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Frage von Jörg S. •

Frage an Klaus Bartl von Jörg S. bezüglich Recht

Wie halten Sie es mit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Sind Sie der Ansicht, daß alle Chemnitzerinnen und Chemnitzer das Recht haben, an der politischen Willensbildung mitzuwirken? MfG Jörg Schubert

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Werter Herr Schubert,

die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut. Nach Artikel 8 des Grundgesetzes haben nicht nur alle Chemnitzerinnen und Chemnitzer, sondern alle deutschen Staatsbürger "das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln".

Weil aber - wie jedes verfassungsmäßige Recht - auch das Recht der Versammlungsfreiheit, wenn es mit noch höheren Rechtsgütern kollidiert, unter Umständen zurücktreten muss, können bezüglich des Rechtes auf "Versammlung unter freiem Himmel" durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes Beschränkungen erfolgen, wie es im Abschnitt 2 des Artikels 8 GG heißt.

Ein Präzedenzfall, wo dies in Frage kommt, wäre zum Beispiel gegeben, wenn in Chemnitz oder anderswo in Deutschland jemand auf die Idee käme, eine Demo anzumelden, auf der zur "Rückeroberung der deutschen Ostgebiete" aufgerufen oder zielgerichtet der Holocaust geleugnet werden soll oder Ähnliches. Dies deshalb, weil eine andere Bestimmung des Grundgesetzes, nämlich Artikel 26 Abs. 1 GG, bestimmt: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören", sind verfassungswidrig.

Für mich zählt dazu zum Beispiel auch das Propagieren und Feiern einer Mörderbande wie der Waffen-SS, etwa durch das Skandieren der Losung "Ruhm und Ehre der Waffen-SS"...

Ob und in welchem Umfang man Organisationen und Parteien, deren Existenz als Fortbestand nazis-tischer Gruppierungen verstanden werden muss und deren Ziele in Wort und Aktion klar einen Angriff auf die Würde des Menschen darstellen, grundsätzlich als aktive Bekämpfer des Grundgesetzes sehen kann, wird in Diskussionen sehr unterschiedlich gewertet. Wir sind uns sicherlich einig, dass das Verherrlichen von Verbrechen des "Dritten Reiches" gegen die Menschlichkeit und den Frieden sowie der hierfür maßgeblich verantwortlichen Personen und Struktu-ren gegen die Grundlagen der Verfassungsordnung gerichtet ist.

Ich bin allerdings gegen jedes Herumbasteln am Versammlungsrecht. Ich bin für eine sehr prinzipielle Lösung im Bereich des materiellen Verfassungsrechts und forderte und unterstütze daher bereits seit Ende der 90er Jahre aktiv eine Initiative, die erreichen will, dass eine so genannte "Antifaschistische Klausel" in das Grundgesetz und in die Verfassung des Freistaates Sachsen aufgenommen wird.

Um nicht unnötig viel zu schreiben oder zu wiederholen, erlaube ich mir, Ihnen zur Verdeutlichung des Anliegens anbei den entsprechenden, von der Fraktion der PDS im Sächsischen Landtag im April diesen Jahres eingebrachten Gesetzentwurf "Gesetz zur Einfügung eines weiteren Staatsziels in die Verfassung des Freistaates Sachsen (Artikel 12a, ´Antifaschistische Klausel´)" zu übergeben. Diese zu Drucksache Nr. 4/1238 maßgeblich auch von mir erarbeitete Gesetzesinitiative können Sie im Übrigen im Internetdienst des Landtages jederzeit nachlesen und nach Belieben unter Ihren Freunden und Bekannten verbreiten.

Erklärtes Anliegen dieser "Antifaschistischen Klausel" ist es, jenen die Nutzung der Straßen und Plätze dieses Landes quasi noch unter dem Schutze und der Förderung durch die Staatsmacht bei Kostentragung durch den Steuerzahler zu versagen, deren Ziele eindeutig nur unter Missachtung und Beseitigung der Werte und Grundprinzipien der Verfassung, dieser Rechtsgemeinschaft, "... begonnen bei der Achtung der Würde eines jeden Menschen zu erreichen sind".

Nach meiner Überzeugung wäre eine "Antifaschistische Klausel" ein Beitrag dazu, den Vorgaben der Anti-Hitler-Koalition 60 Jahre danach endlich gerecht zu werden, wonach der Fortbestand ("Wiederaufleben") der Grundlagen der nazistischen Herrschaft in Deutschland zu beseitigen ist.

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit dafür einsetzen, dass denjenigen, die die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, dafür nutzen, um diese Rechte nur noch für ihresgleichen gelten zu lassen, praktisch also abzuschaffen, entgegengetreten wird.

Mit freundlichem Gruß

Klaus Bartl