Portrait von Klaus Breil
Klaus Breil
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Klaus Breil zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Florian S. •

Frage an Klaus Breil von Florian S. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Breil,

vor wenigen Tagen wurde eine Studie des Umweltbundesamtes veröffentlicht. In dieser Studie wird belegt das eine Energiewende zur 100%igen umweltfreundlichen Energiegewinnung bis 2050 möglich ist.

http://umweltbundesamt.de/uba-info-presse/2010/pd10-039_energieziel_2050_100_prozent_strom_aus_erneuerbaren_quellen.htm

Aus den vielen Seiten dieser Studie geht auch hervor das die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, welche derzeit von der Bundesregierung geplant wird, nicht notwendig sei und eine umweltfreundliche Wende sogar noch verzögern könnte.

Dabei stellt sich mich und viele weitere Menschen natürlich die Frage: Warum allerdings hält die Bundesregierung weiter an der Laufzeitverlängerung fest und hindert damit unter Umständen eine ökologische und nachhaltige Energiewende?

Und eine Frage die noch wichtiger ist: Werde Sie einem folgenden Antrag der Bundesregierung auf Laufzeitverlängerung zustimmen, obwohl diese Studie dagegen spricht?

Ich bedanke mich im Voraus auf die Antworten zu diesen Fragen. Vielleicht kommen Sie ja auch dazu die Studie, zumindest anteilig, zu lesen.

Diese Fragen werde ich im Übrigen auch an Ihren Kollegen Herrn Dobrindt und an den Herrn Bundesumweltminister Röttgen stellen.

Mit freundlcihen Grüßen

Florian Slivinsky

Portrait von Klaus Breil
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Slivinsky,

vielen Dank für Ihre E-Mail mit Ihren Bedenken zu einer Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke.

Allerdings sind Kernenergie und Ausbau Erneuerbarer Energien kein Widerspruch.

Die FDP hat sich auf ein klares Konzept zum Klimaschutz verständigt: Senkung der Treibhausgase bis 2020 um 40% und bis 2050 um mindestens 80%. Damit wird Deutschland seinen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius leisten. Zusätzlich arbeitet die Bundesregierung an einem Energiekonzept, das Leitlinien für einen dynamischen Übergang unseres Energiesystems zu einer überwiegend auf Erneuerbare Energien gestützten Versorgung entwickelt.

Der von Grünen und ihnen nahestehenden Wissenschaftlern bewusst erzeugte Eindruck, die genannten Ziele ließen sich bis zum Jahr 2050 allein mit Erneuerbaren Energien und nur bei Ausstieg aus der Kernenergie erreichen, ist falsch.

Die größte Ausbaudynamik besteht bei der Solar- und der Windenergie. Diese Energieformen steigern stetig ihren Mengenanteil an der Stromerzeugung. Anders als auf Produktmärkten muss bei Strom die Erzeugung sekundengenau auf den schwankenden Verbrauch abgestimmt werden, um Netzausfälle zu vermeiden. Als Folge der Wetterabhängigkeit schwankt die Stromerzeugung aus Wind und Sonne sehr stark und nicht längerfristig vorhersehbar. Ihr Beitrag zur Versorgungssicherheit kann deshalb nur bei 1% (Sonne) bzw. 10% (Wind) der installierten Leistung angesetzt werden. Im Dezember 2009 stand an den Tagen mit dem höchsten Strombedarf des Jahres beispielsweise fast die gesamte in Deutschland installierte Windenergie wegen Schwachwind nicht zur Verfügung. Ohne unsere Kernkraftwerke mit einer jederzeit verfügbaren Leistung von über 90% je Leistung des Kraftwerksblocks hätte dieser Erzeugungsausfall nicht ausgeglichen werden können. Von Gegner der Kernenergie wird ihre große Bedeutung als Kraftwerks- und Sicherheitsreserve systematisch verschwiegen.

Der Übergang zu einer CO2 armen Energieversorgung erfordert den größten Umbau des Energiesystems den Deutschland bisher erlebt hat.

Bevor Erneuerbare Energien die Kernkraft verlässlich ersetzen kann, müssen neue innovative Energiespeicher entwickelt werden, um schwankende Erzeugung und Stromverbrauch aufeinander abzustimmen. Weit über 1000 Kilometer Stromnetze müssen ausgebaut werden, um Stromüberschüsse aus den Windparks im Norden zu den Verbrauchern in die großen Ballungsräume im Süden und in der Mitte Deutschlands zu leiten. Die Fahrweise von Kraftwerken (einschließlich der Kernkraftwerke) muss flexibler werden, um Schwankungen der Erneuerbaren Energien auszugleichen. Intelligente Netze sind zu installieren, damit viele neue dezentrale Energiequellen vom Kraftwerk im Keller bis zur Solaranlage auf dem Dach in einem völlig neues Konzept der Energieversorgung optimal mitwirken können.

Der Ausbau Erneuerbarer Energien stellt uns vor die Herausforderung, das gesamte Energiesystem bei ´laufendem Motor´ neu zu ordnen. Liberale Energiepolitik will dieses Ziel so sicher, so kostengünstig wie möglich und mit dem geringsten CO2-Ausstoß organisieren.

Die meisten Konzepte einer Energiewende ohne Kernenergie unterstellen schlicht, dass der Ausbau von Energiespeicher, Netzen und flexiblen Kraftwerken mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien Schritt hält. Dafür gibt es aber keinerlei Garantie. Ferner wird eine massive Zunahme der Abhängigkeit unserer Energieversorgung von russischem Kraftwerksgas in Kauf genommen, der Widerstand der Bevölkerung gegen den Leitungsausbau und Netzausbaus wird ignoriert. Die Gefahr, dass ein überehrgeiziger Fahrplan für den Umbau unseres Energiesystems Strom zum Luxusgut für die Bevölkerung werden lässt, wird fahrlässig verdrängt.

Aus liberaler Sicht ist die Sicherheit unserer Energieversorgung zu wichtig, um sie auf Hoffnungswerte und theoretische Modelle zu gründen. Bis der Jahrzehnte beanspruchende Umbau unseres Energiesystems abgeschlossen ist, benötigen wir eine jederzeit sicher verfügbare Energiequelle als Sicherheitsnetz und Brücke in die Welt der Erneuerbaren Energien.

Für diese Funktion ist Kernenergie in unserem Energiemix optimal geeignet, weil

• ein Ausstieg aus Kernenergie (und Kohle) zu einem Einstieg in den Import von Atomstrom und Kohlestrom aus dem Ausland führen würde oder die Abhängigkeit unserer Stromversorgung von Gasimporten (z.B. aus Russland) massiv steigert,

• der Neubau von Kohlekraftwerken in Deutschland hinausgeschoben werden kann (dena: bei z.B. 20 Jahren Verlängerung bis 2025 kein neues Kohlekraftwerk erforderlich)

• unseren ehrgeizigen Klimaschutzziele zu geringeren Kosten für die Verbraucher und die Wirtschaft erreicht werden können,

• Kernkraftwerke bis zu 50% ihrer installierten Leistung ohne weiteres flexibel betrieben werden können und so die Produktion den Schwankungen der Erneuerbaren Energien in Zukunft angepasst werden kann,

• die Verlängerung der Kernenergienutzung wie eine Versicherung gegen eine Vielzahl unvorhergesehener Risiken im Umbau unseres Energiesystem wirkt, z.B. Verzögerungen im Netzausbau, technologische Probleme bei der Entwicklung von Speichern oder off-shore Anlagen, Preissteigerungen bei Gas etc. können so aufgefangen werden.

Die Behauptung, Kernkraft blockiere den Ausbau der umweltfreundlichen Erneuerbaren Energien, ist falsch. Auch wir wollen den Einspeisvorrang für erneuerbare Energien weiter erhalten. Atomstrom verstopft auch nicht die Leitungen. Nicht ein Zuviel an Strom ist unser Problem sondern der Ausbau der Windkraft in Dimensionen konventioneller Großkraftwerke an Standorten wie z.B. der Küste, von denen lange Verbindungsleitungen zu den Ballungsräumen gebaut werden müssen, wo der Strom gebraucht wird. Der Ausbau der Stromnetze ist unabhängig davon erforderlich, ob die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert werden.

Damit wird deutlich: Die sichere Versorgung mit Energie kann nicht auf die Frage von Energieträgern reduziert werden, sondern erfordert immer den Blick auf das ganze komplexe Energiesystem. Deshalb brauchen wir ein Energiekonzept, in dem auch die Funktion der Kernenergie und ihre Brückenfunktion deutlich wird.

Selbstverständlich kann es eine Laufzeitverlängerung nur für sichere Anlagen geben, die den strengen deutschen und internationalen Standards entsprechen. Das hohe Sicherheitsniveau deutscher Kernkraftwerke wird regelmäßig durch die auch im Internet veröffentlichten Berichte des Bundesamtes für Strahlenschutz über sog. meldepflichtige Ereignisse in Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen belegt (vgl. www.bfs.de/de/kerntechnik/ereignisse/berichte_meldepflichtige_ereignisse/quartalsberichte.html).

Eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie bedingt selbstverständlich auch die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle. Die Frage der sicheren Endlagerung stellt sich jedoch unabhängig von der Frage der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke, denn radioaktive Abfälle entstehen nicht nur bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie, sondern beispielsweise auch in Medizin (Röntgen) und Forschung.

Mit Schacht Konrad wurde für schwach und mittelradioaktiv strahlende Abfälle, das sind vom Volumen her rund 90 Prozent der Abfälle, bereits ein Endlager gefunden und genehmigt. Darüber hinaus hat Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen entsprechend des Koalitionsvertrags die weitere ergebnisoffene Untersuchung des Salzstockes in Gorleben veranlasst. Gerade weil wir die Endlagerfrage nicht auf kommende Generationen abwälzen dürfen, sollen die Erkundungsarbeiten ergebnisoffen fortgesetzt werden, um zu einer definitiven Aussage über die Eignung oder Nicht-Eignung des Standorts zu kommen.

Fazit: Die Verlängerung der Kernenergielaufzeiten und der Ausbau der Erneuerbare Energien sind kein Widerspruch – sondern beide Energieformen ergänzen sich. Langfristig strebt die FDP eine CO2-neutrale Energieversorgung an. Mittelfristig brauchen wir aber in einem Energiemix, der Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit vereint, die Kernenergie als Brückentechnologie.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Breil MdB,