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Frage von Christian S. •

Frage an Klaus Wowereit von Christian S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Wowereit,

in Ihrer Antwort v. 11.8.06 haben Sie auf meine recht konkrete Frage v. 7.8.06 leider sehr ungenau Stellung bezogen. Immerhin haben Sie erneut festgestellt, dass die gerichtlich verfügten Auflagen „streng“ seien. Hierzu möchte ich Sie gern beim Wort nehmen. In meiner ersten Anfrage nannte ich Ihnen bereits den gerichtlich festgelegten Grenzwert von 62 Dezibel Dauerschalläquivalent , bei dessen Überschreitung die Tagesschutzzone beginnt. Unterhalb dieses Grenzwerts existiert keine Schutzzone und ich verstehe Ihre wiederholte Aussage, dass dieser gerichtlich verfügte Grenzwert streng sei, so, dass Schallwerte unterhalb dieses Grenzwerts für Anwohner zumutbar sind. Ich stimme dem auch ausdrücklich zu.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle die Lärmmesswerte der Berliner Flughäfen zur Verfügung stellen, die Ihnen wahrscheinlich nicht bekannt sind, die Sie dennoch als glaubwürdig betrachten dürfen, denn Sie werden von der Institution veröffentlicht, deren Aufsichtsratsvorsitzender Sie sind, nämlich der Berliner Flughafengesellschaft. Unter: http://www.berlin-airport.de/PubDeutsch/PubUnternehmen/PubUmwelt/pubFluglaerm/rubLaermreport/index.html finden Sie die Messwerte Tempelhofs. Die Stationen in unmittelbarer Nähe des Flughafens messen Dauerschalläquivalente zwischen 47 und 54 dB(A). Die Werte entsprechen im Vergleich der Schallbelastung eines Gesprächs bei Zimmerlautstärke. Sie bedeuten ferner, dass der auch nach Ihrem Verständnis strenge Grenzwert für BBI gut 60% oberhalb des lautesten Tempelhofer Messwerts liegt. Und sie zeigen außerdem, dass nicht ein einziger Anwohner Tempelhofs innerhalb einer theoretischen Schutzzone wohnt.

Nun meine Frage (und ich bitte Sie, ausschließlich zum Aspekt „Lärm“ Stellung zu nehmen): Wie können Sie und Ihre Partei nach Kentnisnahme dieser Messwerte weiterhin behaupten, die Lärmbelastung sei für die Anwohner des Flughafens Tempelhof nicht zumutbar?

Mit freundlichen Grüßen

Ch. Stonke

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Sehr geehrter Herr Stonke,

bei der geplanten Schließung von Tempelhof geht es um die Einhaltung von bestehenden Abkommen und um die Wirtschaftlichkeit des künftigen Flughafens BBI, aber natürlich haben auch Umweltaspekte dabei immer eine wichtige Rolle gespielt.

Der von Ihnen angesprochene Dauerschallpegel ist eine physikalische Größe, die die mittlere Lärmbelastung angibt - es handelt sich also um einen Durchschnittswert. Charakteristisch für die Lärmbelastung an Flughafen ist der Wechsel zwischen Ruhephasen und kurzen, sehr intensiven Schallereignissen. Daher müssen ebenso Häufigkeit und Höhe der Lärmbelastung durch einzelne Flugbewegungen beachtet werden. Im innerstädtischen Bereich sind zudem mehr Anwohner von den Flugbewegungen betroffen.
Um beim Beispiel Tempelhof zu bleiben: Die verschiedenen Messstationen in der Umgebung des Tempelhofer Geländes weisen für den Monat Juli eine Lärmbelastung aus, die - je nach Stationsstandort - monatlich bis zu 964 Mal die Grenze von 80db (A) überschritt. Selbst an den weiter entfernt liegenden Stationen wurden mehrere hundert Male diese Maximalwerte erreicht. Die monatliche Häufigkeit von Lärmereignissen über 60db (A) liegt noch um einiges höher: Teils mussten die Anwohner mit mehr als 1800 einzelnen Störungen dieser Kategorie leben. Ab 80db (A) wird nach geltenden EU-Richtlinien gar das Tragen eines Gehörschutzes empfohlen. Ihrer Einschätzung, dass es sich um eine zumutbare Lärmbelastung für die Anwohner handelt, kann ich deshalb nicht folgen.
Die Entscheidung zugunsten des Standortes Schönefeld muss zudem im Zusammenhang mit der langfristigen Entwicklung gesehen werden: Die Belastung der Bevölkerung durch Fluglärm hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich erhöht. Sie wird weiter steigen, trotz technischer Verbesserungen im Flugzeugbetrieb. Das Verkehrsaufkommen in Europa soll sich, aktuellen Prognosen zufolge, bis 2010 um fast 70% erhöhen. Die langfristige Perspektive verlangt daher Standortentscheidungen von uns, die die Lärmbelastung für die Berliner Bevölkerung möglichst gering halten. Die Schließung der City Airports Tegel und Tempelhof ist auch vor diesem Hintergrund ein wichtiger Schritt.

Aus Sicht der Anwohner ist es überdies wenig sinnvoll, die Debatte um den Flughafen Tempelhof nur auf die Lärmbelastung zu reduzieren: Das Sicherheitsrisiko des innerstädtischen Flugverkehrs bleibt. Tempelhof ist von Wohnsiedlungen umgeben; außerhalb des Flughafengeländes gibt es keine Notlandeflächen. Glücklicherweise wurde bei dem Absturz einer einmotorigen Maschine im Mai 2001 niemand verletzt oder gar getötet. Auch die Schadstoffbelastung ist nicht zu vernachlässigen. Sie bedeutet für die Anwohner ein Gesundheitsrisiko.
Mit freundlichen Grüßen

Klaus Wowereit