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Knut Fleckenstein
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Frage von Joachim K. •

Frage an Knut Fleckenstein von Joachim K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Fleckenstein,

da mich ihr Konterfei seid geraumer Zeit überall auf den Straßen Hamburgs und sogar vor meinem Fenster anlacht, möchte ich mich auch mal näher mit Ihnen befassen.

1) Mir fällt vor allem auf, dass sie für ein "soziales Europa" werben, obwohl die SPD gerade federführend bei einem beispiellosen Sozialabbau in Deutschland war und darum nicht zu Unrecht von breiten Schichten ihrer Stammwähler als Verräter betrachtet wird. So auch von mir!

Darf man daraus schließen, das Sie für Europa eine andere Politik im Sinn haben, als für Deutschland? Eben eine "soziale"; und wenn ja, wie soll diese Politik im Detail aussehen?

2) ich habe kürzlich aus dem TV erfahren, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Brüssel, dem Stammsitz des Europaparlaments 34% beträgt. Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen...

Mir ist zwar bewußt, dass ein Abgeordneter des Europaparlaments nicht direkt für die Politik dieser Stadt, dieser Region oder dieses Landes verantwortlich zeichnet, aber ich würde dennoch dies gern als Aufhänger nehmen, um aus ihren persönlichen Worten zu dieser Katastrophe zu erfahren, was Sie unter "sozial" verstehen. Wie denken Sie darüber? Was muß - nicht bloß in Brüssel - geschehen?

Mit freundlichen Grüßen
Joachim Kleinhans - seit Neuestem ein "Die Linke"-Wähler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kleinhans,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 13. Mai 2009. Gerne sende ich Ihnen Antworten auf Ihre Fragen:

1. Wir wollen die europäische Tradition der Sozialstaatlichkeit progressiv weiterentwickeln. Dazu muss auch das Wirtschaften im europäischen Binnenmarkt in eine politische und soziale Ordnung eingefasst sein. Einem einseitig marktliberalen Modell von Europa erteilen wir eine klare Absage. Für uns steht in Europa nicht der Markt, sondern der Mensch im Mittelpunkt. Der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wollen wir eine europäische Sozialunion in gleichem Rang zur Seite stellen. Wir fordern einen europäischen sozialen Stabilitätspakt mit gemeinsamen europäischen Zielen und Vorgaben für Sozial- und Bildungsausgaben, gemessen an der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Wir wollen, dass sämtliche EU-Rechtsakte auf ihre sozialen Folgen für die Menschen in Europa überprüft werden. Mit einem europäischen Pakt gegen Lohndumping wollen wir dafür sorgen, dass in allen EU-Mitgliedstaaten existenzsichernde Mindestlöhne gelten. Wir wollen, dass auch in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn gilt. Wir wollen die Institutionen der EU an soziale Standards und Rechte binden. Deshalb machen wir uns für eine soziale Fortschrittsklausel im EU-Primärrecht stark und wollen die EU-Entsenderichtlinie verbessern und erweitern. In Europa muss gelten: gleiche Lohn- und Arbeitsbedingungen für gleiche Arbeit am gleichen Ort! Wir wollen gute Arbeit umfassend als Leitprinzip für die Europäische Union verankern. Dazu wollen wir die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer europäisch weiter ausbauen, insbesondere auch ihr Recht auf Mitbestimmung im Unternehmen. Mit einer ambitionierten Politik für Gleichstellung und gegen Diskriminierung wollen wir Europa zu einem diskriminierungsfreien Raum der Chancengleichheit machen. Wir fordern eine starke europäische Politik für junge und ältere Menschen. Generationensolidarität muss europaweit verwirklicht werden. Wir wollen, dass die EU ihre Austauschprogramme für Jugendliche weiter ausbaut. Zudem wollen wir aktives Altern europaweit fördern, die Beschäftigung und Mobilität älterer Menschen in Europa verbessern und Altersarmut bekämpfen. Für öffentliche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge wollen wir mehr europäische Rechtssicherheit schaffen. Sie dürfen nicht einem einseitigen Zwang zur Liberalisierung ausgesetzt werden.

2. Jugendliche sind in den meisten EU-Ländern noch immer überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen. Wir wollen daher die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu einem zentralen Ziel und gemeinsamen Schwerpunkt europäischer Politik machen. Zugleich wollen wir, dass deutlich mehr junge Menschen an den Chancen teilhaben können, die das Zusammenwachsen Europas schafft. Das soziale Europa muss spürbar werden. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass die Möglichkeiten für Jugendliche verbessert werden, um durch Austauschprogramme oder Jugendbegegnungen den Alltag in einem anderen europäischen Land kennen zu lernen.

Es muss in ganz Europa verstärkt in Bildung und Weiterbildung investiert werden. Mit einer Ausbildungsgarantie für alle bis 18 Jahre kann, können die Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausgebaut werden. Noch dazu müssen die EU-Budgets stärker auf die Beschäftigung von Jugendlichen ausgerichtet werden.

Die Europäische Kommission hat für das kommende Jahrzehnt eine neu EU-Strategie für Jugendpolitik mit dem Titel "Strategie für die Jugend - Investitionen und Empowerment" verabschiedet. Es werden folgende Ziele verfolgt:
- Der Jugend mehr Chancen in Bildung und Beschäftigung eröffnen,
- Zugangsmöglichkeiten verbessern und allen jungen Menschen umfassend an der Gesellschaft teilhaben lassen
-Solidarität zwischen Gesellschaft und jungen Menschen fördern

In der Strategie wird die wichtige Rolle der Jugendarbeit herausgestellt, wenn es gilt, mit Arbeitslosigkeit, Schulversagen und sozialer Ausgrenzung fertig zu werden, Fähigkeiten zu vermitteln und Freizeitmöglichkeiten anzubieten.

Mit freundlichen Grüßen

Knut Fleckenstein