Frage an Klaus Uwe Gerhardt von Wolfgang R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Gerhardt,
soweit ich weiss, sind Sie einer der Ersten gewesen, der bereits in den 80er Jahren zum Bedingungslosen Grundeinkommen publiziert hat.
1. Wie sind Sie bereits damals zu diesem wichtigen Thema gekommen?
2. Und warum hat es von damals bis heute fast 30 Jahre gedauert, bis das Thema einige Relevanz erlangt hat?
3. Müssen wir nochmal 30 Jahre bis zur Realisierung eines BGEs warten?
4. Wie sieht Ihre Partei das?
Danke für Ihre eventuellen Antworten!
Wolfgang Roehrig
Hallo Wolfgang Röhrig,
danke für die Fragen, die ich so beantworten möchte:
Zu 1. Wie sind Sie bereits damals zu diesem wichtigen Thema gekommen?
Es waren drei Überlegungen: Erstens: Das Ende des so genannten "Keynesianischen Projektes" und des Siegeszuges der Angebotstheorie. Nun zeigt sich mit der Finanzkrise, dass Angebotstheorie und neoliberale Wirtschaftpolitik den Staat auszutrocknen durchaus gut für die Gewinne waren, aber schlecht für die Produktivität und übel für die Gesellschaft ausgehen können.
Zweitens: Ich entdeckte, dass Milton Friedman zwar einen wesentlich ungezügelten Kapitalismus anempfahl, aber gleichzeitig die Auseinandersetzungen der Arbeiterschaft mit den "wilden Streiks" neue gesellschaftliche Auseinandersetzungen in den Fabriken und in der Gesellschaft gebracht hatte. In den USA wurde die Negative Income Tax erprobt mit dem Ergebnis, dass das Arbeitsangebot keineswegs zusammenbrach.
Drittens: Die stärksten Kämpfe zwischen Arbeit und Kapital - ansonsten weltweit erkennbar - spielten sich in Italien ab - wilde Streiks in allen Fabriken. Die angelernten Arbeitsemigranten forderten eine automatische Lohnanpassung an die Inflation (scala mobile). Plötzlich forderten die Frauen einen Hausfrauenlohn, d.h. ein Einkommen, welches von der Werkbank in den Fabriken unabhängig war. Um neue Lebensformen zu entwickeln war "Lohn für Nichtarbeit" auch bei den Alternativen sehr beliebt. Berühmte Ökonomen und Nobelpreisträger sagten, die Studentenbewegung sei für diese Umwälzung verantwortlich. Das fanden meine Freunde und ich bemerkenswert. Und deshalb habe ich damals in meiner Diplomarbeit und in späteren Veröffentlichungen nachgeforscht, ob die Gesellschaft zusammenbrechen oder neu definiert werden könne und welche Rolle ein garantiertes Mindesteinkommen dabei spielen könnte.
Zu 2. Und warum hat es von damals bis heute fast 30 Jahre gedauert, bis das
Thema einige Relevanz erlangt hat?
Es gab mehrere Wellen der Diskussion. In den achtziger Jahren ebbte die Studentenbewegung langsam ab und damit auch die Fragen eines alternativen Lebens mit Staatsknete. In den neunziger Jahren hofften auch viele GRÜNE, dass es wieder mehr Beschäftigung geben könne, wenn Arbeit billiger würde und die Lohnnebenkosten durch eine Ökosteuer getragen werden würde. Mit den Hartz Reformen wurde klar, dass die Senkung der Löhne in die Armut führen würde. Die Gewerkschaften sind zudem schwächer geworden durch die Umstrukturierung, Flexibilisierung der Arbeit, Zeitarbeit oder unbefristete Arbeit. Ohne Mindesteinkommen und Mindestlohn schaffen wir es nicht, Armut zu verhindern.
Zu 3. Müssen wir nochmal 30 Jahre bis zur Realisierung eines BGEs warten?
Ich hoffe nicht. Das setzt aber voraus, dass die Schritte verträglich sind. Meine Idee ist "HARTZ Plus", welche ich in meiner Dissertation vorschlage.
Zu 4. Wie sieht Ihre Partei das?
Die GRÜNEN sind derzeit gespalten und die Position eines bedingungslosen Grundeinkommens noch nicht mehrheitsfähig.
Mit den besten Grüßen
Dr. Klaus-Uwe Gerhardt