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Kirsten Kappert-Gonther
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Frage von Jochen T. •

Warum kann die Pharmaindustrie Politiker so leicht für sich einspannen und Kritiker aus Posten entfernen, warum werden Gefährliche Mittel trotzdem am Markt behalten?

Gøtzsche deckt in seinem Buch "Tödliche Medizin" auch die Korruption und den massiven Betrug der Pharmabranche auf: manipulierte Studien, gekaufte Ärzte, Behörden und Beamte, von der Industrie finanzierte Fachzeitschriften.Vor Gøtzsche wurde 2010 in Deutschland auch Peter Sawicki aus dem Amt entlassen, indem sein auslaufender Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde. Sawicki war von 2004 bis 2010 Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWG)hatte einen Ruf als unbestechlicher Kritiker der Pharmabranche. Das IQWG prüfte urteilte über viele pharmazeutischen Mittel, dass sie schlecht wirkten und sogar schadeten. Der "Spiegel" nannte Sawickis Entlassung 2010 einen "Sieg der Klientelpolitik und der Pharmaindustrie über den Mann, der ihr lange Zeit ein Dorn im Auge war"
https://www.wissenswerkstatt.net/2007/wenn-geschaeftssinn
https://publikum.net/psychopharmaka-schaden-menschen-beispiel-zyprexa/
https://www.depression-heute.de/zyprexa-olanzapin-eli-lilly-1

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr T.,

 

vielen Dank für Ihre Frage. Patient*innen müssen darauf vertrauen können, dass sich Ärzt*innen und andere Leistungsanbieter*innen im Gesundheitswesen bei der Behandlung ausschließlich an medizinischen Maßstäben orientieren. Damit die Patient*innen eine informierte Entscheidung über eine für sie geeignete Behandlung treffen können, muss das Vertrauensverhältnis zu den Behandelnden frei von äußeren, ökonomischen Einflüssen bleiben. Korruption im Gesundheitswesen höhlt dieses Vertrauensverhältnis aus und schädigt nachhaltig die besondere Schutzwürdigkeit von Kranken.

 

Wir Grüne im Bundestag setzen uns schon lange für mehr Transparenz z.B. durch Studienregister und die Veröffentlichung medizinischer Studienergebnisse ein. Erst, wenn alle Studien registriert und zumindest Kurzfassungen der Ergebnisse veröffentlicht werden, kann der Veröffentlichungsbias – in der Regel werden nur „positive“ und nicht negative Ergebnisse veröffentlicht, was zu einer Ergebnisverzerrung führt – behoben werden und eventuell überflüssige erneute Studien verhindert werden. Erst die Veröffentlichung von Ergebnissen macht es möglich, dass andere Studien reproduzieren um deren Ergebnisse zu bestätigen oder zu widerlegen.

 

Ein europäisches gesetzliches Regelwerk besteht insb. bei Studien in den Bereichen Arzneimittel und Medizinprodukte. Jedoch gibt es auch hier offene Punkte – so müssen Ergebnisse von Studien der Phase I (Erstanwendung am Menschen) nicht veröffentlicht werden. Zwar sind im Bereich der Arzneimittelstudien Kontrollen (sogenannte GCP-Inspektionen) vorgesehen, sie finden jedoch zu selten statt.

 

Die Forschungsförderung des Bundes kann an entsprechende Kriterien geknüpft werden. Neben einer Veröffentlichungspflicht könnte dies folgende Punkte umfassen: faire Preisgestaltung, weltweit gerechte Zugangsmöglichkeiten, hinreichende Berücksichtigung von Geschlechteraspekten, Ergebnisse in Sequenz-Datenbanken bundesweit und international bereitzustellen. Dieses Instrument sollte aus grüner Sicht umfassender genutzt werden.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Kirsten Kappert-Gonther

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