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Klaus Ernst
BSW
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Frage von Klaus B. •

Frage an Klaus Ernst von Klaus B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Lieber Herr Ernst,

ich verstehe ihre Argumente gegen ein BGE nicht so ganz. Jetzt in der TAZ schreiben Sie:

> Selbstverständlich ist die Erwerbsarbeit für
> 40 Millionen Menschen die zentrale Einkommensquelle.

Übrigens: Das statistische Bundesamt zählt jeden über 15, der mindestens 1h in der Woche für Lohn arbeitet, zu den "Erwerbstätigen" (Seite 77, Statistisches Jahrbuch 2008), woraus sich für 2006 nur 34 Mio Menschen ergeben, die "überwiegend" von Erwerbsarbeit leben.

Nun, meine Frage: glauben Sie, daß bei einem BGE die Erwerbsarbeit weniger eine Rolle spielt? Es geht doch bei einem solchen Grundeinkommen "nur" darum, daß sich jeder Bürger seine Arbeit besser aussuchen kann, ähnlich wie in lange vergangenen Vollbeschäftigungszeiten.

Zusätzlich wirkt so ein BGE gruppenbildend. Bei nur 800 Euro hätten 10 Bürger, die zusammenleben und einen Betrieb gründen, enorme Möglichkeiten. So könnten weitere "Arbeitsplätze" entstehen. Ich verstehe in diesem Zusammenhang auch nicht, daß die Linke ausschließlich abhängig Beschäftigte in klassischen Unternehmen im Auge hat. Die Anzahl der Genossenschaften wächst langsam aber stetig. "Die deutschen Genossenschaften haben über 20 Millionen Mitglieder":
http://www.handelsblatt.com/eckhard-ott-reines-gewinnstreben-macht-nicht-selig;2474914

Dies scheint kein Thema für Linke und Gewerkschaften zu sein? Würde ein BGE nicht gerade diesen "nichtkapitalistischen" Bereich stärken?
Insgesamt denke ich, daß Vollbeschäftigung, wenn überhaupt, nur mit einem BGE zu erreichen ist, dann heißt es für jeden Bürger: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnis." Wieso das neuerdings kein linkes Ziel sein soll, erschließt sich mir nicht.

Meine Frage also: Meinen Sie nicht, daß sich "Vollbeschäftigung" mit einem BGE besser erreichen ließe, als heute ohne?

viele Grüße, frohe Weihnachten, guten Rutsch und weniger Ärger im nächsten Jahr wünscht
Klaus Binder

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BSW

Sehr geehrter Herr Binder,

aus der Statistik des Statistischen Bundesamts (z.B. Statistisches Jahrbuch 2010, reihe 3.3.1. S. 92) waren tatsächlich nur 34 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwerbstätig ob diese, wie sie Schreiben, "überwiegend" erwerbstätigen waren, geht aus der Statistik nicht hervor. Selbstverständlich sind aber auch Selbstständige erwerbstätig, so dass im Jahr 2010 tatsächlich 40.171 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig waren.

Ich denke, es geht nicht um die Frage, ob Erwerbstätigkeit bei einem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE), wie es auch in Teilen der LINKEN gefordert wird, aber auch aus Teilen der CDU, dem DM Drogeriebesitzer Götz, Werner oder dem marktradikalen Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts Thomas Straubhaar, weniger eine Rolle spielt, sondern es geht vielmehr um die zentrale Frage, wem nützt es?

Es gibt aus meiner Sicht zahlreiche Kritikpunkte. ich möchte im Wesentlichen zwei Zentrale aufgreifen: Jede Gesellschaft kann nur das verteilen, was sie zuvor erwirtschaftet hat. Die gesellschaftliche Wertschöpfung bildet die Basis staatlicher Ver- oder Umverteilung- das wäre auch bei einem BGE nicht anders. Man kann die Abgabenlast variieren, die Staatsquote erhöhen, das Umverteilungsvolumen ändern - nichts ist Natur gegeben. Wer aber das Einkommen von der Arbeit entkoppeln will, trennt die Verteilungsfrage von der Wertschöpfung ab.

Da der Bedarf an Erwerbseinkommen bei einem BGE keine Existenzfrage mehr darstellen soll, sondern ein Zubrot, wird wohl mehr Teilzeit gearbeitet werde. So zumindest deute ich auch Ihre Ausführungen. Und je höher das BGE, desto weniger Zubrot ist nötig und desto weniger wird gearbeitet. Dann aber sinkt auch die Wertschöpfung. (Es sei denn, es wird in großem Stil rationalisiert.) Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Man kann nichts verteilen, was man nicht hat, und schon gar nicht in so gigantischen Mengen von 800 - 900 Mrd. Euro, die für ein BGE notwendig wären.

Zudem würde die Gesellschaft und insbesondere ihre lohnabhängige Mehrheit sich durch dieses gewaltige Geldumverteilungskarussell eine Vielzahl zusätzlicher Probleme einhandeln. An den Lohn könnte nicht mehr der Anspruch gerichtet werden, zumindest eine existenzsichernde Höhe zu haben, denn er hätte den Charakter eines Zuverdienstes zum BGE. Die Renditeansprüche des Kapitals würden dagegen durch ein BGE nicht gemindert. Dass die Einkommensverteilung unter solchen Bedingungen eher zunehmen wird, als sie es heute schon ist, liegt auf der Hand.

Die Menschen wären dann nicht weniger, sondern noch viel eher als heute bereit, für einen minimalen Lohn und unter prekären Bedingungen zu arbeiten. So wie schon heute viele, die in einem Minijob für Niedriglöhne »hinzuverdienen«. Selbst nur hundert Euro oder ein paar mehr im Monat könnten sich lohnen, wären besser als nur BGE. Die Schere im Einkommen und damit in der gesellschaftlichen Anerkennung zwischen Arbeitskräften mit besonders gefragten Qualifikationen und solchen mit geringen oder überreichlich angebotenen Qualifikationen würde noch weit stärker als heute auseinandergehen. BGE wäre faktisch der universelle Kombilohn als Subvention für die Kapitalseite.

An einer Politik, die für ein hinreichendes Angebot guter Arbeitsplätze sorgt, führt also für mich kein Weg vorbei, auch und gerade im Interesse der Erwerbslosen. Das ist der notwendige Kern einer ökonomisch und gesellschaftlich tragfähigen sozialen Alternative. Eine Linke, die dies ignorierte, wäre nicht zukunftsfähig.

Ziel fortschrittlicher linker Politik, wie ich sie verstehe, ist die Verkürzung und gerechte Verteilung aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit auf alle arbeitsfähigen Mitglieder der Gesellschaft. Dabei gilt: Die allgemeine Arbeitszeit kann um so mehr verkürzt werden, auf je mehr Schultern sie verteilt wird, wenn also möglichst alle Arbeitsfähigen beteiligt sind. Mit einem BGE den Ausstieg oder die Ausgrenzung der einen aus der Erwerbsarbeit zu alimentieren und die anderen dafür umso mehr arbeiten zu lassen, kann nicht Zweck einer linken Forderung sein. Stattdessen muss unser Ziel sein, Massen- und Langzeiterwerbslosigkeit sowie prekäre, ungesicherte und unterbezahlte Erwerbstätigkeit zu beseitigen. Anzustreben ist, allen Menschen ein Recht auf gute und angemessen bezahlte Arbeit zu gewährleisten und daraus ein Einkommen, das höher ist, als ein noch so komfortables BGE wäre.

Ich bezweifle doch stark, dass 80 Euro ausreichen, um sich zusammenzuschließen und betreibe zu Gründen. Am Ende bleiben nach allen Abzügen (Miete etc.) nämlich von den 800 Euro nicht mehr viel übrig. Und es trifft überhaupt nicht zu, dass die LINKE sich a, wie sie schreiben, ausschließlich abhängige beschäftigte in klassischen Unternehmen im Auge hat. Wir haben zahlreiche Vorschläge zum Ausbau und Stärkung des Genossenschaftswesens gemacht. Abrufbar z.B. unter: http://www.linksfraktion.de/themen/genossenschaften/ . Aber auch Genossenschaften können nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Auch sie stehen letztendlich miteinander im Wettbewerb um Marktanteile. Es ist deshalb ein Trugschluss zu glaube, dass es sich bei Genossenschaften um einen "nichtkapitalistischen Bereich" gehören.

nach meinen Ausführungen hoffe ich, dass klar geworden ist, warum ich nicht glaube, dass mit einem BGE Vollbeschäftigung besser erreichbar wäre. das Gegenteil dürfte eher der Fall sein.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Ernst

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