Mit welcher Begründung haben Sie gegen einen unabhängigen Missbrauchsbeauftragten gestimmt? Ist Ihnen der sexuelle Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche egal?
Sehr geehrter Herr N.,
vorab: Die vorgelegten Gutachten zum Missbrauchsskandal im Erzbistum München und Freising haben uns alle schockiert. Wir haben die Katholischen Kirche mit Nachdruck aufgefordert Aufklärung ohne Wenn und Aber zu leisten und ohne Rücksicht auf Amt und Würden. Die Staatsanwaltschaften nehmen immer dann Ermittlungen auf, wenn ihnen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten bekannt werden. Klerikern wird keine „Sonderstellung“ eingeräumt, Missbrauchsfälle im kirchlichen Bereich werden mit Nachdruck verfolgt, soweit sie nicht verjährt oder der Tatverdächtige verstorben ist. Des Weitere habe ich in meiner Zeit als Sozialministerin mehrfach mit Opfern von sexuellem Mißbrauch getroffen und mich darüber ausgetauscht, welche Hilfen notwendig und passgenau sind.
Zu Ihrer Frage: Bayern verfügt bereits über ein flächendeckendes, breites Netz an staatlichen und nichtstaatlichen Hilfsangeboten für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt. Dazu gehören beispielweise die Jugendämter, die Bayerische Kinderschutzambulanz, die Heimaufsichten, Beratungsstellen von freien Trägern bei sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen bzw. bei sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend, die Anlaufstellen der Kirchen, Anlaufstellen im Bereich Sport und im Bereich Schule, die Anlaufstelle für ehemalige Heimkinder im Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (ZBFS-BLJA), diverse Anlaufstellen bei sexualisierter Gewalt, therapeutische Angebote, Angebote des Weißen Rings, Angebote von Polizei und Justiz sowie Anlaufstellen für Sozialleistungen und finanzielle Entschädigungsleistungen.
Da für viele Betroffene diese Strukturen, die oftmals entlang der jeweiligen Zuständigkeiten gewachsen sind, jedoch komplex und gerade in einer psychischen wie physischen Belastungssituation nicht einfach zu durchschauen sind, hat die Bayerische Staatsregierung eine zentrale Anlauf- und Lotsenstelle für alle Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt beim Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) eingerichtet, die „Bayerische Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt“ (https://www.blja.bayern.de/hilfen/anlaufstelle/).
Die Bayerische Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt
- ist eine Adresse für alle Menschen in Bayern, die Missbrauch oder sexualisierte Gewalt erlebt haben. Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Und unabhängig davon, wann, wo und durch wen der Missbrauch stattfindet oder stattgefunden hat.
- gibt Orientierung und vermittelt betroffene Menschen an die passende Anlaufstelle in Bayern weiter.
- unterstützt auch Menschen, die Rat und Hilfe für andere suchen.
- unterliegt einer Schweigepflicht.
- hilft kostenfrei und auch anonym: Ratsuchende Menschen müssen ihren Namen nicht nennen.
Da es diese Anlaufstelle bereits gibt habe ich gegen die Schaffung eines Missbrauchsbeauftragten gestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Schreyer