Frage an Klaus Ernst von Jörg L. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Ernst,
leider immer mehr Niedriglöhne und Praktikantenstellen, gerade in den großen Unternehmen die Milliarden Gewinne erwirtschaften. Die Shareholder bestimmen hier momentan offenbar einseitig.
Wie stellt die Politik sich in Deutschland aktuell und in den kommenden Jahren sich die Teilhabe sowie die demokratische Mitbestimmung im Arbeitsleben vor ?
Brauchen wir nicht endlich vom Gesetzgeber eine bessere Sicherstellung der Demorkatieformel:
Teilhabe + Mitbestimmung = Demokratie ?
Für Ihr Fedback besten Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg L. aus München
Sehr geehrter Herr Lindeholz,
Herr Ernst hat mich gebeten, Ihre Anfrage zu beantworten.
Unternehmensvertreter äußern häufig, dass Betriebe nun mal keine soziale Veranstaltung seien. Die meisten Menschen sehen das anders. In Umfragen verlangt eine deutliche Mehrheit, dass Unternehmen auch den Belegschaften und dem Gemeinwohl verpflichtet sein sollten. Die Realität sieht häufig anders aus. Auch DIE LINKE ist der Auffassung, dass Unternehmen nicht Privatsache der Eigentümer sind. Die Beschäftigten haben das Recht auf Mitbestimmung, denn sie schaffen erst mit ihrer Arbeit die Grundlage für den Gewinn. Eine Wirtschaft und in ihr die Unternehmen können auch nicht nur das Profitstreben weniger Personen in der Gesellschaft erfüllen. In dem sozialen und ökonomischen Zusammenspiel wird vielmehr die materielle Existenz der Gesellschaft gesichert. Unmittelbar betroffen von unternehmerischen Entscheidungen sind dabei die Beschäftigten. Genau deshalb müssen sie und ihre Gewerkschaften gleichberechtigt an der Gestaltung der sozialen, ökonomischen Bedingungen im Unternehmen beteiligt werden. Der Ausbau der Mitbestimmung ist zugleich ein wichtiger Schritt für mehr Demokratie in der Wirtschaft und gesellschaftliche Teilhabe.
Neben diesen Schwierigkeiten in den Betrieben hat sich gerade die Arbeit der Betriebsräte durch äußere Umstände stetig verschlechtert. Besonders die seit zwei Jahrzehnten steigende Zahl an prekären und a-typischen Arbeitsplätzen (Minijobs, Leiharbeit, befristet Beschäftigung) spaltet in einem Betrieb oft in Kern- und Randbelegschaften. Eine gemeinsam Organisation und Positionierung wird so in vielen Fällen gar nicht mehr möglich. Darüber hinaus gibt es in kleinen und mittleren Unternehmen oder den meisten Discounterketten keine Betriebsräte. Die rechtlich zulässige Organisation und Wahl von Betriebsräten wird hier oft durch Einschüchterungen und den Druck der Unternehmensführung wirkungsvoll verhindert.
In Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ist die Mitbestimmung über Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat des Unternehmens organisiert. Allerdings können auch hier die Beschäftigten nicht gleichberechtigt mitentscheiden. Allein das unterschiedlich gewichtet Stimmenverhältnis im Aufsichtsrat sorgt dafür, dass die Arbeitnehmervertreter jederzeit überstimmt werden können. Unter dem Druck der Vorgaben von Banken und Finanzinvestoren zählt nämlich einzig der schnelle und möglichst hohe Profit. Nur in schwierigen Zeiten wird die Belegschaft gefragt. Wenn nämlich über Lohnsenkungen, die Kürzung von übertariflichen betrieblichen Leistungen und den Anstieg der Arbeitszeit das Unternehmen vor dem Bankrott „gerettet“ werden soll.
Die Fraktion DIE LINKE fordert deshalb u.a. die Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung. Betriebsräte müssen das Recht erhalten, in wirtschaftlichen Fragen im Unternehmen effektiv mitzubestimmen. Die Schaffung prekärer Beschäftigungsverhältnisse ist in jedem Fall von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig zu machen. Die Gründung von Betriebsräten in kleinen und mittelständischen Unternehmen wie in Filialbetrieben ist gesetzlich zu erleichtern. Mitbestimmungsfreie Zonen darf es nicht mehr geben. Zugleich fordern wir eine Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung: Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten im Aufsichtsrat müssen bei allen wichtigen Entscheidungen gleichberechtigt mitentscheiden können. Insbesondere bei Verlagerungen und Übernahmen, dem Verkauf von Betrieben oder Betriebsteilen, Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen und Aktienrückkäufe muss eine Zustimmung zur Pflicht werden. Darüber hinaus sind im Vorfeld weitreichender Entscheidungen für das Unternehmen alle Informationen den Belegschaften vorzulegen und es ist in der gesamten Belegschaft darüber abzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Michael Stamm