf. angepasst werden.

Jenseits aller politischer Vorschläge muss jeder von uns aber auch erkennen und eingestehen: wenn ein Mensch zu solch grausamen Taten entschlossen ist, dann hält kein Gesetz ihn auf. In erster Linie benötigen wir deshalb eine Kultur des stärkeren Hinsehens. Gewalt- und Kriminalprävention brauchen einen höheren Stellenwert auch bei staatlichem Tun. Es muss besser wahrgenommen werden, wenn Kinder, Schüler oder Freunde sich absondern oder Probleme mit sich tragen.

Neben einer Änderung des Waffengesetzes plant der großen Koalition aus ein Verbot von Kampfspielen wie Paintball, welches die FDP ablehnt.

Schon jetzt ist das Spiel in der Öffentlichkeit untersagt und die ´Markierer´ können nur von Volljährigen erworben werden. Ein ursächlicher Zusammenhang derartiger Spiele mit dem Anlass des Verbots, nämlich Amokläufen wie jüngst etwa dem von Winnenden, ist bisher nicht nachgewiesen worden.

Ein solches Verbot wäre wieder einmal ein Paradebeispiel für wirkungslose Symbolpolitik, wie sie bei CDU/CSU und SPD leider an der Tagesordnung ist. Statt die eigentlichen Ursachen von Gewaltkriminalität anzugehen, werden Nebenschauplätze eröffnet, die vom Versagen der Koalition bei der Bekämpfung der eigentlichen Probleme ablenken sollen.

Statt solcher Ablenkungsmanöver muss Gewalt- und Kriminalprävention einen höheren Stellenwert bekommen. Es muss früher und sensibler wahrgenommen werden, wenn Kinder, Schüler oder Freunde sich absondern oder Probleme mit sich tragen. Das Entgegenwirken von Vereinzelungs- und Isolationstendenzen bei insbesondere jungen Menschen ist eine bedeutende gesellschaftliche Herausforderung, auch und gerade vor Ort.

Wer ernsthaft glaubt, dass Spiele wie Paintball ursächlich für Gewalttätigkeit und Aggressivität sind, der müsste auch olympische Sportarten wie Fechten und Boxen, aber auch Völkerball verbieten.

Ich bleibe weiterhin bei der Position, dass die mediale Verstärkungen und Interaktionen ein diskussionswürdiger Weg der Auseinandersetzung über die Konsequenzen aus dem Amoklauf sind.

Wem ernsthaft daran gelegen ist, Amokläufe zukünftig noch unwahrscheinlicher werden zu lassen, sollte darüber nachdenken, ob die derzeit zu beobachtende Mediendynamik nicht ganz wesentlich dazu beiträgt, den Amokläufer als ein brisantes Handlungsmodell zu konstruieren, dass für viele junge Männer mit Identitäts- und Anerkennungsproblemen gerade deswegen attraktiv erscheint, weil es die ultimative Aufmerksamkeit verspricht. Nicht von ungefähr besitzen Eric Harris und Dylan Klebold, die Täter des Littleton-Massakers 1999, im manchen Kreisen einen quasi-mythischen Status. Damit wächst - eine Einsicht, die von der klinischen Psychologie schon viele Jahre formuliert wird - die Gefahr von Anschlusstaten.

Junge Menschen, die sich in einem labilen emotionalen Zustand befinden, können in der Berichterstattung über Amoktaten ein Handlungsschema vorfinden, dass die eigenen Konflikte einer endgültigen Lösung zuführt: Einem Selbstmord, der zuvor das soziale Umfeld einer brutalen Rache unterzieht. Vor diesem Hintergrund kommt den Medien, aber vor allem auch den in den Medien auftretenden Politikern und Fachleuten, die Aufgabe zu, entmythologisierend zu wirken, statt auf der Klaviatur der Angst zu spielen und eine allgemeine, jede statistische Signifikanz übergehende Hysterie zu befeuern.

Die Ereignisse von Winnenden sollten uns zunächst Anlass sein, unser Beileid gegenüber den Opfern und deren Angehörigen auszudrücken. Zum zweiten sollten wir uns um Sachlichkeit bemühen, statt - wie es der Berliner Kulturwissenschaftler Joseph Vogl kritisiert - dem Amoklauf einer "irrsinnige Prominenz" zu verschaffen und ihn damit der Logik des Spektakels unterzuordnen.

Ich hoffe, Ihre Anfrage beantwortet zu haben.

Mit freundlichem Gruß

Dr. Konrad Schily - MdB