Frage an Kerstin Griese von Björn S. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Griese,
ihren Dialog mit Herrn Bauke habe ich mit Interesse verfolgt. Ich hätte dazu jedoch noch Fragen. Wo hatte er gegen Schulen und Kindergärten polemisiert? Die Stelle kann ich nicht finden. Die Wiedergabe von Inhalten der Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/publikationen/0FV574,0,0,Finnisches_Bildungswesen_und_Familienpolitik:_ein_leuchtendes_Beispiel.html zeigte doch sachlich einen korrekten Zusammenhang zur DDR Politik. War Ihnen diese Tatsache nicht bekannt, oder ist Ihnen das doch unangenehm?
Sie scheinen die Wähler nicht ernst zu nehmen. Wir sind durchaus in der Lage, das Sparpotential des angehobenen Steuerfreibetrages für Kinder mit der Erhöhung des Kindergeldes zu vergleichen und zu erkennen, daß hier Großfamilien und Familien mit geringen Einkommen massiv benachteiligt werden. Hier gibt’s vor allem mehr Geld für Reiche, vor dem Hintergrund der Mehrwertsteuer und der Inflation, die vor allem Familien trifft.
Die Familienpolitik der großen Koalition erweist sich jedenfalls immer mehr als Appendix der Wirtschaftspolitik. Wer als Mutter in einer 1-Verdiener Familie mit 4 oder mehr Kindern für die Kinder sorgt (geht nicht arbeiten sondern arbeitet noch mehr) steht nicht besser da als Hartz IV. Wenn hier ein Kind auf die Realschule wechselt wird von Seiten der Schule unzweideutig klar gemacht, daß der Erfolg des Kindes in direktem Zusammenhang mit der für die Hausaufgabenbetreuung aufgewandten Zeit steht. Daß also mehr als eine Stunde pro Tag dafür notwendig sein wird. Rechnen Sie das um auf 4 oder mehr Kinder (es gibt nicht nur Hausaufgaben), addieren Sie die Haushaltsarbeit und was alles anfällt. So viel kann eine Frau gar nicht verdienen, daß sie diese geleistete Arbeit anderen bezahlt. Hier ist Selbermachen billiger als Zukaufen. Sie gehen nach wie vor von öffentlichkeitswirksamen aber unrealistischen 185Mrd.€ Familienhilfe aus. Haben Sie sich nicht mit den von Herrn Bauke angegebenen Quellen auseinandergesetzt?
MfG
Sehr geehrter Herr Bauke,
wir orientieren unsere Politik nicht an der der DDR, sondern an den politischen Erfolgen in unseren west- und nordeuropäischen Nachbarländern. Dort sehen wir, dass eine bessere Kinderbetreuungsinfrastruktur für eine kinderfreundlichere Gesellschaft sorgt: dort wo es Müttern ermöglicht wird, Kind und Beruf miteinander zu vereinbaren, ist die Geburtenrate höher als bei uns. Und die Kinderarmut ist geringer.
Dass Besserverdienende durch den Kinderfreibetrag mehr Geld erhalten als Familien, die auf das Kindergeld angewiesen sind, halte auch ich für falsch. Der Versuch der SPD, diese Ungerechtigkeit durch einen neuen Kindergrundfreibetrag zu beseitigen, ist leider an unserem Koalitionspartner gescheitert.
Ihr Beispiel mit dem Wechsel des Kindes in die weiterführende Schule ist leider ein sehr häufiges Phänomen, das eine große soziale Ungerechtigkeit bedeutet. Dem kann man nur begegnen, wenn wir endlich flächendeckend Ganztagsschulen in Deutschland einführen. Der Bund hatte begonnen, durch ein Vier-Milliarden-Paket viele Grundschulen schrittweise mit einem Ganztagsangebot auszustatten. Dem müssen die Bundesländer folgen, in dem sie den zweiten Schritt machen und die weiterführenden Schulen ebenfalls entsprechend ausbauen.
Dass sie die insgesamt 185 Milliarden Euro, die alljährlich für die Familienförderung ausgegeben werden, für nicht nachvollziehbar halten, kann ich verstehen. Denn Teile dieses Geldes werden sehr wenig zielgerichtet ausgegeben. So zum Beispiel das Ehegattensplitting, das zu einem großen Teil an Haushalte fließt, in denen keine Kinder (mehr) leben. Die SPD setzt sich deswegen dafür ein, die Familienförderung so umzustrukturieren, dass das Geld zielgenauer bei den Kindern ankommt.
Selbstverständlich setzte ich mich regelmäßig mit den familienpolitischen Vorstellungen einer großen Anzahl verschiedener Verbände und Fachleute auseinander. Zu vielen Fragen veranstalte ich in meinem Ausschuss Anhörungen, wo aus verschiedenen Richtungen unsere Politik unter die Lupe genommen wird.
Bei den meisten Fachleuten gibt es einen Konsens darüber, in welche Richtung sich eine moderne Familienpolitik entwickeln muss. Dazu zählen insbesondere auch die Expertinnen und Experten, die die Familienberichte für die Bundesregierung erstellen. Den aktuellen Familienbericht finden Sie hier: http://www.bmfsfj.de/doku/familienbericht/haupt.html . Dies ist eine Leitschnur, an der sich unsere Familienpolitik orientiert.
Ich wünsche Ihnen frohe Feiertage und alles Gute für 2009
Kerstin Griese