Frage an Klaus Uwe Benneter von Dr. Rainer H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Benneter,
der Gesetzentwurf über die geplante Einführung der Vorratsdatenspeicherung aller Telefon- und Internetverbindungen wurde in der Anhörung des Bundestages am vergangenen Freitag in großer Mehrheit von den Sachverständigen als verfassungswidrig und wirtschaftlich kostenintensiv abgelehnt.
Insbesondere stellt er die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik unter Generalverdacht. Diese Umkehrung der Unschuldsvermutung ist mit meinem Rechtsverständnis und wohl auch mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar.
Im einzelnen wurde in der Anhörung festgestellt:
1. Die dem Gesetz zugrunde liegende Europäischen Richtlinie ist evtl. rechtwidrig zustande gekommen. Eine Klage Irlands liegt vor.
2. Die Vorratsdatenspeicherung ist unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Sie verstößt gegen das national durch Art. 10 GG sowie europarechtlich durch Art. 8 EMRK geschützte Fernmeldegeheimnis und gegen das Verbot der Speicherung "nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken" (BVerfGE 65, 1, 47).
3. Ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch eröffnet beliebige Mißbrauchsmöglichkeiten.
4. Die technische Einführung der Vorratsdatenspeicherung kostet die Unternehmen und letzlich den Verbraucher jährlich 2-stellige Millionenbeträge ( Schätzung Bitcom).
Als Mitarbeiter in einem deutschen Telekommunikationsunternehmen befürchte ich auch, dass evtl. mein Arbeitsplatz durch diese staatlich erzwungenen Mehrkosten gefährdet wird. Die breite Ablehnung des Gesetzes wurde Ihnen auch am 22.9. von 15.000 Teilnehmern auf einer Demonstration gegen den zunehmenden Überwachungswahn dargelegt.
Ich möchte anfragen, ob Sie dem geplanten Gesetzentwurf ihre Zustimmung verweigern?
In jedem Fall sollte keine Entscheidung über das Gesetz erfolgen bevor der Europäische Gerichtshof die Klage Irlands über die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Europäischen Richtlinie beurteilt hat.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Hammerschmidt
Sehr geehrte Herr Hammerschmidt,
die beabsichtigte Vorratsdatenspeicherung ist unbestritten ein Novum im Umgang mit den Telekommunikationsdaten und wirft viele Fragen auf. Nicht umsonst wird das Thema im Bundestag schon seit langem sehr kontrovers diskutiert.
Gerade im Zuge der aktuellen Sicherheitsdebatte liegt mir die Wahrung unserer Freiheitsrechte besonders am Herzen. Ich habe mich deshalb bei der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung intensiv mit der Kritik der Datenschützer und den verfassungsrechtlichen Bedenken auseinandergesetzt.
In Ihrer E-Mail geben Sie einige der Bedenken, die im Rahmen der öffentlichen Anhörung geäußert wurden, zutreffend wieder. Ich möchte sie dennoch nicht unkommentiert stehen lassen.
1. Deutschland ist - zumindest was die Telekommunikationsbranche betrifft - mit der Umsetzung der Richtlinie in Verzug. Daran ändert auch die Klage Irlands nichts, da sie keine aufschiebende Wirkung hat. Selbstverständlich ist das erst einmal nur die juristische Betrachtungsweise. Diese hat aber durchaus politische Bedeutung. Denn man muss sich darüber im Klaren sein, dass Europa ohne die Einhaltung gemeinsamer Verbindlichkeiten nicht funktionieren kann. Deshalb sehe auch ich mich in der Umsetzungspflicht.
2. Zwar ist richtig, dass eine anlasslose Datensammlung zu nicht bestimmbaren Zwecken verfassungswidrig ist. Hier erfolgt die Vorratsdatenspeicherung jedoch zu einem definierten Zweck. In seiner Entscheidung zur Düsseldorfer Rasterfahndung hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal deutlich gemacht, dass die hinreichende Zweckbestimmung bei entsprechender Gefahrenlage nicht erfordert, die betroffene Person oder Straftat zum Zeitpunkt der Speicherung genau benennen zu können. Deshalb gehen wir bisher davon aus, dass die jetzt gefundene Regelung unter Berücksichtigung der Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung verfassungsmäßig ist.
3. Der Gesetzentwurf sieht keinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch vor. Er wurde von den Ländern zwar ergänzend gefordert, die Bundesregierung steht dem angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffes jedoch ablehnend gegenüber.
4. Angesichts der zu erwartenden hohen finanziellen Belastung der Telekommunikationsunternehmen und der Internetverbände wird auf ministerieller Ebene derzeit ein Gesetzentwurf ausgearbeitet, der entsprechende Entschädigungsregelungen vorsieht. Erst vor wenigen Wochen haben wir uns mit Vertretern der Ministerien und der Telekommunikations- sowie Internetbranche getroffen, um eine befriedigende Lösung zu finden.
Nichts desto frage ich mich auch, ob die Vorratsdatenspeicherung zur Verbrechensbekämpfung tatsächlich erforderlich ist.
Jetzt steht aber erst einmal die Auswertung der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf an. Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns dabei noch einmal intensiv mit allen, auch Ihren, Bedenken auseinandersetzen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Uwe Benneter, MdB