Frage an Klaus Ernst von Barbara S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Hallo Kollege Ernst,
warum dürfen Schwerbehinderte, obwohl sie 45 "Einzahljahre" in die Rentenversicherung
nachweisen können, nicht wie bei Altersrente mit 65 Jahren ohne "Nachschlag" in die Rente gehen?
Geboren wurde ich in 3/56 wg. der Kurzschuljahre kam ich mit 15 Jahren aus der Realschule und ab 8/71 in die Lehre. Ab 9/16 habe ich die 45 Beschäftigungsjahre voll. Da ich unbefristet schwerbehindert bin (50%), ist nach heutigem Stand der 1.2.17 mein erster Tag in der Rente. (60 Jahre und 10 Monate) mit 10,8% Kürzung.
Bei gleichem Recht für alle, müsste es doch so sein, dass ich ab 9/16 aufgrund der SB ohne Abschläge (da 45 Jahre voll) in die Altersrente für Schwerbeschädigte gehen können muss.???
Kannst du mir vermitteln,warum das so ist????
Mit kollegialen Grüßen
Barbara Seiwerth
Liebe Kollegin Seiwerth,
Klaus Ernst hat mich gebeten, Ihre Frage zu beantworten.
Mit dem so genannten RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz, welches größtenteils zum 1.1.2008 in Kraft getreten ist, hat die Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD beschlossen, dass bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen ebenfalls eine Anhebung der Altersgrenze um zwei Jahre erfolgt. Die bislang geltende Altersgrenze von 63 Jahren für eine abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen wird auf das 65. Lebensjahr angehoben. Auch die Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente wird vom 60. Lebensjahr auf das 62. Lebensjahr angehoben.
Für Versicherte der Geburtsjahrgänge 1952 bis 1963 gilt eine Übergangsregelung. Beginnend mit dem Jahrgang 1952 wird danach die Altersgrenze stufenweise von 63 Jahren auf 65 Jahre für den abschlagsfreien Rentenbezug und stufenweise von 60 Jahren auf 62 Jahre für die vorzeitige Inanspruchnahme angehoben. Da Sie im März 1956 geboren sind, könnten Sie abschlagsfrei mit 63 Jahren und 10 Monaten in Rente gehen, bzw. mit Abschlägen im Alter von 60 Jahren und 10 Monaten, wie Sie richtig schreiben. Sie können ohne Abschläge also deutlich früher in Rente gehen als bei einer „normalen“ Altersrente.
Da wie gesagt, bei allen Rentenarten die Altersgrenzen um 2 Jahre angehoben wurden, gilt dies entsprechend auch für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Wer früher in Rente gehen will, muss Abschläge hinnehmen. Dies ist seit 1997 so geregelt. Mit der Anhebung der Regelaltersgrenze auf das 67. Lebensjahr wird eine neue Rentenart, die "Altersrente für besonders langjährig Versicherte", eingeführt: Wer 45 Beitragsjahre voll hat UND mindestens 65 Jahre alt ist, kann ohne Abschläge in Rente gehen. Dies gilt aber nur für diese Rentenart! Es gibt also keine Regel, die eine abschlagsfreie Rente immer nach 45 Jahren gewährt. Denn die Person muss außerdem 65 Jahre alt sein. Begründet wurde dies im damaligen Gesetzgebungsverfahren mit dem Argument, dass Versicherte mit außerordentlich langjähriger - nicht selten belastender - Berufstätigkeit und entsprechend langer Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung privilegiert werden sollten. Dafür kann die Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden. Natürlich könnte mit dieser Begründung auch argumentiert werden, dass für Schwerbehinderte die Altersgrenze für abschlagsfreie Rente bei 63 Jahren hätte bleiben können, wenn sie 45 Beitragsjahre haben. Allerdings wurde dies, vermute ich, aus Kostengründen nicht gemacht.
Die Fraktion DIE LINKE hat die Rente mit 67 seit jeher abgelehnt und fordert stattdessen flexible Ausstiegsmöglichkeiten vor dem 65. Lebensjahr. Das faktische Renteneintrittsalter liegt mit gut 63 Jahren weit unter dem derzeit noch geltenden gesetzlichen Rentenalter von 65 Jahren. Bereits heute geht mehr als die Hälfte der Beschäftigten mit Abschlägen in Rente. Nur eine verschwindende Minderheit schafft den Übergang in den Ruhestand aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Die Rente mit 67 ist sozialpolitisch unverantwortlich und arbeitsmarktpolitisch widersinnig. Sie ist einzig und allein eine verdeckte Rentenkürzung. Gleichzeitig ist sie nicht geeignet, die Finanzierungsbasis der gesetzlichen Rentenversicherung nachhaltig zu verbessern.
DIE LINKE will deshalb die Fortführung der Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit. Wir fordern die Erwerbsminderungsrenten deutlich zu verbessern. Wir wollen die Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten abschaffen, die Zugangsvoraussetzungen erleichtern und die Zurechnungszeiten auf das 63. Lebensjahr verlängern. Dann können Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen sozial verträglich in den Ruhestand gehen.
Weitere Informationen zur Rente mit 67 und zu unseren parlamentarischen Initiativen finden Sie unter: http://www.linksfraktion.de/themen/rente-67/
Ich hoffe, dass ich etwas Licht ins Dunkle bringen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Stamm