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Frage von Hans K. •

Frage an Klaus Uwe Benneter von Hans K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Benneter,

am 20.12.07 schrieben Sie in diesem Forum: "...Nur wenn ein konkreter Verdacht auf eine nicht unerhebliche Straftat aufgrund konkreter Tatsachen vorliegt und ein Richter dies gestattet, darf auf diese Daten seitens staatlicher Behörden zugegriffen werden...".

In einem am 24. 12. veröffentlichten Interview bei net-tribune sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar zum Thema Richtervorbehalt bzw. Transparenz der Bürger:
"...Auf sie dürfen auch viele andere Behörden zurückgreifen, also auch Nachrichtendienste, Ordnungsämter und die Steuerfahndung. Der Wahrheitsgehalt der Behauptung, die Informationen seien durchgängig von hohen Hürden geschützt, erscheint vor diesem Hintergrund zweifelhaft...."

In der online-FAZ vom 27.12.07 lese ich:
"...Das deutsche Gesetz erlaubt den Zugriff aber auch dann, wenn „eine Straftat mittels Telekommunikation begangen“ wurde. Das öffnet die Verwendung der Daten für weit weniger bedeutende Rechtsverletzungen wie etwa Urheberrechtsdelikte...".

Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie hier einem Gesetz unter dem Vorwand mich vor Terrorismus besser zu schützen zugestimmt haben, dass nun aber zur Durchsetzung anderer wie auch wirtschaftlicher Interessen (Musik-, Filmindustrie) verwendet werden soll?

Gehe ich recht in der Annahme, dass diese bereits im Vorfeld in der Tagespresse nachzulesenden Befürchtungen Ihnen bekannt waren und Sie dennoch für das Gesetz gestimmt haben?

Freundliche Grüße
Hans G. Kerkhoff

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Sehr geehrter Herr Kerkhoff,

falls Herr Schaar hat in einem Interview in der net-tribune erklärt haben sollte, Nachrichtendienste, Ordnungsämter und Steuerfahndung könnten auf die IP-Adressen zugreifen, hat das nichts mit der eingeführten Vorratsdatenspeicherung zu tun. Denn in diesem Zusammenhang haben wir beschlossen, dass auf die Verkehrsdaten nur unter den in § 113 b Telekommunikationsgesetz (TKG) genannten Voraussetzungen zugegriffen werden darf. Erforderlich ist hiernach die Notwendigkeit der Daten zur Verfolgung von Straftaten, zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste. Außerdem bestimmt § 113 b TKG, dass die Behörden diesen Zugriff nur unter Bezugnahme auf § 113 a TKG erhalten dürfen. Das bedeutet, dass § 113 a TKG in den Normen, die den entsprechenden Behörden den Zugriff auf die Verkehrsdaten erlauben, ausdrücklich genannt werden muss. Die einzigen Behörden, die seit Einführung der Vorratsdatenspeicherung den gesetzlich erlaubten Zugriff auf die nach § 113 a TKG gespeicherten Daten erhalten haben, sind die Strafverfolgungsbehörden in § 100 g Strafprozessordnung (StPO).

Es ist richtig, dass § 100 g StPO den Zugriff auf die gespeicherten Verkehrsdaten auch dann erlaubt, wenn es sich um mittels Telekommunikation begangene Straftaten handelt. Dies war aber schon vor der Einführung der Vorratsdatenspeicherung geltende Rechtslage. Der einzige Unterschied ist der, dass im alten § 100 g StPO von „mittels einer Endeinrichtung“ begangenen Straftaten gesprochen wurde. Diese Formulierung meinte dasselbe, war aber missverständlich, weshalb wir sie nun geändert haben. § 100 g StPO soll die strafrechtliche Verfolgung von Fällen ermöglichen, bei denen zur Erforschung des Sachverhalts keine weniger eingriffsintensiven Maßnahmen als die Erhebung der Verkehrsdaten zur Verfügung stehen. Häufig stammen diese Fälle aus dem Bereich des Stalkings. So kommt es bei einer telefonisch geäußerten Bedrohung häufig vor, dass es außer der Zeit des Anrufs keine weiteren Ermittlungsansätze gibt. Deshalb muss bei der Verfolgung von den mittels Telekommunikation begangenen Straftaten auf das Erfordernis der Erheblichkeit der Straftat verzichtet werden. Das bedeutet aber nicht, dass damit zwangsläufig der Verfolgung jeglicher Bagatelldelikte oder auch sämtlicher Urheberrechtsdelikte Tür und Tor geöffnet sind. Um genau diese Ausuferung zu verhindern, haben wir eine strenge Subsidiaritätsklausel in den neuen § 100 g StPO eingeführt. Im Gegensatz zur alten gesetzlichen Regelung dürfen die Verkehrsdaten zur Ermittlung mittels Telekommunikation begangener Straftaten nur dann herangezogen werden, wenn andere Ermittlungsmaßnahmen fehlen oder nicht erfolgversprechend sind. Außerdem muss die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. Auch diese Einschränkung hat es im alten § 100 g StPO nicht gegeben und bedeutet einen verbesserten Schutz der Grundrechtsträger.

Die von Ihnen genannten Zitate zeigen, dass die Art und Weise, wie das Thema in der Öffentlichkeit diskutiert ist, bedauerlicherweise zu vielen unnötigen Missverständnissen führt.

Um es im Übrigen noch einmal ganz deutlich zu machen: Die Vorratsdatenspeicherung dient nicht nur der Terrorismusbekämpfung, sondern der Strafverfolgung insgesamt. So steht es im Gesetz, nämlich § 113 a TKG. Und so haben wir ihre Einführung auch begründet. Der Vorwurf, wir hätten für die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung einen Vorwand zur Verfolgung anderer Straftaten gebraucht, ist deshalb völlig unberechtigt.

Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Vorratsdatenspeicherung in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift und dass es bei den Telekommunikationsverbindungsdaten um personenbezogene und somit äußerst sensibel zu behandelnde Daten geht. In meiner Verantwortung als Abgeordneter des deutschen Volkes hatte ich jedoch abzuwägen. In einer Demokratie soll und muss der Staat in der Lage sein, seine Staatsbürger so gut es irgend geht, vor schweren Straftaten und terroristischen Angriffen zu schützen. Wenn dies nicht gewährleistet ist, droht eine Privatisierung der öffentlichen Sicherheit mit verheerenden Folgen für das staatliche Gewaltmonopol. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zur Vorratsdatenspeicherung haben uns verschiedene Sachverständige bestätigt, dass die Verbindungsdaten wegen der Verwendung moderner Kommunikationstechnologien eine große Rolle bei der Ermittlung und Aufklärung von schweren Straftaten spielen. Auch das anerkannte Max-Planck-Institut hat in einer kürzlich erschienenen Studie bestätigt, dass diese Telekommunikations-Verbindungsdaten oftmals den einzig sinnvollen Ansatz darstellen, um strafrechtliche Ermittlungen sinnvoll und zielgerichtet betreiben. Strafrecht ist auch Bürgerschutzrecht und damit eine wichtige Aufgabe staatlicher Gewalt, der wir uns nicht einfach entziehen können. Die Strafrechtsbehörden sind bei ihren Ermittlungen gehalten, die Wahrheit zu ermitteln. Hierfür ist es erforderlich, ihnen die notwendigen Befugnisse zu geben. Deshalb haben wir die Vorratsdatenspeicherung eingeführt.

Letztlich gab es auch keine Alternative zur Vorratsdatenspeicherung. Denn wir waren verpflichtet, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG) in deutsches Recht umzusetzen. Der Verabschiedung der EU-Richtlinie gingen lange, zähe Verhandlungen auf europäischer Ebene voraus, in deren Verlauf es Deutschland gegen den Widerstand vieler anderer Mitgliedstaaten gelungen ist, möglichst grundrechtsschonende Regelungen zu vereinbaren. So wurde die Mindestspeicherdauer auf 6 Monate (Statt der ursprünglich auf EU-Ebene diskutierten 36 Monate) beschränkt. Auch bei der Frage, welche Daten gespeichert werden, hat sich Deutschland mit seiner restriktiven Linie durchgesetzt. So wurde verhindert, dass Angaben über aufgerufene Internetseiten gespeichert werden müssen. Ebenso hat die Bundesregierung erfolgreich verhindert, dass Verkehrsdaten bei erfolglosen Anrufen stets gespeichert werden müssen. Gleiches gilt für die von vielen EU-Mitgliedstaaten geforderte umfassende Speicherpflicht von Standortdaten bei der Mobilfunktelefonie, um bei längeren Telefonaten mit Ortswechseln Bewegungsbilder von Mobiltelefonierenden erstellen zu können. Bundesjustizministerin Zypries hat dagegen durch intensive Verhandlungen erreicht, dass nur das Standortdatum bei Beginn des Mobiltelefonats gespeichert werden muss.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Uwe Benneter, MdB