Frage an Klaus Buchner von Lisa R. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Dr. Buchner,
als angehende Tierärztin möchte ich gerne einige Ihrer Positionen zum Thema Tierschutz und Tiermedizin hinterfragen.
Sie schreiben unter anderem, dass Sie auf Antibiotika-Therapien in der Landwirtschaft verzichten möchten. Mit einem generellen Antibiotika-Verbot riskiert man jedoch, dass Nutztiere bei Erkrankungen zukünftig nicht mehr oder nicht adäquat behandelt werden würden - in meinen Augen nicht zielführend für das Tierwohl. Wie möchten Sie diesem Problem entgegen wirken?
Die aktuellste Novelle der TÄHAV hat außerdem bereits die Auflagen für die Nutzung von Antibiotika in der Tiermedizin verschärft - ein Schritt in die richtige Richtung. Setzen Sie sich auf für entsprechende Auflagen in der Human-Medizin ein?
Denn gerade im Bereich der Antibiotika-Resistenzen sehe ich enge Überschneidungen in der Human- und Tiermedizin. Gerade hier sollte der "One Health"-Gedanke zum Tragen kommen.
Daneben ist mir ein weiteres Statement der ÖDP im Wahl-O-Mat aufgefallen: Die ÖDP möchte sich nicht dafür einsetzen, europaweit die gleichgeschlechtliche Ehe zu etablieren - jeder Mitgliedstaat soll dies selbst entscheiden dürfen. Eines der Ziele, die die EU verfolgt lautet: "Eindämmung sozialer Ungerechtigkeit und Diskriminierung".
Entsprechen Mitgliedstaaten, die gegen die gleichgeschlechtliche Ehe sind, dem Europäischen Grundgedanken? Warum positioniert sich die ÖDP nicht klar FÜR eine gleichgeschlechtliche Ehe in allen Mitgliedsstaaten?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit besten Grüßen
L. R.
Sehr geehrte Frau R.,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Zunächst zum Themengebiet Landwirtschaft und Tierschutz:
Die Politik muss begreifen, dass es um das Prinzip „Eine Gesundheit“ geht. Multiresistente Keime werden von Tieren auf den Menschen und umgekehrt übertragen und deshalb muss das Problem der Antibiotikaresistenzen durch eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes bei Menschen und Tieren gelöst werden. Allerdings bekommen mehr gesunde Tiere vorbeugend Antibiotika und sogar Reserveantibiotika als kranke Menschen. Antibiotika-resistente Keime werden in Zukunft ein immer größeres Problem werden. Wissenschaftler sprechen von einem Tsunami, welcher auf uns zurast. Bis 2050 prognostiziert das Universitätsklinikum Charité mehr Tote durch Antibiotikaresistenzen, als durch Krebs. Kleine Wunden könnten lebensgefährlich werden, wie im Mittelalter, weil Antibiotika nicht mehr wirken. Daher müssen wir jetzt handeln und den Einsatz von Antibiotika vor allem auch in der Tierhaltung stark kontrollieren und reduzieren. Die Reserveantibiotika müssen in der Tierhaltung komplett verboten werden, denn sie sind letztes Mittel für schwerkranke Menschen in Kliniken. Das Europäische Parlament hat einem Aktionsplan zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen im Rahmen des Konzepts „Eine Gesundheit“ zugestimmt. Aber das reicht leider bei weitem nicht aus.
Ich setze mich nicht für ein generelles Verbot von Antibiotika in der Veterinärmedizin ein, sondern lediglich dagegen, dass alle Tiere einer Herde geimpft werden, wenn eines davon infiziert ist. In Schweden beispielsweise ist diese Praxis nicht erlaubt.
Die Anzahl der Toten durch antibiotika-resistente Keime wird zukünftig weiter steigen, wenn das Problem der zu hohen Antibiotikaabgaben in der Landwirtschaft nicht angegangen wird. Allein ca. 740 Tonnen jährlich in Deutschland, weil die Tiere in Massentierhaltung in den engen Ställen nicht individuell, sondern in Herden über sog. Medikatoren in den Tränksystemen die hochwirksamen Medikamente verabreicht bekommen. Dadurch werden multiresistente Keime geradezu gezüchtet, sie sind in der Gülle, auf den Äckern, in Gewässern, bis 500 Meter neben den Ställen in der Luft, sie gelangen selbstverständlich auch auf das Gemüse und sie werden von Fliegen und anderen Tieren weitergegeben. Sie werden auch von Menschen, welche in der Tierhaltung arbeiten, weitergegeben. Der gefürchtete sogenannte Krankenhauskeim ist ein multiresistenter Keim und er wird u.a. auch von außen in die Kliniken hinein getragen. Denken wir nur an die Kantinen, in welchen das Fleisch aus Massentierhaltung zubereitet wird. Die Beispiele sind unendlich. Wir alle müssen das Prinzip „eine Gesundheit“ begreifen. Wir brauchen ein Umdenken in der Agrarpolitik zum Schutz der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt. Ein weiter so darf es nicht geben. Wir können eine zukunftsfähige Landwirtschaft nur erreichen, wenn wir die Politik mehr am Wohl der Tiere ausrichten und artgerechte Tierhaltung unterstützen, welche durch eine kontrollierte und strenge Abgabe die eingesetzte Menge Antibiotika signifikant verringert. Nicht der jetzige Siegel-Dschungel, sondern EIN einheitliches, verbindliches Siegel für alle EU-Staaten, welches auch über Antibiotikabehandlung aufklärt, sowie über Genfutter und Totalherbizide würde die Situation entscheidend verbessern. Nur dadurch können Verbraucher gezielt beim Einkauf mitbestimmen. Dafür setze ich mich ein und ich bitte Sie um Ihre Unterstützung: https://www.change.org/p/gegen-massentierhaltung-für-ein-eu-weites-qualitäts-siegel
Nun zur Frage bzgl. der gleichgeschlechtlichen Ehe:
Die ÖDP hat sich auf ihrem Bundesparteitag im April mehrheitlich für die "Ehe für alle" ausgesprochen. Hier der Beschluss: "Die Zivilehe ist für uns ein Bund zwischen zwei Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen. D.h. eine Zivilehe können sowohl zwei verschieden geschlechtliche als auch zwei gleichgeschlechtliche Partner/innen eingehen. Dabei orientieren wir uns an Artikel 6 (1) des deutschen Grundgesetzes: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze 11 der staatlichen Ordnung.“"
Die Fragen des Wahl-o-mat erreichten die ÖDP jedoch VOR diesem Bundesparteitag, weshalb es dann auf eine neutrale Antwort hinauslief.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Klaus Buchner