Frage an Klaus Ernst von Anna S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Ernst,
Wer am Aktienmarkt investiert, hat häufig seine kurzfristige Rendite als Motivation. Doch eine Aktie ist ihrem Wesen nach eine Investition in die Zukunft – also etwas Langfristiges. Wäre nicht, um dem Rechnung zu tragen, eine Mindesthaltedauer von Aktien von einem ganzen oder halben Jahr eine Überlegung wert? So könnten möglicherweise auch Spekulanten in ihre Schranken gewiesen werden.
Wie stehen Sie zu diesem Gedanken?
Was ist Ihr Vorschlag für ein generationengerechtes, dem Menschen dienendes Finanzwesen?
Vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen,
A. S.
Sehr geehrte Frau S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Ja, ich bin sehr Ihrer Meinung, dass wir ein Finanzwesen brauchen, das dem Menschen dient und eine nachhaltige Wirtschaft fördert.
Ihr Vorschlag lautet eine ‚Mindesthaltedauer für Aktien‘ einzuführen. Das klingt nach einer einfachen und verlockenden Regelung. Allerdings denke ich, dass ein solcher Ansatz grundlegend der Funktionsweise der Aktienmärkte widerspricht. Auf dem Aktienmarkt werden ja Wertpapiere täglich, stündlich, minütlich oder gar noch schneller gehandelt. Dies wird unterstützt durch Computersoftware, die von nur kleinen Preisunterschieden zu profitieren versucht. Geschäftsaussichten der Unternehmen werden also ständig neu bewertet und das soll sich dann in den Preisen widerspiegeln. Die geplante Finanztransaktionssteuer verfolgt ja in der Wirkung einen ähnlichen Ansatz. Wenn beim Kauf eines Wertpapiers nur eine kleine Steuer anfallen würde, dann kann das auch den Handel entschleunigen und Haltedauern verlängern. Wir sehen aber auch, dass die Einführung dieser sinnvollen Regel weiter auf sich warten lässt, weil es aus der Finanzindustrie viel Widerstand gibt.
Aus diesem Grund wollen wir die Dominanz der Finanzwirtschaft auf mehreren Wegen zurückdrängen.
Erstens, wollen wir die Multi-Millionäre und Milliardäre stärker besteuern, sodass die Superreichen nicht mit ihren überflüssigen Millionen an der Börse Kasino spielen. Und zweitens ist es natürlich wichtig, dass wir den Finanzmarkt wieder regulieren. In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Finanzmarkt stark dereguliert. Das wollen wir zurücknehmen und haben auch konkrete Punkte im Kapitel „Die Macht der Banken und Finanzmärkte brechen“ unseres Wahlprogramms (https://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogramm-2021/) stehen:
Wir wollen einen „Finanz-TÜV einführen: In Zukunft sollen nur noch solche Finanztransaktionen und -instrumente erlaubt sein, die auch einen gesamtwirtschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Nutzen stiften. Statt wie bisher alle Finanzpraktiken zuzulassen, die nicht ausdrücklich verboten sind, müssen Finanzinstrumente in Zukunft eine ausdrückliche Zulassung durch einen »Finanz-TÜV« erhalten, bevor sie in Umlauf gebracht werden dürfen.“
Ebenso wollen wir die „Finanzaufsicht reformieren, finanziellen Verbraucherschutz stärken: Jede Geld- und Vermögensanlage sowie jedes Kreditgeschäft muss erfasst und durch ein laufendes materielles Prüfungsrecht (Produktaufsicht) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterstellt werden. Die BaFin muss durch mehr Personal mit Wirtschaftsprüferexamen zu einer eigenständigen Bilanzkontrolle befähigt werden.“
In diesem Sinne denke ich, dass meine Partei diese und weitere sehr gute Vorschläge hat, wie wir ein dem Menschen dienendes Finanzwesen schaffen können.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Ernst