Frage an Klaus Buchner von Jeannette T. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Buchner,
"die tageszeitung" berichtete am 15. August 2008 über einen Beitrag des öffentlich-rechtlichen finnischen Fernsehens. Unter dem Titel "Brüchiges Skelett bei AKW-Neubau" http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/bruechiges-skelett-bei-akw-neubau/ ist von "massiven Pfusch" beim derzeit in Bau befindlichen Atomkraftwerk Olkiluoto 3 - dem Vorzeigeprojekt des Areva-Siemens-Konsortiums - die Rede.
Wie schätzen Sie als Physiker diese Berichte ein?
Die bayerischen Atomkraftwerke sind selbstverständlich absolut sicher - bis dann ein unerwarteter "Störfall" eintritt. Wie wahrscheinlich ist es, dass es auch bei den Atomkraftwerken in Bayern "Pfusch am Bau" gegeben hat? Ist es verantwortbar, die Laufzeiten der Atomkraftwerke - wie von CSU und FDP gefordert - massiv zu verlängern?
Mit freundlichen Grüßen
Jeannette Treßelt
Sehr geehrte Frau Treßelt,
leider ist der Pfusch beim Bau des neuen finnischen AKW alles andere als harmlos. Denn bei einem Störfall könnte dadurch eine erhebliche Menge an Radioaktivität freigesetzt werden, so dass Menschen zu Schaden kommen.
Auch beim Bau mehrerer deutscher AKW wurde gewaltig gepfuscht. Am bekanntesten ist wohl das inzwischen stillgelegte AKW Mühlheim-Kährlich, das schon bei einem mäßigen Erdbeben eine Katastrophe hätte verursachen können, wenn die Behörden nicht eingeschritten wären. Ebenso gefährlich war die eigenmächtige Abänderung der Konstruktionspläne in Philippsburg, die den Betreibern zwar Kosten sparte, durch die aber bei manchen Störfällen die Notkühlung des ganzen Reaktors in Frage gestellt war. Dieser kriminelle Pfusch blieb mehr als 10 Jahre unentdeckt. Auch im bayerischen AKW Gundremmingen gibt es eine Einrichtung, zu der sich die Betriebsleitung nicht äußern will und die das bayerische Umweltministerium erklärtermaßen nicht kennt.
Bei den bayerischen Atomkraftwerken beunruhigt mich eine andere Tatsache sogar noch mehr: In allen Siedewasserreaktoren werden die Schweißnähte wichtiger Rohrleitungen, die unter hohem Druck stehen, durch die Strahlung geschädigt. Dieses Problem ist bis heute noch nicht gelöst, obwohl es schon vor etwa 15 Jahren bekannt wurde. Wenn ein solches Rohr abreißt, kommt es zu einem schweren Unfall. Es gab mehrfach Risse, die 2/3 des Rohrumfangs und 2/3 der Rohrdicke betrugen. Dass diese Risse rechtzeitig entdeckt wurden, bevor es zu einem solchen Unfall kam, grenzt an ein Wunder.
Beim Betrieb der AKW leiden jedoch nicht nur die Schweißnähte der Rohre. Auch andere sicherheitstechnisch wichtige Einrichtungen altern durch die Strahlung. Außerdem wurden durch den rot-grünen "Atomkonsens" die Vorschriften (z.B. bei den Nachrüstungen) für die laufenden Reaktoren gelockert. Schon allein aus diesem Grund stellen gerade ältere AKW eine große Gefahr dar. Die von Schwarz-Gelb geforderte Laufzeitverlängerung bringt unverantwortbare Risiken.
Es ist leider wahr: Die deutschen Atomkraftwerke sind die sichersten der Welt. Welch schlimme Aussage über die Kernenergie!
Mit freundlichen Grüßen!
Klaus Buchner