Mit welchen konkreten Maßnahmen gedenken Sie in den kommenden Monaten für eine Steigerung der Impfquote und ein Sinken der COVID-19-Fallzahlen zu sorgen?
Unlängst erklärte ihre Fraktionskollegin Göring-Eckhardt ihre Opposition zu einer weiteren Verlängerung der "epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Trotzdem sieht sich das Gesundheitssystem mit einer stagnierenden Impfquote bei gleichzeitig steigenden COVID-19 Fallzahlen konfrontiert. Kinder unter 12 Jahren, die in den nächsten Wochen wieder in die Schule gehen, droht gar eine "Durchseuchung". Mit welchen konkreten Maßnahmen gedenken Sie in den kommenden Monaten für eine Steigerung der Impfquote und ein Sinken der COVID-19-Fallzahlen zu sorgen? Vielen Dank und Liebe Grüße!
Sehr geehrter Herr Mehl,
vielen Dank für Ihre Frage. Angesichts der Delta-Variante ist es entscheidend, möglichst viele Menschen möglichst rasch zu impfen. Auf einer Impfquote von 40 Prozent bundesweit kann man sich nicht ausruhen. Sie ist noch deutlich zu niedrig. Sie wird nicht ausreichen, um einen Herbst mit allen Freiheiten zu bekommen. Deshalb muss noch sehr viel mehr getan werden, um über die bislang erreichten Menschen hinaus Impfwillige aber auch Zögernde zu erreichen. Statt Druck und Sanktionen sind Einfallsreichtum und Aktivität gefragt. Glücklicherweise liegt die Impfquote in Bremen höher, was auch daran liegt, dass hier frühzeitig mit Impfteams raus zu den Menschen gefahren wurde.
So muss es auch bundesweit weitergehen: die Impfung muss zu den Menschen kommen und nicht mehr umgekehrt. Möglichst viel geimpfte Menschen sind aktiver Schutz der Bevölkerung. Impfen muss leicht und bequem sein, der Zugang zur Impfung so niedrigschwellig wie möglich. Dafür können auch unkonventionelle Wege gegangen werden. Mobile Impfteams können vor Ort, in Stadtteilzentren, vor Schulen und in Universitäten, in Einkaufszentren oder Kultur- und Jugendeinrichtungen jene Menschen erreichen, die bisher zurückhaltend waren. Religiöse Gemeinden, Gesundheitsämter, Amtsärzte, soziale Treffs (z.B. für Frauen und Mütter) sollten als Informationsorte und auch für die Bereitstellung von temporären Impf-Räumen einbezogen werden, die Impfbusse für ländliche Regionen weiterhin unterwegs sein.
Für diese Vorschläge muss der Bund die Impfverordnung erweitern, damit auch der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) und Apotheken und ggf. weitere Berufsgruppen in die Impfkampagne einbezogen werden können. Gerade mit Hilfe des ÖGD können auch Menschen erreicht werden, die schwer durch Gesundheitsangebote erreicht werden, z.B. Menschen ohne Obdach oder ohne Versicherung. Für diese ist es auch wichtig zu betonen, dass die Impfungen kostenlos sind. Für diese Angebote muss der Bund den ÖGD finanziell unterstützen.
Wenn die tägliche Impfquote weiter rückläufig bliebe, müsste über weitere Anreize, wie sie in anderen Ländern zu Anwendung kommen, diskutiert werden. Einfach abwarten ist keine Lösung. Gleichzeitig muss die Booster-Impfung zuvorderst für die Menschen, bei denen die Wirkung der Impfstoffe aufgrund ihres geschwächten Immunsystems geringer ist, vorbereitet werden. Dabei braucht es klare Informationen, für welche Gruppen eine Booster-Impfung ab wann sinnvoll ist, damit kein Impfchaos im Herbst entsteht.
Angesichts sinkender täglicher Impfquote müsste man eigentlich auf Schritt und Tritt auf Informationen zum Corona-Virus und der Impfung treffen. Die Zurückhaltung des Gesundheitsministers hier ist riskant. Es braucht eine breit angelegte Informationskampagne, um die Menschen zu adressieren, die bisher beim Impfen noch unschlüssig waren oder ihre Termine für die Zweitimpfung haben verstreichen haben lassen. „Ärmel hoch“ reicht nicht mehr aus. Wir brauchen eine Impfkampagne, die gezielt auch jüngere Menschen und andere Zielgruppen erreicht. Die Infektionsraten der Unter-30-Jährigen sind gerade in den Ländern, in denen die Delta-Variante bereits Fuß gefasst hat, rasant gestiegen. Vor allem aber müssen wir stärker auf Aufklärung in verschiedenen Sprachen setzen. Über die Impfstoffe, ihre Wirkungen und Nebenwirkungen herrscht weiterhin große Verunsicherung. Auch hier muss zielgruppenspezifisch aufgeklärt werden: Menschen, die bei Impfungen für sich oder ihre Kinder zögerlich sind, brauchen eine andere Aufklärung als Menschen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Kappert-Gonther