Frage an Klaus Buchner von Alfred M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Buchner
Die ÖDP hat bei realistischer Bewertung der bisherigen Wahlergebnisse keine Chance, die 5%Klausel zu bewältigen. Tut sie da ihren Anliegen, die in einem hervorragend guten Wahlprogramm niedergelegt sind, einen guten Dienst, wenn sie Wählerstimmen an sich zieht. Täte sie nicht besser daran, Ihren Anhängern die Wahl der Grünen zu empfehlen und damit die Zahl der grünen Abgeordneten zu erhöhen ? Wurde noch nie erwogen, mit den Grünen zu verhandeln, ob sie zum Ausgleich dafür im Interesse der gemeinsamen Sache einige Anhänger der ÖDP in ihren Wahlvorschlag aufnehmen würden ?
Liegen Ihnen die Grünen nicht näher als eine Familienpartei, die in ähnlich aussichtsloser Außenseiterposition liegt ?
Das Handicap kleiner Parteien ist die Befürchtung der Wähler, daß ihre Stimme als Folge der 5%Klausel verloren gehen könnte und indirekt ausgerechnet den großen Parteien zugute kommen könnte.
Sie wählen dann doch lieber eine der etablierten Parteien.
Haben Sie schon von der Idee gehört, eine Alternativstimme einzuführen, die dem Wähler ermöglichen würde, zu bestimmen, welche zweite Partei seine Stimme bekommen soll, wenn die bevorzugte Partei an der 5%Klausel scheitern sollte.
Vgl. www.wahlreform.de/valeske.htm
Haben Sie diese Idee in Ihrem Wahlprogramm ? Oder wollen Sie sich sonst dafür einsetzen ehe Sie immer wieder ihre Anhänger mit den Mühen einer völlig aussichtslosen Wahlbeteiligung belasten ?
Sehr geehrter Herr Mayer,
danke für Ihre Frage, die wohl viele Wähler bewegt. Die entscheidende Frage bei der Wahl ist doch: Bin ich zufrieden mit dem, was im Landtag geboten wird? Wenn ja, dann wähle ich diejenige der dort vertretenen Parteien, die meine Ziele am besten vertritt. Wenn ich dagegen sehe, dass im bayerischen Landtag wichtige Themen nicht so angesprochen werden, wie das meiner Meinung nach nötig wäre, oder wenn ich mit der dort verwirklichten demokratischen Kultur nicht einverstanden bin, dann darf ich keine der Parteien wählen, die den heutigen Zustand mit zu verantworten haben. Dann ist es zweitrangig, ob die von mir gewählte Partei in den Landtag einzieht oder nicht. Denn mit einer Stimme für eine dort vertretene Partei würde ich genau das Gegenteil von dem erreichen, was ich will.
Wenn Sie vorschlagen, wir sollen statt eines eigenen Wahlantritts die Grünen empfehlen, so bedenken Sie bitte: Die ödp hat schon von ihrem Namen - Öko- Demokraten - her die Schwerpunkte Umweltschutz und Demokratie. Diese kann natürlich nur funktionieren, wenn die sozialen Schieflagen beseitigt sind. Denn echte Demokratie setzt einen sozialen Mindeststandard voraus. Es mag überraschen, aber gerade in der Ökologie waren die Grünen während ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin und auch heute z.B. in München das Hauptziel unserer Kritik. Denn der sog. Atomausstieg wurde nie vereinbart, obwohl das von den Grünen immer behauptet wurde. Lediglich viel zu lange Restlaufzeiten für die AKW wurden festgeschrieben. Dafür wurden für die AKW-Betreiber viele Subventionen festgeschrieben und die Sicherheitsstandards der AKW sogar gesenkt, weil das Gebot der Nachrüstungen gelockert wurde. Wer weiß denn, dass die Grüne Gentechnik in Europa nur eingeführt werden konnte, weil die damalige Grüne Ministerin Kühnast das in Brüssel durch ihre Stimmenthaltung ermöglichte? Die Grünen haben auch dem Vertrag von Lissabon zugestimmt, der wesentliche demokratische Grundrechte abschafft. So wird in Zukunft kein Parlament mehr, weder das EU-Parlament, noch ein nationales Parlament, irgend einen Einfluss auf Kriegshandlungen mehr haben.
Deshalb unterscheiden uns Welten von den Grünen: In der Umwelt- und Friedenspolitik, aber auch darin, dass wir unser Grundgesetz und die Demokratie sehr ernst nehmen. Klar, dass das auch gravierende Folgen auf die Sozialpolitik hat, besonders auf die fortschreitende Verarmung der Mittelschicht. Dieser Prozess wird durch die neo-liberale Wirtschaftspolitik beschleunigt, die im Vertrag von Lissabon festgeschrieben werden soll.
Wir haben vor längerer Zeit, noch vor deren Regierungsbeteiligung in Berlin, einmal mit den Grünen wegen eines gemeinsamen Wahlantritts verhandelt, aber die Gespräche abgebrochen, nachdem sie sich nicht an unsere Vereinbarungen gehalten haben.
In Berlin unterstützt die ödp aktiv ein Volksbegehren und eine Volksinitiative, die u.a. die von Ihnen erwähnte Alternativstimme einführen wollen. Die erste Hürde ist genommen. Wir werden sehen, wie es jetzt weiter geht.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Buchner