Frage an Klaus Uwe Benneter von Michael H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Benneter,
wie ist Ihre Position zur Privatisierung der Bahn? Angesichts fehlgeschlagener Privatisierungen der Bahn in mehreren Ländern, bezweifel ich, dass die BRD solche Fehlschläge wiederholen muss.
MIt freundlichen GRüssen,
Michael Hoenisch
Sehr geehrter Herr Hoenisch,
herzlichen Dank für Ihre Frage bezüglich der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG. Die Koalition hat 2005 vereinbart, die Bahn für die Zukunft fit zu machen und dazu auch private Partner zu gewinnen. Hierfür haben die Koalitionsfraktionen im vergangenen Herbst Eckpunkte beschlossen und die Bundesregierung beauftragt, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Die Bundesregierung hat nun einen ressortabgestimmten Entwurf vorgelegt, welcher am 24. Juli 2007 vom Kabinett beschlossen wurde.
Was hat die Koalitionspartner veranlasst, dieses Projekt in den Koalitionsvertrag aufzunehmen? Es sind dieselben Motive, von denen wir uns schon 1993, bei der ersten Stufe der Bahnreform, leiten ließen. Die damalige Situation war gekennzeichnet durch stetig sinkende Marktanteile und einen extremen Investitionsrückstand bei gleichzeitiger hoher Verschuldung. Schließlich entschied man sich für eine formelle Privatisierung als neu gegründete Deutsche Bahn AG, um so staatliche Verantwortung mit den Vorteilen privatrechtlicher Betriebsorganisation zu kombinieren. Nach fast 15 Jahren können wir eine insgesamt positive Bilanz ziehen. Aus einer unbeweglichen Staatsbahn mit einem riesigen Schuldenberg ist ein modernes Unternehmen geworden: Wir verzeichnen einen Anstieg der Verkehrsleistungen im Güter- und Personenverkehr sowie eine Steigerung von Konzernumsatz, Produktivität und betrieblichem Ergebnis bei der DB AG.
Gemessen an den Herausforderungen der früher 90er Jahre könnten wir uns mit dem Erreichten vielleicht zufrieden geben. Wir wollen und müssen die Schiene jedoch noch attraktiver gegenüber der Straße machen, um den immens wachsenden Güterverkehr in Deutschland und Europa zu bewältigen - nicht zuletzt aus ökologischen Gründen. Dazu bedarf es hoher Investitionen in die Infrastruktur. Hinzu kommt die europäische Marktöffnung für den Güterverkehr seit Beginn dieses Jahres und für den internationalen Personenverkehr ab dem Jahr 2010. Das sorgt für zusätzlichen Wettbewerb und eröffnet unseren deutschen Bahnunternehmen neue Chancen in Europa.
Wir wollen die Bahn für eine Teilkapitalprivatisierung (49% des Aktienkapitals) öffnen und damit starke private Partner für dieses Projekt gewinnen. Die erste und wichtigste Anforderung bildet dabei das Grundgesetz: Es schreibt vor, dass die Mehrheit der Anteile der Deutsche Bahn AG (DB AG) beim Bund bleibt. Und das Parlament hat dies noch einmal präzisiert: Die Schieneninfrastruktur soll nicht privatisiert werden. Juristischer Eigentümer wird der Bund. Die Bahn darf die Schieneninfrastruktur aber bewirtschaften. Das soll für 15 Jahre gelten. Fällt der Bundestag dann keine Entscheidung für eine Verlängerung dieses Modells, fällt auch das wirtschaftliche Eigentum wieder an den Bund. Die Stellung von Bundestag, Bundesregierung und Bundesnetzagentur gegenüber der DB AG werden somit durch die Bahnreform nicht geschwächt, sondern deutlich gestärkt. Der Bundestag beschließt auch künftig über Neu- und Ausbaumaßnahmen. Der Bund bleibt mit 51 Prozent Mehrheitseigentümer der DB AG, die Qualitätsvorgaben, Sanktions- und Kontrollregularien zur Durchsetzung seiner Infrastrukturverantwortung werden in einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung detailliert vertraglich geregelt. Die gestärkte Bundesnetzagentur sorgt für einen fairen Wettbewerb auf der Schiene. Hiermit stellen wir sicher, dass die Investition in die Schienen-Infrastruktur nicht auf rentable Fernstrecken reduziert und der Verkehr in der Fläche vernachlässigt wird.
Soweit zu dem bisherigen Entwurf. In diesem Entwurf sind auch kritisch zu sehende Punkte enthalten, die wir in unserer Fraktion noch ausführlich zu besprechen haben. Zum einen muss sichergestellt werden, dass der Bund die Schieneninfrastruktur nach Ablauf des nun vorgesehenen 15-jährigen Bewirtschaftungszeitraums durch die Deutsche Bahn AG nicht teuer zurückkaufen muss. Hier ist genau zu klären, wer wirtschaftlicher und wer juristischer Eigentümer des Netzes wird und was dies im Einzelnen für den Bund bedeutet. Des Weiteren müssen die Bedenken der Bundesländer umfassend berücksichtigt werden, die eine stärkere finanzielle Belastung ihrer Haushalte befürchten, wenn sie durch eigene Investitionen eine mögliche Ausdünnung des Flächenangebotes vermeiden wollen. Schließlich sollten wir den Vorschlag meines Fraktionskollegen Hermann Scheer eingehend diskutieren, der anstelle des Einstiegs eines strategischen Partners die Auflegung einer Volksaktie vorschlägt.
Ich hoffe, Sie ansonsten mit meinen Ausführungen ein Stück weit von der Zweckmäßigkeit der Teilprivatisierung überzeugt haben zu können. Fakt ist, dass der Kabinettsentwurf natürlich auch ein Kompromiss zwischen den zum Teil gegensätzlichen Positionen der beiden großen Bundestagsfraktionen ist. Im Ergebnis ist jedoch festzuhalten, dass die SPD viele ihrer Forderungen hat durchsetzen können. Fakt ist somit auch: Wir geben unseren Einfluss auf diesen wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge nicht aus der Hand, sondern schaffen eine gesunde und zukunftsfeste Mischung aus freiem Wettbewerb und staatlicher Kontrollfunktion. Sowohl im Sinne der Steuerzahler als auch im Interesse der Verbraucher.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Uwe Benneter, MdB