Frage an Klaus Uwe Benneter von Tobias S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Die Telefonate, SMS und E-Mails aller Bürger werden seit dem 01.01. gespeichert, die Daten aller Gehaltsempfänger sollen gespeichert werden, die exakten Arbeitszeiten aller Mitarbeiter sollen gespeichert werden und es wird gefordert die Kameras der Mautstationen zu strafrechtlichen Maßnahmen zu nutzen.
Wie ist das eigentlich alles mit dem Grundgesetz zu vereinbaren? Und ich habe noch nicht einmal die Otto-Pakete und die BKA-Gesetze erwähnt.
Können Politiker die Angst der Bürger vor einem Überwachungsstaat wirklich nicht verstehen, oder warum wird das ständig totgeschwiegen?
Sehr geehrter Herr Stieber,
Sie haben völlig Recht: Der Umgang mit unseren persönlichen Daten hat sich geändert. Um diesen Wandel zu verstehen, sollten Sie sich die Hintergründe Ihrer Beispiele aber einmal näher anschauen. Häufig geht es dabei gar nicht um die Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Oft liegt der geänderte Umgang einfach daran, dass die Behörden ihre Kommunikation und Arbeitsweise umstellen. Was früher per Brief verschickt wurde, kommt heute in eine Email. Aktenschränke verschwinden und werden durch elektronische Datenbanken ersetzt. Das bedeutet aber auch, dass viele der Daten, die Sie angesprochen haben bereits heute schon verwahrt wurden – wenn auch in Papierform.
Die Politik greift diese Entwicklung natürlich auf. Das Projekt Elena ist ein Beispiel dafür. Es soll den bisherigen Gehaltszettel durch den elektronischen Einkommensnachweis ersetzen. Sie sprachen davon, dass hierdurch die Daten aller Gehaltsempfänger gespeichert werden. Das ist richtig, aber so gesehen nichts Neues: Bereits heute melden die Arbeitgeber die Entgeltdaten ihrer Beschäftigten an die Rentenversicherung, wo die Daten über Jahrzehnte gespeichert werden. Wirklich neu ist, dass die Einkommens- und Beschäftigungsdaten über Elena künftig in einer zentralen Datei gespeichert werden sollen. Auf diese Datei haben dann Arbeitsamt, Sozialamt oder die Kindergeldstelle Zugriff. Der elektronische Zugriff erspart die papiergebundene Bescheinigung und erleichtert allen Beteiligten das jeweilige Meldeverfahren. Ein Antrag auf Arbeitslosenunterstützung kann dann schneller bearbeitet werden. Unnötige Laufwege werden vermieden. Aus datenschutzrechtlicher Sicht wäre das Projekt problematisch, wenn wir auch anderen Behörden den Zugriff auf die Daten erlauben würden. Dies ist aber nicht der Fall. Die Daten unterliegen sogar einem Beschlagnahmeverbot. Andere als die genannten staatlichen Stellen werden also unter keinen Umständen auf sie zugreifen können. Außerdem dürfen die Daten in der Zentraldatei nur verschlüsselt abgelegt werden. Um die Sicherheit des Systems zu prüfen, hat die Fachhochschule des Rhein-Sieg-Kreises im Auftrag des Bundesdatenschutzbeauftragten versucht, das System zu knacken. Obwohl man der Fachhochschule hierfür sämtliche technischen Zugangsdaten überlassen hat, ist es ihr nicht gelungen. Das ist in meinen Augen doch ein Beleg für Datensicherheit! Noch einmal: Ziel von Elena ist der Bürokratieabbau und nicht der Aufbau eines Überwachungsstaates.
Zu der angeblichen Speicherung der Beschäftigungszeiten: Auch hier wird sich nichts Grundlegendes ändern. Die Beschäftigungszeiten werden weder dauerhaft gespeichert noch müssen sich genauer als bislang erhoben werden. Hintergrund für die verwirrende Berichterstattung zu den Arbeitszeiten ist die Reform der Unfallversicherung. Seit dieser Reform fällt die Betriebsprüfung der Belange der Unfallversicherung in die Zuständigkeit der Rentenversicherung. Dadurch war es möglich, die bislang bestehende Pflicht des pauschalen Lohnnachweises der Arbeitgeber an die Unfallversicherung ersatzlos zu streichen. Die unfallspezifischen Daten werden künftig im Rahmen der Jahresmeldung mit den Entgeltdaten an die Rentenversicherung geschickt. Diese leitet die Daten dann an die entsprechenden Unfallversicherungsträger weiter. Die Daten werden bei der Rentenversicherung jedoch nicht dauerhaft gespeichert. An den zu übermittelnden Daten selbst ändert sich nichts. Sowohl die alte Gesetzesformulierung als auch die neue spricht von der Übermittlung der „geleisteten Arbeitsstunden“. Die Angabe der Arbeitsstunden in der Jahresmeldung bedeutet weder rechtlich noch tatsächlich eine Änderung für den Arbeitgeber. Auch in der Praxis können die Arbeitsstunden wie bisher erfasst werden. Weder Stechuhren noch andere Kontrollgeräte sind erforderlich.
Hinsichtlich Ihrer Kritik an der Vorratsdatenspeicherung möchte ich Sie auf meine Antworten an Herrn Sparenborg vom 17.1.08 und an Herrn Kerkhoff vom 10.1.08 verweisen. Im Übrigen kann ich nur noch einmal betonten: Auch bei der Vorratsdatenspeicherung geht es nicht um den Aufbau eines Überwachungsstaates, sondern um die Bekämpfung schwerster Kriminalität. Im Rahmen seiner einstweiligen Anordnung zur Vorratsdatenspeicherung hat das Bundesverfassungsgericht die Speicherung der Telekommunikationsverbindungsdaten bei den Unternehmen nicht beanstandet. Auch die Verwendung der Daten zur Aufklärung schwerster Straftaten hat das Bundesverfassungsgericht für grundsätzlich zulässig erklärt. Ob die Verwendung der Daten zur Strafaufklärung noch weiter einschränkt werden muss, wird das Bundesverfassungsgericht im Hauptsacheverfahren entscheiden.
Ob und wie gegebenenfalls Mautdaten über ihren heutigen Zweck hinaus etwa bei schwersten Straftaten verwandt werden sollen, steht noch längst nicht fest. Hier sind wir mitten in der Diskussion.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Uwe Benneter, MdB