Frage an Kerstin Kernstock-Jeremias von Rolf L. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag Frau Kernstock-Jeremias,
ich hätte mal zwei grundsätzliche Fragen zur Wirtschaftspoltik ihrer Partei bzw. ihre Einstellung dazu:
1)
Inwiefern unterstützen Sie flächendeckende Einführung eines Mindestlohns? Volkswirtschaftlich gesehen ist dies sehr bedenklich und kann genau das Gegenteil des eigentlichen Ziels erzeugen. Der Lohn an sich bestimmt sich in einer freien Marktwirtschaft durch Angebot und Nachfrage, d.h. ohne Eingriffe des Staates ist dies genau der Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragekurve. Wird der Mindestlohn über den sich am Markt selbst eingestellten Lohn durch die Politik festgesetzt, wird die Nachfrage nach Gütern automatisch geringer (da sie ja teurer werden), was wiederrum zu Entlassungen führt aufgrund des fehlenden Auftragseingang. Das Angebot an freigesetzten Arbeitnehmern steigt also.
Wie stellen Sie sicher, dass dies nicht passiert!
Anm: Mir ist bewusst, dass es im Ausland auch funktionierende Mindestlöhne gibt. Jedoch ist hier zu erwähnen, dass der Mindestlohn unterhalb des sich am Markt selbst eingestellten Lohnes festgesetzt wurde, was somit den Markt-Durchschnittslohn nicht verändert!
2) Wieso handelt "die Linke" immer nachfrageorientiert? D.h. warum soll sich immer und überall der Staat einmischen, wenn mal was nicht so läuft wie geplant? Bsp. Depression. Das Credo Ihrer Partei heißt in einem wirtschaftlichen Tief die Nachfrage des Staates zu erhöhen um dies auszugleichen. Wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, funktioniert dies nicht! Zum einen aufgrund des Time-Lags, d.h. bis sich die erwünschte Wirkung der staatl. Maßnahme einstellt, sind wir sowieso schon lange wieder im Aufschwung. Zum anderen maßt sich der Staat Wissen an, das er nicht hat. An nahezu allen System, wo die Politik Regeln vorschreibt, geht es in die Hose (gesetzl. Rentenversicherung kippt 2015 (mehr Transferempfänger als -zahler), gesetz. Krankenversicherung, etc.).
Lieber Herr Loscher,
es gibt nur eine Antwort auf ihre Frage. Natürlich bin ich für die Einführung eines Mindestlohns! Es geht hier in allererster Linie um die Existenzsicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,nicht um kurzfristige wirtschaftliche Interessen. Mindestlohn ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht (Nachhaltigkeit) erforderlich. Doch hierzu die Argumentation meiner Partei, einer OECD Studie und von einem amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Robert Solow, die ich nicht besser führen könnte:
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Der Mindestlohnstärkt die Tarifautonomie Er stellt eine Untergrenze dar, die nicht unter-schritten werden darf. Wenn die Gewerkschaften Löhne vereinbaren, die über dem Mindestlohn liegen, so können diese zum branchenspezifischen Minimum erklärt werden.
Der Mindestlohn schützt kleine Unternehmen vor Lohnkonkurrenz. Vielerorts wird er für Lohnsteigerungen sorgen.Bei Einführung des Mindestlohns sind Übergangs-fristen geplant, damit auch kleine Unternehmen die Lohnsteigerung wirtschaftlich verkraften können.Ein Mindestlohn unterbindet zudem die Lohnkonkurrenz.Für alle Betriebe gelten dieselben Bedingungen. Außerdem stärkt der Mindestlohn strukturschwache Regionen, indem er die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen erhöht.
Der Mindestlohn verringertdie Arbeitslosigkeit.
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Mindestlohn und Arbeitslosigkeit. In Deutschland ist die Arbeitslosenquote deutlich höher als in vielen europäischen Nachbarländern mit Mindestlohn. In vielen Ländern ist sie nach Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sogar gesunken.
Der Mindestlohn verhindert Arbeitsplatzverlagerungen. Zwei Drittel aller Armutslöhne werden in der Dienst-leistungsbranche bezahlt. Dienstleistungen, wie etwaigen Bäckereifachverkauf, im Wachdienst oder im Frisörhandwerk,sind ortsgebunden und können nicht ins Ausland verlagert werden.
Nun die Aussagen der OECD Studie
Die OECD (1998: 47 f.) zieht aus den unterschiedlichen Ergebnissen zu den Beschäftigungseffekten einige vorsichtige Schlussfolgerungen, die sich so zusammenfassen lassen:
• Erhöhungen des Mindestlohns haben leicht negative Auswirkungen auf die Beschäftigung von Teenagern. Allerdings sind diese minimal. So ist z. B. in Frankreich die Beschäftigungsquote von Teenagern zwischen 1975 und 1996 um 18,5% gesunken. Davon sind aber nur 0,3% auf die Erhöhung des Mindestlohnes, der Rest auf andere Faktoren wie den Ausbau des Bildungssystems zurückzuführen. Die hohen Unterschiede in der Beschäftigung Jugendlicher zwischen den OECD-Ländern können nicht durch Unterschiede im Mindestlohn erklärt werden.
• Die Auswirkungen auf die Beschäftigung von jungen Erwachsenen sind nahe bei null oder nicht signifi kant.
• Auswirkungen auf die Beschäftigung von Erwachsenen sind nicht festzustellen. Die größten Risiken bei der Einführung von Mindestlöhnen scheinen bei der Beschäftigung Oder lesen sie doch den Artikel aus der FinancialTimes Deutschland 26.08.2008 Solow warnt vor Mindestlohn-Angst von André Kühnlenz und Charlotte Bartels, Financial Times Deutschland (FTD)
Der amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Robert Solow hält die Furcht vor steigender Arbeitslosigkeit bei Einführung eines Mindestlohns für unberechtigt. Die negative Wirkung höherer Tarife im Niedriglohnbereich werde überschätzt. "Ich verstehe nicht, weshalb in Deutschland so eine Angst vor dem Mindestlohn herrscht", sagte Solow am Rande einer Tagung in Lindau. Der Mindestlohn hat keinen Schaden in jenen Volkswirtschaften angerichtet, die ihn seit Langem eingeführt haben, wie die jüngste Studie der Russell Sage Foundation ergab. Bayerische Verfassung: „Für jeden Berufszweig können Mindestlöhne festgesetzt werden, die dem Arbeitnehmer eine den jeweiligen kulturellen Verhältnissen entsprechende Mindestlebenshaltung für sich und seine Familie ermöglichen.“ Artikel 169 Abs.
Antwort auf Ihre zweite Frage: (ich kann sie, auch zu Ihrer Freude
kürzer halten.)
1) Weil Wirtschaftliche Interessen dem Gemeinwohl zu dienen haben!
2) Vielleicht maßen sich einige Parteien ein Wissen an das sie nicht haben, unser Wissen und unsere Argumentationen sind durch Fachleute- in diesem Falle Volkswirtschaftler wie z.B. die „ARBEITSGRUPPE ALTERNATIVE WIRTSCHAFTSPOLITIK“ (http://www.memo.uni-bremen.de) fundiert!
3)Die Rentenversicherung kippte wegen ihrer „Reform“ 1999- 2007! Hätte man die alte Rentenformel ohne Kürzungsfaktoren beibehalten oder noch besser, würde man alle Erwerbstätigen mit einbeziehen, hätten wir schon wegen der höchsten Produktivitätsquote und einem der höchsten Pro Kopf Einkommen innerhalb Europas kein Rentenproblem! Außerdem: Ordentliche Löhne sorgen für steigende Einnahmen bei der Rentenkasse- wieder ein Argument schlagkräftiges für den Mindestlohn! Nachlesen können sie dies aber eingehender auf der Homepage meiner Partei- Thema Rente mit 67.
4) Die Trickle-Down Theorie des Wirtschaftsmarktes trifft schlichtweg nicht zu. Was ist denn mit unserem momentanen Aufschwung? 80% der Menschen sagen, dass sie nicht davon profitieren. Wie passen Massenentlassungen von Konzernen die sogar Milliardengewinne machen ins Bild? Der Unternehmer, oder eher Aktionär, sieht sich dem Arbeiter, der ihm seinen Gewinn erarbeitet, in keinster Weise verbunden und verpflichtet. Auch wenn laut Grundgesetzt Eigentum verpflichtet! Schon deshalb brauchen wir zwar nicht mehr, aber effektiveren Regularien des Staates gegenüber den meist und gerade jetzt durch kurzfristige Gewinnorientierung geprägte Interessen der Wirtschaft, vor Allem gegenüber Großunternehmen. Die Rechnung ´´Mehr Gewinn = höhere Löhne´´ ist eine klassische Milchmädchenrechnung. Der Staat muss seinen Bürgern und deren Interessen Rechnung tragen, das ist eine seiner primären Aufgaben. Ich hoffe ich konnten Ihre Fragen weitgehend beantworten, wenn nicht- bitte schreiben sie mir.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Kernstock-Jeremias