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Klaus Uwe Benneter
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Frage von Jochen H. •

Frage an Klaus Uwe Benneter von Jochen H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Benneter (aus meinem Wahlkreis Berlin Steglitz-Zehlendorf!) , mit höchster Verwunderung habe ich soeben erfahren, dass Sie der Abstimmung wg. Kinderpornografie(aus meiner Sicht Einstieg in die Interneteznsur) zugestimmt haben.

Haben/hatten Sie überhaupt keine Bedenken?

Die Erläuterngen Ihres Kollegen Dörmann halte ich wirlich - entschuldigen Sie meine Worte - nicht nur für vollkommen lächerlich, sondern für eine üble Täuschung der Wähler.

Für mich war bisher selbstverständlich, dass bei einer Sperre nicht nur zeitnah sondern hic et nunc eine rechtlich einwandfreie Prüfung erfolgt – dass der Bürger ein RECHT auf eine umgehende Prüfung hat. Soll das also heißen, dass eine Internetseite drei Monate aus dem Netz entfernt sein kann und man nur die Möglichkeit hat – Zitat: "Schließlich steht jedem Betroffenen, der sich in seinen Rechten verletzt sieht, der Verwaltungsgerichtsweg offen." die schon heute (nicht zuletzt durch Hartz IV) völlig überlasteten Verwaltungsgerichte anzurufen?

Richter am Verwaltungsgericht sollen entscheiden, ob es sich um Pornografie handelt?

Das Kontrollgremium soll aus 5 Personen bestehen, wo noch überhaupt nicht absehbar ist, wie viele (tausend) Seiten zu prüfen sind. Wie ist hier Vorkehrung getroffen, dass diese Arbeit überhaupt zu bewältigen ist?

Sehen Sie diese aus meiner Sicht vollommen absurden Ausführungen ebenso als "Verbesserungen" an?

Herr Benneter, Sie und Ihre Kollege Dörmann sind Rechtsanwälte, also Volljuristen, demnach können solche Äußerungen ja nicht fahrlässig abgegeben werden.

Wie stehen Sie als Sozialdemokrat UND Rechtsanwalt - vielleicht einfach auch nur als Mensch - zu dem wirlich beschämenden Verhalten gegenüber Ihrem Kollegen?

Der Rheinische Merkur berichtete, Herr Tauss sein von den Kollegen wie ein "Parias" behandelt worden, genau das war mein Eindruck bei der Übertragung der Debatte!

Als Bürger steht mir auch der Rechtsweg zum BVerG offen, na und?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hosemann,

vielen Dank für Ihre Frage vom 23. Juni 2009.

Wir haben jetzt ein Spezialgesetz mit dem sperrigen Namen „Zugangserschwerungsgesetz“ verabschiedet. Spezialgesetz deshalb, um eindeutig klarzustellen, dass nur Internet-Seiten mit Kinderpornografie mit diesem bis Ende 2012 befristeten Gesetz gesperrt werden können. Es war schon kurios: Die Internet-Gemeinde einerseits fürchtete um die Freiheit dieses neuen Mediums und die Familienministerin von der Leyen behauptete populistisch andererseits, allein sie wolle die widerliche Kinderpornografie im Internet bekämpfen.
Jetzt hat sich die SPD-Bundestagsfraktion auf der Basis der Vorgaben des SPD-Parteivorstandes mit ihren Kernforderungen durchgesetzt. Es wird keine neue Zensur geschaffen. Das Internet als Raum der Kommunikation, der Diskussion, des Wissens und der Information bleibt frei. Und dennoch wird der Versuch unternommen, Kinderpornografie-Seiten vom Internet zu nehmen.
Alle wollen einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. In unserem Strafgesetz haben wir dazu schon alles Mögliche unter Strafe gestellt. Zudem hat die SPD-Bundestagsfraktion mit ihrem 10-Punkte-Plan dazu ein umfassendes Konzept vorgelegt.
Wir haben folgende Situation: Trotz internationaler Anstrengungen nimmt die Kinderpornografie im Internet zu. Der abscheuliche Handel mit kinderpornografischem Material hat sich zu einem Wirtschaftszweig entwickelt, in dem man eine Menge Geld verdienen kann. Deshalb ist der Kampf gegen die Kinderpornografie im Internet ein wichtiges Thema, deshalb mussten wir in Deutschland einen Weg finden. Denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum.
Mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen haben wir es uns nicht leicht gemacht. Auch ich habe meine Bedenken in einer schriftlichen Begleiterklärung zur Abstimmung öffentlich gemacht. Aber andere Länder haben es uns vorgemacht. In Norwegen zum Beispiel werden seit 2004 täglich rund 18.000 Zugriffe auf 8000 gesperrte Seiten abgewehrt.
In Deutschland gibt es mit dem sog. „Zugangserschwerungsgesetz“ künftig ein Spezial-gesetz nur für Seiten mit kinderpornografischen Inhalten und keine Änderung des Telemediengesetzes, das grundsätzlich für alle Internetseiten gilt. Damit sind Frau von der Leyen und die Union mit ihrem Vorhaben gescheitert, die Sperren einzig auf vertraglicher Grundlage mit den Providern zu vereinbaren. In solchen nichtöffentlichen Verträgen hätte man problemlos weitere Seiten aufnehmen können. Für uns war immer klar, dass mit dem Gesetz nicht die Vorraussetzungen dafür geschaffen werden dürfen, später auch andere Internetseiten wie zum Beispiel Computerspiele oder Glücksspiele zu sperren. Wir kämpfen auf internationaler Ebene gegen die Zensur des Internets und wollen sie auch nicht in Deutschland! Der dann gefertigte Gesetzentwurf aus dem Hause von der Leyen war für uns, die SPD, nicht akzeptabel. Wir wollten eine Reihe von Änderungen und haben uns mit unseren Forderungen durchgesetzt. Ich hoffe, damit viele Ihrer Bedenken ausräumen zu können.
Wir haben das Subsidiaritätsprinzip im Gesetz verankert. Der Grundsatz ist nun: „Löschen vor Sperren“. Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, wenn nachweislich Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internetseiten abzielen, keinen Erfolg haben. Bereits nach heutiger Rechtslage können Kinderpornografie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internetprovidern selbstverständlich heruntergenommen werden. Ein solcher direkter Zugriff ist aber im Ausland nicht möglich. Nur deshalb stellt sich die Frage nach den Zugangssperren.
Das Gesetz schafft auch keine geheime, zentral gesteuerte Zensur. Die Liste der gesperrten Seiten wird in Zukunft regelmäßig von einem unabhängigen Gremium, das beim Bundes-datenschutzbeauftragten angesiedelt ist, kontrolliert. Zu den Aufgaben des Bundesdatenschutzbeauftragten gehört u.a. die Kontrolle und Beratung von Behörden des Bundes sowie der Einsatz für die Beachtung des Datenschutzes und der Informationsfreiheit. Genau darum geht es hier.
Das Expertengremium kann jederzeit die Liste einsehen und hat mindestens quartalsweise eine relevante Anzahl von Stichproben zu nehmen, ob einzelne Seiten zu Recht auf der Liste stehen. Bei entsprechenden Hinweisen und Anhaltspunkten kann und soll das Gremium aber jederzeit reagieren.
Eine unkontrollierte Sperrung und eine geheime Sperrung bei einer Polizeibehörde werden dadurch verhindert. Gegen die Aufnahme in die Sperrliste steht den Betroffenen zudem der Rechtsweg offen. Die Verwaltungsrichterinnen und –Richter entscheiden schon heute über eine Vielzahl von unterschiedlichsten Fällen. Ich sehe keinen Grund, warum es nicht möglich ist, auch gesperrte Seien auf ihren kinderpornografischen Inhalt hin zu prüfen. Ministerin von der Leyen wollte mit den Providerverträgen ohne gesetzliche Grundlage eine Kontrolle ohne Grundrechtsschutz- das haben wir verhindert.
Es wird auch keine Speicherung zum Zweck der Strafverfolgung geben. Niemand muss also Angst haben, wenn er oder sie aus Versehen auf eine kinderpornografische Seite kommt oder aus Versehen gesperrte Seiten aufruft. Damit wird auch ausgeschlossen, dass durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer und Nutzerinnen plötzlich mit einem Ermittlungsverfahren konfrontiert sein können.
Wir haben außerdem durchgesetzt, dass das Gesetz befristet ist und evaluiert wird. Am 31. Dezember 2012 tritt das Gesetz automatisch außer Kraft, wenn die Auswertung der Evaluation nicht eindeutig ergibt, dass es sich wirklich bewährt hat.
Dass wir uns als SPD so weitgehend mit unseren Forderungen durchsetzen konnten, ist ganz klar auch ein Erfolg der Netz-Community. Deren massive Kritik hat viel dazu beigetragen, dass auch die CDU/CSU einsehen musste, mit vielen geplanten Regelungen auf dem Holzweg zu sein.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Uwe Benneter, MdB