Frage an Klaus Wowereit von Martin K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Wowereit,
herzlichen Dank für ihre Antwort. Leider habe ich bei ihrem Schreiben eine Antwort auf mein Anliegen vermisst. Deshalb will ich es noch einmal verdeutlichen. Das Problem ist die Frage wer zuständig sein soll für die Vermittlung von Werten, die für das gesellschaftliche Zusammenleben notwendig sind und die jedes Kind im Laufe seines Erwachsenwerdens lernen muss.
Sie haben recht: Auch der Staat vermittelt durch die Schulen in den verschiedenen Unterrichtsfächern Werte und Normen. Es ist aber aufgrund der deutschen Geschichte zu fragen, wie weit diese Vermittlung gehen kann. Meiner Meinung nach muss sich der Staat aufgrund der Trennung von Staat und Kirche aus den Fragen der Religion heraushalten und darf kein eigenständiges Bild von den Religionen entwerfen. Doch genau das wird durch LER getan. Eine Abhilfe könnte man schaffen indem man den Kindern die Wahl zwischen dem konfessionellen Religionsunterricht und einem Ethikunterricht lässt. Warum Berlin einen anderen Weg geht entzieht sich meinem Verständnis. Und das ist meine Hauptanfrage.
Wenn Sie schreiben, dass mit dem pflichtmäßig-alternativlosen LER-Unterricht Schüler aller Konfessionen die Möglichkeit erhalten Dialog zu führen, dann stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage sie das tun sollen, denn den einen eigenen Standpunkt, den sie dazu brauchen kann und darf LER nicht vermitteln (s.o.). Dazu braucht es konfessionellen Religionsunterricht, der eine Perspektive entwirft, die zwar subjektiv sein mag, aber durch die Subjektivität die Kinder umfassender anspricht, als objektive Informationen, denn hier geht es um Empathie und um Beziehung, dort um eine rein rationale Beschäftigung, die zwar logisch, aber nicht überzeugend ist. Ich bin skeptisch was die Vermittlung von letzten und absoluten Dingen, also des Jenseitigen im LER-Unterricht betrifft. Wenn eine Lehrkraft keinen Standpunkt vertritt, kann sie ihn auch den Kindern nicht vermitteln. LER hat sich dann selbst entleert
Sehr geehrter Herr Kämpf,
so wenig wie der von uns geplante Ethikunterricht den Religionsunterricht ersetzen soll, so wenig kann andererseits ein reiner Religionsunterricht den Ethikunterricht ersetzen. Eingeführt wird der Wertunterricht in der siebten Klasse, bis dahin haben die Berliner Schülerinnen und Schüler sechs Jahre lang die Möglichkeit gehabt, am Religionsunterricht in ihrer Grundschule teilzunehmen. Ich gehe davon aus, dass auch das Elternhaus und kirchliche Angebote in den Gemeinden eine wichtige Rolle dabei spielen, den eigenen Standpunkt zu finden.
Über den Rahmenlehrplan Ethik können Sie sich auf den Internetseiten der Senatsverwaltung für Bildung ausführlicher informieren, als ich hier antworten könnte: http://www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/pdf/sek1_ethik.pdf .
Wir haben in Berlin eine Vielzahl von Religionsgemeinschaften, die als Anbieter von Religionsunterricht auftreten können. Wir können und wollen Ihnen nicht vorschreiben, dass sie und wie sie all diese für Jugendliche wichtigen Themen in ihrem Unterricht aufgreifen. Der Ethikunterricht bietet dafür einen Rahmen. Er bietet andererseits auch die Möglichkeit, dass Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften eingeladen werden, um ihren Glauben darzustellen. Ich bin sicher, dass sich viele jetzt geäußerte Sorgen in der Praxis als unnötig herausstellen. Auch in Fächern wie politischer Bildung oder Geschichte vertrauen wir ja auf die Vermittlungsfähigkeiten unserer Lehrerinnen und Lehrer.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit