Frage an Klaus Buchner von Bernd B. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Buchner,
seit Jahren bewundere ich die ödp für ihre Reißnagel-Funktion.
Ihre Klage gegen den Lissabon-Vertrag vor dem Bundesverfassungsgericht halte ich für sehr wichtig, um zu klären, in welchen Punkten dieser Vertrag mit dem Grundgesetz vereinbar ist und in welchen Punkten nicht.
Die von Ihnen angeführten Bedenken hinsichtlich der künftigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU und die Gefahr, dass Deutschland dadurch fahrlässig in künftige Kriege verwickelt wird, muss man wirklich sehr ernst nehmen. Auch den ersten Weltkrieg, der Europa von 1914 bis 1989 ins Unglück gestürzt hat, wollte nach heutigem Forschungsstand eigentlich keine Regierung in den Staaten Europas. Er wurde nach eher kleinen diplomatischen Pannen durch zahlreiche vertragliche Bündnis-Verpflichtungen zwischen den Staaten in Gang gesetzt.
Ihre Ansicht bezüglich der fehlenden Gewaltenteilung in der EU ist meines Erachtens falsch. Sie verwechseln Gewaltenteilung mit Gewaltentrennung. Eine institutionelle Gewaltentrennung in Legislative, Exekutive und Judikative würde bedeuten, dass die EU-Kommission als Exekutive nicht am Gesetzgebungsverfahren mitwirken darf. Gewaltenteilung bedeutet aber nur, dass in einem politischen System mehrere Organe an der Ausübung der politischen Macht beteiligt sind. Inwieweit sie dabei zusammenwirken (z.B. bei der Gesetzgebung in Deutschland Bundestag und Bundesrat, bei der Gesetzgebung in Europa EU-Parlament, EU-Ministerrat und EU-Kommission) oder unabhängig voneinander handeln ist von der Eigenart des politischen Systems abhängig. Es gibt also eine Gewaltenteilung in der EU, nur eine andere als in den Mitgliedstaaten. Beim von Ihnen angeführten Montesquieu sieht die Gewaltenteilung wieder anders aus.
Fragen:
1. Sehen Sie die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht Nachbesserungen beim Lissabon-Vertrag fordert und diese eingearbeitet werden?
2. Haben Sie Montesquieus L´Esprit des Lois gelesen?
Freundliche Grüße
Bernd Baumgartner
Sehr geehrter Herr Baumgartner,
ja, ich sehe die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht Nachbesserungen beim Vertrag von Lissabon fordert. Dazu gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten:
1. Das Verfassungsgericht stellt fest, dass dieser Vertrag mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Dazu ist es meiner Meinung nach sogar gezwungen, wenn es seine eigenen früheren Entscheidungen ernst nimmt, oder wenn es die "Ewigkeitsklausel" im Grundgesetz nicht außer Kraft setzen will. Dabei kann es feststellen, mit welchen Änderungen der Vertrag Grundgesetz-konform wäre. Wir von der ödp haben dem Gericht Vorschläge in dieser Richtung unterbreitet.
2. Rein theoretisch besteht auch noch eine weitere Möglichkeit: Das Gericht kann unsere Klagen verwerfen und den Vertrag von Lissabon unter der Bedingung als rechtmäßig erklären, dass die Bundesregierung Zusatzprotokolle beschließt, die gewisse Verbesserungen erwirken. Ich sehe aber keinen Weg, solche grundsätzliche Verbesserungen auf diesem Weg zu erreichen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ich habe Montesquieus Werke im Originaltext nicht gelesen. Dazu ist mein Französisch zu lückenhaft. Aber jeder, der sich mit Staatslehren auseinandersetzt, muss u.a. auch Montesquieu studieren. Dazu ist eine Übersetzung bestenfalls ein Notbehelf, weil die heutigen deutschen Begriffe nicht vollständig mit den damaligen französischen übereinstimmen. Kommentare sind unerlässlich.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Buchner