Frage an Klaus Wowereit von Andree H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Wowereit,
erst einmal möchte ich mich für Ihre Antwort bedanken. Allerdings hatte ich schon erwartet, dass sie mit gewohnten Floskeln um sich schmeißen, anstatt genau auf meine Fragestellung einzugehen. Mir war durchaus bekannt, dass der Religionsunterricht weiterhin angeboten wird. Nur warum muss man ihn in 2 extra Stunden pro Woche belegen, anstatt ihn zeitgleich als Wahlmöglichkeit mit dem Ethikunterricht anzubieten??? Dies ist doch eine absolute Diskriminierung von religiösen Menschen, oder finden Sie nicht?
Aber ich möchte gleich noch eine Frage anschließen: Wie sehen Sie die finanziellen Probleme, dass die Berliner Lehrerinnen und Lehrer auf das Fach LER umgeschult werden müssen?
Mit freundlichen Grüßen
Andree Hübner
Sehr geehrter Herr Hübner,
Sie hatten mich gefragt, "warum der rot-rote Senat den Berliner Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit nimmt, ihre Werte und ihre Weltanschauung einer von ihnen gelebten Religion zu entnehmen". Daher mein Hinweis auf die Sachlage, die sich eben anders darstellt als in Ihrer Frage formuliert: Niemand nimmt den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Ihre Werte und Weltanschauungen einer Religion zu entnehmen.
Eine Diskriminierung religiöser Menschen kann ich in unseren Regelungen für den Werteunterricht nicht erkennen. Die Bedeutung der Religionen wird sogar aufgewertet, denn auch alle die Schülerinnen und Schüler, die bisher Freistunden hatten, müssen nun am Werteunterricht teilnehmen und sich somit mit verschiedenen Religionen und Weltanschauungen auseinandersetzen. Und wir wollen gerade, dass dies gemeinsam geschieht, nicht in vielen Parallelveranstaltungen von der Islamischen Gemeinde bis hin zu den Zeugen Jehovas. Gemeinsamer Unterricht kann den gegenseitigen Respekt fördert und den Blick erweitern. Und: Die Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben zu vermitteln ist Aufgabe des Staates.
Die jeweilige Religionszugehörigkeit auszuüben ist jedoch das ganz private Ermessen jedes und jeder Einzelnen. Das kann im Religionsunterricht der verschiedenen Konfessionen genauso geschehen wie zum Beispiel beim freiwilligen Kirchen- Moschee- oder Synagogenbesuch. Der Werteunterricht richtet sich nicht gegen die Kirchen, er ist vielmehr auch für sie eine neue Chance, sich bisher nicht an Religion Interessierten zu präsentieren. Ich freue mich, dass die jüngsten Signale aus den Kirchen zeigen, dass sie diese Chance erkennen und sich an der Ausgestaltung beteiligen wollen. Finanzielle Probleme entstehen für das Land nicht. Eine Reihe von Lehrerinnen und Lehren war bisher in Modellversuchen tätig und wird nun das neue Fach unterrichten. Weiterbildungsangebote an Lehrerinnen und Lehrer zur Wertevermittlung halte ich für eine gute Investition, die ohnehin getätigt werden müsste.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit