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Klaus Wowereit
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Frage von Andree H. •

Frage an Klaus Wowereit von Andree H. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Wowereit,

mich würde als katholischer Schüler interessieren, warum der von Ihnen geführte rot-rote Senat den Berliner Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit nimmt, ihre Werte und ihre Weltanschauung einer von ihnen gelebten Religion zu entnehmen. Ist die ideologische Verbissenheit des Senats so groß, dass man den Schülerinnen und Schülern jegliches religiöse Hintergrundswissen (damit ist kein distanzierter Lehrplan wie im Ethikunterricht gemeint) versagen will. Können Sie mir erklären, wie ein junger Christ einer inhaltlichen Diskussion mit einem Koranschüler gewachsen sein soll, ohne dass er seinen Unterricht in der 9. und 10. Stunde eines sowieso schon anstrengenden Schultages erfahren soll.
Oder ist die Einführung des verpflichtenden Ethikunterichts nur ein Versuch, Religion an sich aus dem Alltagsleben zu verbannen?

In der Hoffnung auf eine hoffentlich aufschlussreiche Antwort verbleibe ich

MIt freundlichen Grüßen

Andree Hübner

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Antwort von
SPD

Lieber Andree Hübner,

ich kann Sie beruhigen: der neu eingeführte Werteunterricht nimmt Ihnen und den anderen Schülerinnen und Schülern in der Oberstufe weder die Möglichkeit, Ihre Werte und Weltanschauung Ihrer ganz persönlichen - in Ihrem Fall katholischen - Religion zu entnehmen, noch müssen die Schülerinnen und Schüler auf religiöses Hintergrundwissen verzichten. Ganz im Gegenteil.
Der Religionsunterricht findet in Berlin seit mehr als 50 Jahren auf freiwilliger Basis in Verantwortung der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften statt. Dieser Unterricht bleibt bestehen und wird weiterhin staatlich finanziert.
Wie Sie bestimmt auch aus Ihrem eigenen Umfeld oder Klassenverband wissen, hat aber bisher gerade einmal jedeR vierte OberschülerIn am Religions- oder Weltanschauungsunterricht teilgenommen. Der Rest hatte Freistunde.

Wir haben uns für die Einführung eines gemeinsamen Werteunterrichts ab der 7. Klasse entschlossen, weil wir diesen Zustand beenden wollen. Wir möchten, dass sich alle Kinder gemeinsam in der Klasse mit unterschiedlichen Religionen, Fragen der Demokratie, Gewaltfreiheit, Toleranz, Gleichberechtigung und mit den Grundwerten unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Das ist besonders in Berlin unerlässlich, weil hier die Kinder so unterschiedlicher Herkunft sind und verschiedene kulturelle und religiöse Hintergründe haben. Mit der Einführung eines verbindlichen Werteunterrichts hat die Berliner SPD hierzu einen konstruktiven Beitrag geleistet.

Da der Werteunterricht für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend ist, findet auch keine Ungleichbehandlung verschiedener Religionen statt. Die von Ihnen geäußerte Sorge, als Christ einer inhaltlichen Diskussion mit Menschen anderer Konfessionen nicht standhalten zu können, teile ich daher nicht. Im Gegenteil: Vielmehr schafft erst unser Beschluss für einen verbindlichen Werteunterricht dafür eine wirkliche Grundlage. Die christlichen Kirchen wurden zudem ausdrücklich dazu eingeladen, an den Curricula für das neue Fach LER mitzuwirken - von "ideologischer Verbissenheit" kann also keine Rede sein.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit