Frage an Klaus Uwe Benneter von Musiol D. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Benneter
Durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 19.12.2001 wurde eine Regelung eingeführt, die alle Unternehmen in Deutschland betrifft. Mit dem neu geschaffenen Änderungsparagraphen § 27b UStG wurde eine Rechtsgrundlage geschaffen, mit deren Hilfe Finanzbeamte „ohne vorherige Ankündigung und ausserhalb einer Aussenprüfung Grundstücke und Räume von Personen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausüben, während der Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten (dürfen), um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können“. Dieser Vorgang wird als „Umsatzsteuer-Nachschau“ bezeichnet. Dieser § 27b UStG betrifft alle Gewerbetreibende oder beruflich Selbständige.
Mit dem Einführen des Änderungsgesetzes § 27b in das UStG ist das UStG 1999 zu einer Ermächtigungsgrundlage gemacht worden, die auch bewirkt, dass in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung i.S.v. Art. 13 GG eingegriffen wird.
Dem § 27b UStG 1999 fehlt es jedoch an Hinweisen, betreffend diese
Einschränkung des Grundrechtes in Art 13 GG. Das Zitiergebot nach Art. 19 II GG wird somit nicht erfüllt.
Nachdem der im Jahre 2001 eingeführte Änderungsparagraph § 27b UStG das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung im Sinne vom Art. 13 GG einschränkt und nachdem der Gesetzgeber aus welchen Gründen auch immer versäumt hat auf diesen Grundrechtseingriff entsprechend dem Zitiergebot aus Art. 19 II GG hinzuweisen, ergibt sich die:
"Nichtigkeit des gesamten Umsatzsteuergesetzes 1999"
Diese Nichtigkeit kann nicht mehr durch ein Gericht oder das
Bundesverfassungsgericht festgestellt werden, sondern diese ist bereits in der juristischen Sekunde des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes in § 27 b UStG eingetreten.
Ist meine Ausführung korrekt, und wenn ja, warum wird dagegen nichts getan?
Mit besten Grüßen
Musiol
Sehr geehrter Herr Musiol,
vielen Dank für Ihre Frage vom 15. Januar 2009.
Mit dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber sich bei gesetzgeberischen Maßnahmen der möglichen Einschränkung von Grundrechten bewusst ist. Es soll vermieden werden, „dass neue, dem bisherigen Recht fremde Möglichkeiten des Eingriffs in Grundrechte geschaffen werden, ohne dass der Gesetzgeber sich darüber Rechenschaft legt und dies ausdrücklich zu erkennen gibt“ (BVerfGE 5, 13 [15]). Nicht gefolgt ist das Gericht dagegen der teilweise geäußerten Auffassung, Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG habe darüber hinaus auch eine Klarstellungs- und Hinweisfunktion gegenüber dem Normanwender und eine Informationsfunktion (BVerfGE 5, 13 [15]).
Das Bundesverfassungsgericht weist weiter ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG um eine Formvorschrift handelt, „die enger Auslegung bedarf, damit sie nicht zu einer leeren Förmlichkeit erstarrt und den die verfassungsmäßige Ordnung konkretisierenden Gesetzgeber in seiner Arbeit unnötig behindert“. Dementsprechend bedarf es - soweit der Umstand einer Grundrechtsbeeinträchtigung den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten bewusst ist - keiner besonderen Hervorhebung im Text des Änderungsgesetzes, um zu beweisen, dass der Gesetzgeber den grundrechtseinschränkenden Gehalt der in Frage stehenden Norm erwogen hat (BVerfGE 35, 185 [189]).
Auch die Grundrechtsrelevanz der Vorschrift des § 27b UStG in Bezug auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) ist dem Gesetzgeber offenkundig gewesen und dementsprechend auch insbesondere bei der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag am 10. Oktober 2001 diskutiert worden.
Damit ist dem Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 2 S. 1 GG Genüge getan, ohne dass es eines besonderen Hinweises im Gesetzestext bedurft hätte, der in diesem Fall lediglich eine leere Förmlichkeit dargestellt hätte. Ich kann deshalb nicht erkennen, dass die Norm verfassungswidrig sein könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Uwe Benneter, MdB