Frage an Knut Fleckenstein von Jochen H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Fleckenstein,
meine Freundin und ich können uns nicht einigen, ob es eine Benachteiligung ist, dass es für die Europawahlen scheinbar unterschiedliche Wahlsysteme gibt.
So können beispielsweise Jugendliche in Österreich bereits ab dem 16ten Lebensjahr an den Wahlen teilnehmen - Jugendliche in Deutschland oder GB müssen bis zum 18ten Lebensjahr warten. Auch wenn die Zahl der Abgeordneten pro Mitgliedsland beschränkt ist sind dies doch unterschiedliche Vorraussetzungen!
Wäre es nicht möglich ein einheitliches und demokratische Wahlsystem für ein und das selbe Parlament einzuführen? Wie ist ihre persönliche Meinung dazu?
Sehr geehrter Herr Hermer,
die Wahlen des Europäischen Parlaments werden durch die jeweiligen Mitgliedstaaten und deren nationales Recht geregelt. Die unterschiedlichen Wahlrechtssysteme in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sind dabei Ausdruck unterschiedlicher politischer Umstände und Traditionen.
Sie erwähnen in Ihrer Anfrage das Wahlrecht, welches in jedem EU-Mitgliedstaat Menschen ab 18 Jahren zusteht - nur Österreich bildet hier ab 16 Jahren die Ausnahme.
Trotz gewisser Unterschiede, hat sich die Europäische Union auf bestimmte gemeinsame demokratische Basisregeln verständigt, die die demokratische Legitimation des Europäischen Parlaments garantieren: allgemeine und unmittelbare Wahl, Verhältniswahrecht, geheime und freie Wahl, Mindestalter, erneuerbare Mandatsdauer von fünf Jahren, Unvereinbarkeiten (die Abgeordneten des Europäischen Parlaments können nicht gleichzeitig Doppelämter ausüben, z.B. das Amt des Richters, des Staatsanwalts, des Ministers), Wahldatum, Gleichstellung von Mann und Frau, sowie die proportionierte Anzahl der Abgeordneten eines EU-Mitgliedslandes (dass sich dabei die Zahl der Abgeordneten an die Bevölkerungsgröße richtet, entspricht der Funktionslogik des Europäischen Parlaments).
Zwar sind die Wahlsysteme nicht einheitlich, aber dafür durch die gemeinsamen Regelungen demokratisch. Insofern gibt es meiner Meinung nach keinen Grund, ein einheitliches Wahlsystem für alle EU-Länder einzuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Knut Fleckenstein