Frage an Kerstin Tack von Georg F. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Guten Tag Frau Tack,
Mehrere tausend Patienten verlieren in Deutschland jedes Jahr aufgrund unwirksamer Antibiotika ihr Leben" (https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/multiresistente-keime-verursachen-in-europa-33-0000-todesfaellen-pro-jahr-a-1236984.html ).
Das ist eine humanitäre Katastrophe.
Jeder würde sich doch wünschen, dass ihm oder seinen Angehörigen geholfen wird, wenn er Hilfe benötigt. Dann können wir auch erwarten, dass sich jeder damit auseinandersetzt, ob er selber helfen will oder nicht, oder!?
Massentierhaltung forciert die Verbreitung von multiresistenten Keimen (MRSA) (https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2017-11/antibiotika-resistenzen-bakterien-massentierhaltung-medizin-keime) .
Menschen mit einem supprimiertem Immunsystem wie Organ/Gewebeempfänger sind den Keimen ausgeliefert, wie der Fall Wilhelm Beckmann geradezu idealtypisch aufzeigt.
Eine Lungentransplantation gab Hoffnung für den Bruder des Moderators. Sein Körper stieß das Organ ab und er musste in die Klinik zurück. ( https://www.bunte.de/stars/star-life/schicksalsgeschichten-der-stars/reinhold-beckmann-da-bricht-alles-sich-zusammen.html )
„Damit begann das Warten von vorn. Bis er die zweite Lunge erhielt, dauerte es wieder fast drei Monate“, erzählte Reinhold Beckmann. Weiter: Wilhelm fing sich sogenannte multiresistente Keime ein. „Mein Bruder besaß einfach keine Kraft mehr, den Keim zu besiegen. Die Ärzte sahen keine Chance, weil kein Antibiotikum anschlug." so Beckmann zur Bildzeitung ( https://www.bild.de/unterhaltung/leute/spricht-ueber-den-tod-seines-bruders-wilhelm-10727398.bild.html ).
Wilhelm verstarb.
Fragen:
Wie hoch ist die Anzahl von Transplantierten in Deutschland, die im Schnitt an Keimen versterben?
Sehen Sie sich als Politiker in der Schuld und Verpflichtung?
Setzen Sie sich im Namen gelebter Nächstenliebe dafür ein, Kranke vor einer Transplantationsoperation detailiert und schriftlich über die Risiken für ihr Leben zu informieren?
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.
Das Robert-Koch-Institut gibt auf seiner Homepage an, dass es in Deutschland jährlich zu ca. 400.000 bis 600.000 nosokomialen Infektionen (Krankenhausinfektionen) und dadurch zu etwa 10.000 bis 20.000 Todesfällen kommt (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Krankenhausinfektionen-und-Antibiotikaresistenz/FAQ_Liste.html). Hierbei handelt es sich nicht nur um multiresistente Keime aber Sie haben Recht, wenn Sie von einem großen Problem sprechen.
Neben den politischen Maßnahmen zur Verringerung dieser Todesfälle, die in der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie „DART 2020“ gebündelt sind und der Förderung der Erforschung neuer Antibiotika sowie der Forschung zu Resistenzen und Krankenhausinfektionen werden in den Krankenhäusern heute deutlich mehr hygienisches Fachpersonal beschäftigt und für fortlaufende Fort- und Weiterbildung gesorgt. Das sind nur einige Beispiele von Maßnahmen aus dem Bereich Humanmedizin. Viele weitere betreffen die Veterinärmedizin, die Landwirtschaft und die Umwelt. Entscheidend ist auch die europäische und internationale Zusammenarbeit, denn gefährliche Erreger machen nicht an Landesgrenzen halt.
Die Zahl von Organempfängern, die an einer Infektion mit einem multiresistenten Erreger verstorben sind, wird statistisch als Fall nicht einzeln erfasst. Wie hoch die Zahl auch ist, jeder Fall einer gefährlichen oder gar tödlich verlaufenden Infektion im Krankenhaus ist einer zu viel. Allerdings bitte ich zu bedenken, dass eine Organtransplantation ja immer begründet und auf sie wegen des Risikos einer Infektion zu verzichten, häufig nicht möglich ist.
Darüber hinaus kann jede und jeder Einzelne einen Beitrag leisten, damit sich multiresistente Erreger möglichst nicht weiter verbreiten. Dazu gehört beispielsweise, verantwortungsvoll mit Antibiotika umzugehen. Sie sprechen ja selbst die Massentierhaltung an. Mit unseren Ernährungsgewohnheiten und unserem Einkaufsverhalten entscheiden wir mit. Als Patientinnen und Patienten können wir in Fällen, in denen aus ärztlicher Sicht die Gabe eines Antibiotikums nicht zwingend erforderlich ist, den Infekt vielleicht ohne ein Antibiotikum in Ruhe zu Hause auskurieren. Wir können für die eigene Hygiene sorgen, zum Beispiel wenn wir Angehörige in Kliniken besuchen.
Es geht also nur gemeinsam, durch kluges politisches und individuelles Handeln. Mein Kollege Uwe Schmidt hat Ihnen dies auf Abgeordnetenwatch.de ja ebenfalls bereits dargestellt.
Zur ärztlichen Aufklärungspflicht die Information, dass im Jahr 2013 mit dem sogenannten Patientenrechtegesetz im Bürgerlichen Gesetzbuch BGB (§§ 630a und folgende) definiert wurde, welche Anforderungen die ärztliche Aufklärung zu erfüllen hat: Danach sind Ärzte und Ärztinnen verpflichtet, ihren Patientinnen und Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Insbesondere sind sie verpflichtet, die Patientinnen und Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.
Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, dass es grundsätzlich nicht erforderlich sei, den Patientinnen und Patienten genaue oder gar annähernd genaue Prozentzahlen über die mögliche Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitzuteilen. Nur wenn der aufklärende Arzt bei Patientinnen oder Patienten durch die unzutreffende Darstellung der Risikohöhe eine falsche Vorstellung über das Ausmaß der Gefahr, die mit der Behandlung verbunden ist, erweckt und dadurch ein verhältnismäßig häufig auftretendes Operationsrisiko verharmlost, komme er seiner Aufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße nach.
Eine detaillierte Aufklärung muss aber auch immer gewollt sein. Patientinnen und Patienten haben auch ein Recht auf Nichtwissen. Das heißt, dass sie frei entscheiden können, die genauen Risiken einer Behandlung nicht zu kennen. Eine Pflicht zur detaillierten und schriftlichen Aufklärungspflicht der Ärztinnen und Ärzte würde dem zuwiderlaufen.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Tack